"Der Tunnel"
(1915)

Erstausgabe von 1913
Der Tunnel ist das bedeutendste Buch des Schriftstellers Bernhard Kellermann (1879-1951). Es erschien im April 1913 im S. Fischer Verlag, Berlin. Bereits nach einem halben Jahr waren 100.000 Exemplare verkauft. Schnell schlug der nationale Erfolg in einen internationalen um, das Buch wurde rasch in 24 Sprachen übersetzt und eroberte den Erdball.
Das Werk wurde zu einem der erfolgreichsten Bücher der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bis 1939 erreichte es eine Gesamtauflage in Millionenhöhe.

Die Story
Der Ingenieur MacAllan, der sich vom einfachen Bergwerksjungen zu einem anerkannten Erfinder hochgearbeitet hat, entwickelt den Werkstoff Allanit, mit dem ungleich erfolgreicher gebohrt werden kann als mit herkömmlichem Stahl. Er baut im Auftrag des amerikanischen Industriemagnaten C.H. Lloyd und des Atlantik Tunnel- Syndikats einen submarinen Tunnel, der eine Landverbindung für Schnellzüge von Amerika nach Europa bieten soll. MacAllan verpflichtet sich, diese gigantische technische Leistung in fünfzehn Jahren fertig zu stellen. Von fünf verschiedenen Stellen aus beginnen Massen von Arbeitern den Tunnel voranzutreiben, bis im siebten Baujahr auf amerikanischer Seite eine gewaltige Explosion das ganze Werk auf furchtbare Weise stoppt. Bis zum Wahnsinn aufgebrachte Arbeiter töten Frau und Tochter Allans, die Panik greift auf alle anderen Baustellen über, das Unternehmen scheint absolut gescheitert zu sein. Blühten an den Bohrlöchern gewaltige, aus dem Boden gestampfte Großstädte, so greift nun der wirtschaftliche Bankrott um sich: Arbeitslosigkeit, verarmte Kleinaktionäre, Hunger und Hass. Nach längerem Rückzug rafft sich Allan noch einmal auf, mit Lloyds Kapital und dem Vermögen seiner zweiten Frau, der Tochter von Lloyd, kommt es doch zur Vollendung des Tunnels, wenn auch erst nach insgesamt sechsundzwanzig Jahren. Lloyd und Allen sind die ersten Passagiere. „Sie waren mit zwölf Minuten Verspätung in Europa eingetroffen." Mit diesem Satz endet das Buch. Kellermann konzentriert sich in seiner leidenschaftlich reportagehaften Schilderung nicht nur auf die technische Seite, er versteht es, mit wenigen markanten Sätzen die Charaktere der Agierenden feinfühlig zu umreißen, so etwa den Charakter von Allans erster Frau Maud, der sich die Welt über Musik erschließt und die einen interessanten Gegenpol zum Helden der Geschichte bildet. (Wilhelm Droste in "Bernhard Kellermann und sein Tunnel in die Zukunft. Die Welt im Netz der Vernetzung")

Im Jahre 1914 wurden die Vorarbeiten zu dem bis dahin kostspieligsten und aufwendigsten Filmprojekt des Deutschen Reichs geleistet. Es war geplant, Bernhard Kellermanns Roman Der Tunnel zu verfilmen. Die produzierende Vitascope beauftragte Rudolf Meinert mit der Filmregie. Dieser übernahm auch die Hauptrolle. Man befand sich in Berlin-Weißensee bereits inmitten der Dreharbeiten, als der Erste Weltkrieg ausbrach und der Film aus Kostengründen gestoppt wurde. Über ein halbes Jahr blieb Der Tunnel als Torso liegen, als 1915 nunmehr die PAGU das Zepter des Handelns übernahm, und den Film völlig neu zu drehen begann. Diesmal führte William Wauer (1866 - 1962) Regie, und die Hauptrolle ging an Friedrich Kayßler. Diese im Union-Atelier in Berlin-Tempelhof fertiggestellte Fassung war in Umfang und Ausführung kostentechnisch sehr viel bescheidener angelegt als Meinerts Projekt.
Der Sechsakter Der Tunnel passierte die Zensur am 17. August 1915 und wurde im darauf folgenden Monat uraufgeführt. Ein Jugendverbot wurde erlassen. Hermann Warm entwarf die umfangreichen Filmbauten (Maschinen aller Arten). Heinz Karl Heiland assistierte Regisseur Wauer. Für die gefeierte Operettensängerin Fritzi Massary war Der Tunnel einer ihrer seltenen Ausflüge in die Filmschauspielerei. (Quelle: wikipedia.de)

