Die Beerdigung der in den Unruhen, während des Generalstreiks vom
20. bis 27. März 1920, im Kampfe für die Freiheit gefallenen Opfer (24.03.1920)

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- Senftenberg, 24. März. Gestern nachmittags erfolgte das Leichenbegängnis der in den Gefechten bei Sachsendorf und Drebkau gefallenen 6 Teilnehmer, welche auf Seiten der Roten Armee kämpften und dabei ihren Tod fanden. Kurz nach 3 ½ Uhr setzte sich der nach vielen Tausenden zählende Zug unter den Klängen des Liedes "Ich hat einen Kameraden" und des Chopin'schen Trauermarsches vom Gasthaus Michael aus in Bewegung. Die Trauermusik hatte die Stadtkapelle gestellt. Im Trauerzuge folgten kurz hinter der Kapelle sämtliche Mitglieder des Aktions- und Vollzugs-Ausschusses, nachdem Mitglieder des Magistrats und Stadtverordneten-Kollegiums, alsdann die städtischen Beamten und Angestellten und nach ihnen auf zwei Wagen die 6 Leichen der "März-Gefallenen". Die nächsten Angehörigen schlossen sich ihnen unmittelbar an. Nunmehr folgte eine überaus große Anzahl von Vereinen mit roten Fahnen. Der Zug passierte die Moritz- und Bahnhofstraße, Markt und Kreuzstraße durch Jüttendorf nach dem neuen Friedhofe.
Dort hatte sich, wie auch in allen Straßen, eine außerordentlich große Menschenmenge angesammelt. In einem Massengrab erfolgte sodann die Beisetzung von 4 Leichen und zwar die der Arbeiter Hermann Dzialla aus Lauta, Willi Mund aus Grube Marga, Oskar Zeidler - Senftenberg und Bruno Brückner - Grube Marga. Geistlichkeit war nicht zugegen. Die Gedächtnisrede hielt Herr Dahlenburg, welcher ungefähr folgendes ausführte:
"Hochverehrte Trauerversammlung! Werte Freunde und Angehörige! In tiefer Trauer sind wir heute in dieser Stunde hier versammelt, um die lieben Brüder und Freunde, die im Kampfe für Freiheit und Recht ihr Leben lassen mußten, zur letzten Ruhe zu betten. Von jeher haben die Märztage in der Geschichte der Revolution aller Völker eine bedeutsame Rolle gespielt. Und schon bei den alten Römern erklang der Warnruf an Julius Cäsar: Hüte dich vor den Iden des März! Auch in unserem Volke sind die Märztage nicht ohne schwere Erschütterungen vorübergegangen. Nach 5jährigem Krieg und Blutvergießen hatten wir endlich Frieden. In friedlicher Arbeit hofften wir in einem freien republikanischen Deutschland wieder aufzubauen, was der Krieg niedergerissen hatte. Allenthalben machten sich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Gesundung bemerkbar; es ging wieder vorwärts mit uns; das Kreditabkommen mit dem Auslande war dem Abschluß nahe. Da wagte es eine Handvoll Verbrecher, getrieben vom Machthunger, durch einen Putsch die Regierungsgewalt an sich zu reißen. Diese Verbrecher, die es wagten, die Rechte eines 60 Millionenvolkes anzutasten, drückten uns die Waffen in die Hand, um die eben erst erungene Freiheit zu verteidigen. Dank des einmütigen Zusammenschlusses aller sozialistischen Parteien hat die Arbeiterschaft den Sieg errungen.

Diese Verbrecher mit Kapp und Lüttwitz an der Spitze sind schuld an dem Tode unserer Freunde. Sie werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen. Einst, wenn die Geschichte die Ereignisse der Revolution schreiben wird, wird sie auch das Urteil fällen über das Verbrechen, das in den vergangenen Tagen an dem deutschen Volke verübt worden ist. Die gefallenen Freunde, die wir heute beklagen, sind nicht eure Toten allein, ihr trauernden Angehörigen, es sind unsere Toten, die Toten des ganzen deutschen Volkes, und besser als in einem Denkmal von Stein und Erz wird ihr Gedächtnis in unseren Herzen fortleben. Sie sind den schönsten Tod gestorben, den Tod im Kampfe, für Freiheit und Recht."
Mit einem Dichterwort Freiligraths, diese Freiheiten und Rechte des deutschen Volkes zu wahren und nie Sklaven zu werden, schloß der Redner. Danach sprach ein Vertreter der Arbeiterschaft von Marga. Herr Beigeordneter Barth legte im Namen des Magistrats der Stadt Senftenberg einen Kranz nieder mit dem Versprechen, daß die Stadt sich den Schutz und die Pflege der Gräber dieser Helden wird angelegen sein lassen. Während der Arbeitergesangverein "Morgenrot" einen Trauergesang anstimmte, senkten sich die Banner und Fahnen über die gemeinsame Gruft. Während der Kranzniederlegung zerstreuten sich die Volksmassen.

Soweit der Senftenberger Anzeiger Ende März 1920. Das was wir hier in gedruckter Form geboten bekommen, zeigt der gut 4-minütige Film teilweise in bewegten Bildern. Bevor wir dem Begräbnis selbst beiwohnen und ein oder zwei Blicke auf die Totenhalle des Neuen Friedhofes erhaschen, sehen wir den Leichenzug bei der Durchquerung von Jüttendorf, konkret der Kaiser-Friedrich-Strasse. Dabei sind die beiden Wagen mit den sechs Särgen zu sehen. Die beiden in obigem Text nicht namentlich aufgeführten Toten waren nicht zur Beerdigung freigegeben, da man sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig identifizieren konnte. Sie wurden in den unteren Räumen der Friedhofskapelle aufgebahrt.

Einen Tag später wurden die beiden als Friedrich Rumposch und Erich Kalz, beide aus Kolkwitz, identifiziert. Ferner wurden am 25. März die beiden Bergarbeiter Bruno Schurig und Ferdinand Früh aus Grube Marga bestattet. Diesmal ohne großes Begängnis.