Eröffnungssequenz.
Im Bild: Bernhard Kellermann
Original Film-Plakat
Eröffnungssequenz.
Im Bild: William Wauer

Was hat nun Der Tunnel mit Senftenberg zu tun, abgesehen davon, dass es hier eine Straße und eine Schule gibt, die nach Bernhard Kellermann benannt sind? Die Antwort auf diese berechtigte Frage liefert ein kleiner Artikel aus dem Senftenberger Anzeiger des Jahres 1915:

Senftenberger Anzeiger (1915)
- Senftenberg, 10. September. Kürzlich wurde in den U.T.-Lichtspielen am Kurfürstendamm zu Berlin vor geladenem Publikum der nach dem Kellermann'schen Roman gleichen Inhalts hergestellte Film "Der Tunnel" zum erstenmal gespielt. Das sechsteilige Drama, das die Ausführung der phantastischen Idee eines gewaltigen Tunnels zwischen Amerika und Europa zum Vorwurf hat, bot einige vorzügliche Aufnahmen aus dem Reiche der großen Technik. Der vorläufig nur als Gedanke vorstellbare Durchbruch der Erde von Erdteil zu Erdteil mußte geschickt aus der Wirklichkeit hervorgezaubert werden, in der wir leben. Dieser Teil der Bilder, den man in einem Bergwerk der Ilse-Gesellschaft (auf Grube Marga) und auf der Strecke einer modernen Untergrundbahn kurbeln ließ, ist zumeist sehr gelungen. Die Feinheiten und Verknüpfungen psychologischer Art in den Geschicken der handelnden Menschen sind auf der belichteten Leinwand freilich nicht ohne Vergröberung wiederzugeben. Bei der Herstellung dieses Films waren mehr als 1000 Mitwirkende bezw. Statisten tätig, die sich dazu mehrere Tage in Grube Marga aufhielten und per Extrazug gekommen waren.

Ende 1915 kam der Film auch in die Kinos von Senftenberg und Umgebung und man wies in den entsprechenden Anzeigen natürlich auf die Verbindung zu den lokalen Drehorten und Darstellern, sprich: Statisten, hin.
Spätestens dies weckte starkes Interesse in mir, einer Kopie dieses Filmes habhaft zu werden. Es war letztlich nicht einmal so schwer, obwohl nicht 100%ig erfolgreich, denn die Kopie, die ich aufstöberte ist leider unvollständig. Mindestens die ersten zwei von sechs Akten fehlen und auch am Ende scheint das Material vorzeitig abzubrechen. Zudem fehlen sämtliche Zwischentitel, bzw. die, die (noch) im Film enthalten sind, sind spiegelverkehrt hineinkopiert und extrem kurz, so daß man sie nur in "slow motion" sehen und entziffern kann. Zwischentitel? Ja wir haben es mit einem Stummfilm zu tun! Zwischentitel sind Texttafeln, die wie ein roter Faden durch einen Stummfilm führen oder ihn kommentieren. Sie erklären zumeist das, was der Regisseur oder der Drehbuchautor nicht in die Bildsprache umsetzen wollte oder konnte. Viele Zwischentitel wurden allerdings lediglich eingesetzt, um die Dialoge oder die Erklärung einer Szene für den Zuschauer sichtbar zu machen. Das ist speziell dann sehr hilfreich bzw. unabdingbar, wenn der Betrachter die zugrundeliegende literarische Vorlage nicht kennt, denn auf Informationen "über die Tonspur" konnte man nicht zurückgreifen.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Nach meinen Informationen wurde Der Tunnel im Jahr 2010 vollständig restauriert und lief danach in einigen Programmkinos für Freunde des Stummfilms. Die Chancen stehen also nicht einmal so schlecht, daß ich über kurz oder lang an eine vollständige Kopie des Films gelange. Bis dahin haben die nachfolgenden Ausführungen vorläufigen Charakter.

Das vorliegende Filmmaterial wurde von mir nach Szenen mit lokalem Bezug hin untersucht. Dabei konnten einige Aufnahmen identifiziert werden, die definitiv auf Grube Marga angefertigt wurden. Bei anderen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit während ein großer Teil des Materials mit Sicherheit nicht bei uns aufgenommen wurde. Die Szenen, die wahrscheinlich oder sicher auf Grube Marga gefilmt wurden, habe ich extrahiert und bringe sie nachfolgend, mit einigen Anmerkungen versehen, zur Ansicht.

Der Tunnel - 1. Akt
Material liegt gegenwärtig nicht vor.
Der Tunnel - 2. Akt
Material liegt gegenwärtig nicht vor.
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Der Tunnel - 3. Akt
  • Eröffnungssequenz: Blick auf die Kraftzentrale und Teile der Brikettfabrik Marga
  • Massenszene in der Kolonie Marga (Ringstraße)
  • Massenszene auf einem Fabrikgelände (wahrscheinlich Brikettfabrik Marga)
  • Frau und Tochter von Allan beim Verlassen der "Kaiserkrone"
  • Massenszene vor dem Eingang der Kraftzentrale
  • Massenszene in der Kolonie Marga (Ringstraße)
  • Allans Frau und Tochter werden vom Mob getötet (wahrscheinlich Brikettfabrik Marga)
  • Massenszene vor dem Eingang der Kraftzentrale
  • Allan findet seine toten Familienangehörigen (wahrscheinlich Brikettfabrik Marga)
  • Blick auf die Kraftzentrale und Teile der Brikettfabrik Marga
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Der Tunnel - 4. Akt
  • Szenen vor dem Eingang der Kraftzentrale
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Der Tunnel - 5. Akt
  • Eröffnungssequenz: Blick vom Tagebaurand
  • lange Szene am Rande des Tagebaus (Entwässerungsrohre, in der Ferne eine Brikettfabrik (Hörlitz?))
  • Szene vor dem Eingang der Kraftzentrale
  • Szene möglicherweise im Inneren der Kraftzentrale (Maschinenraum)
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Der Tunnel - 6. Akt
  • Szene vor dem Eingang der Kraftzentrale
  • Massenszene vor dem Haupteingang der Verwaltung der Brikettfabrik Marga
  • wahrscheinlich Betriebsgelände Brikettfabrik Marga (Kettenbahn, E-Lok, Dampflok)
  • Tagebau (Eimerkettenbagger, Entwässerungsrohre)
  • Kettenbahn
  • Tagebau (Verkippen von Abraum)
Fazit: Auch wenn wir es äußerlich mit vergleichsweise viel Filmmaterial zu tun haben, welches in unserer Gegend gedreht wurde, muß man jedoch zugeben, daß die Ausbeute an wirklich interessantem Material ziemlich gering ist. Ich gehe zwar davon aus, daß sich in den zwei bislang noch "verschollenen" Akten weitere Einstellungen mit lokalem Bezug finden lassen und es ist auch gut möglich, daß die eine oder andere zweifelhafte Szene doch auf Grube Marga gedreht wurde (mehrfach kommt eine E-Lok zum Einsatz, die eigentlich typisch für unsere Region ist), so wird das den Kohl trotzdem nicht fett machen. Es war aber auch nie das Ziel des Films, die schönsten Ecken von Grube Marga festzuhalten, sondern den Kellermannschen Stoff adäquat umzusetzen. Zu diesem Zweck bediente man sich dessen, was zu diesem Zeitpunkt verfügbar war und wählte Blickwinkel die es dem Betrachter schwer machen eine räumliche Zuordnung zu treffen. Wäre ich nicht den Hinweisen des Senftenberger Anzeiger gefolgt, dann wäre dieses "Geheimnis" vielleicht nie gelüftet worden.
Dennoch möchte ich konstatieren, dass wir es zumindest bei den beiden Szenen aus der Ringstraße mit den bislang ersten bewegten Bildern aus unserer Heimat zu tun haben. Und das ist immerhin schon einmal etwas!