Heimatmuseum
Senftenberg, 18. Oktober. Rastlos schnell eilt unsere
Zeit dahin, fortwährende Aenderungen schaffend, Altes verwerfend,
Neues wirkend. Das Alte, oft Schöne, verschwindet, kommt aus der
Mode, um nach Jahrzehnten wieder ans Tageslicht gezogen und als
modern gepriesen zu werden oder uns die Kunstfertigkeit längst
entschwundener Geschlechter zu offenbaren.
Ortschaften bekommen ein anderes Aussehen; das Alte stürzt,
es ändern sich die Zeiten.
Ob es sich nicht lohnte, Erinnerungen an vergangene Tage und
Stätten zu sammeln und für die Allgemeinheit zugänglich zu machen,
dem Nachwuchs zu zeigen, wie manches früher aussah, wie der
Fortschritt auf den einzelnen Gebieten schrittweise erfolgt ist?
Wäre es nicht dankbar, planmäßig daran zu gehen, hier in
Senftenberg eine Sammlung zu schaffen, wie es an vielen Orten
schon geschehen ist? Cottbus, Lübbenau, Forst, Guben besitzen
bereits Museen für Altertümer - Heimatmuseen. Senftenberg mit
seiner wechselvollen Geschichte, seinem veränderten Erwerbsleben,
seiner an kulturhistorischen Objekten reichen Umgebung hat noch
kein derartiges Institut. So manches Volksaltertum könnte der
Vergessenheit entrissen und für unseren Ort erhalten geblieben
sein, das von umherschwärmenden Händlern leider fortgeschleppt
worden ist. Aber trotzdem ist unsere Stadt und Umgebung nicht so
abgegrast, daß nichts mehr zu finden wäre.
Der Zweck dieser Zeilen soll sein, das Interesse auf dieses
Gebiet zu lenken resp. für dasselbe zu erwecken. Es muß und wird
auch bei uns dahin kommen, daß, wenn sich jemand solcher
Sammlungsgegenstände entäußert, er sie lieber im Heimatmuseum
pietätvoll aufbewahrt wissen will, als daß sie in die Hände
der Antiquitätenhändler kommen. Hoffen wir, daß der Lokalpatriotismus
sich auch nach der Hinsicht willig zeige, Kultur- und Wirtschaftsaltertümer,
die oft nur noch in der Rumpelkammer ein wenig rühmliches Dasein
fristen, bereitwillig für das im Entstehen begriffene Heimatmuseum
zu spenden.
Und wieviel höher sieht ein solches inbezug auf Nutzen für die
Allgemeinheit, den Heimatort, als Sammlungen reicher Privatpersonen,
denen derartige Objekte manchmal zugewiesen werden. Niemand kann ihr
Bestehen verbürgern. Wie oft ist der Tod des Besitzers die Veranlassung
zum Veräußern der Gegenstände. Auch der Gedanke muß Raum gewinnen,
daß eine von einer Privatperson dargebotene Gabe zum Besten der
Allgemeinheit dieser nicht in späteren Jahren entzogen werden darf,
wie es z.B. heute nicht selten von den rechtlichen Mitgliedern alter
Innungen geschieht. Oder ist es im Einklang mit unserm Rechtsbewußtsein,
wenn Zunftgegenstände, die vor Jahrhunderten mit Opfern, aber sicher
auch mit Freude für das Allgemeinwohl gestiftet worden sind, von den
wenigen zufälligen Mitgliedern der Zunft heute zu ihrem Besten,
vielleicht gar nach auswärts, veräußert, anstatt dem Heimatmuseum
zugeführt zu werden?
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Was könnte wohl einem solchen Museum überwiesen werden?
1) Möbel und Hausgeräte (Urväterhausrat): Truhen, Tische, Stühle,
Schränke, Kommoden, Wiegen, Uhren.
2) Prähistorische Funde: Urnen, Waffen, Werkzeuge und Geräte
aus der Stein-, Bronze- und ersten Eisenzeit.
3) Gegenstände, die an geschichtliche Ereignisse erinnern:
Kleider und Waffen aus den Freiheitskriegen, Erinnerungszeichen
an die Kriege 1864, 1866, 1870/71.
4) Gegenstände, die die Entwicklung der Beleuchtung veranschaulichen:
Feuerstein, Stahl und Schwamm, Spanhalter, Oellicht, Leuchter,
Lichtputzscheren, Lampen.
5) Gegenstände, die uns erinnern an Einrichtungen im Leben der
Gemeinde: Kerbholz, Spieß und Horn des Nachtwächters, Handfeuerspritze.
6) Alte historische Trachten: Dreieckiger Hut, langer Rock, Weste
mit Messingknöpfen, Kniehosen, Schnallen-Schuhe, schöne eigenartige
Frauen-Kleider, bunte Tücher, Bänderhauben, Perlenkappen, Stickereien.
7) Münz-Sammlungen.
8) Alte wertvolle Gefäße: Zinn, Porzellan, Ton- und Glaswaren, Krüge,
Becher, Leuchter, Terrinen, Kannen, Tassen.
9) Bilder, welche den Ort oder Teile desselben in früheren Jahrhunderten
darstellen.
10) Alte Bücher aller Art, Bibeln, Ortschroniken, Aufsätze und
Aufzeichnungen, die den Ort und das örtliche Leben betreffen.
11) Urkunden: Kauf-, Vertrags-, Schenkungs- und Wappen-Urkunden; Lehr-,
Gesellen- und Meisterbriefe auf Pergament oder Papier.
12) Ortspläne, geologische und Flurgemarkungskarten.
13) Alle Waffen von Pfeil und Bogen und Feuersteingewehren an.
14) Tier- und Pflanzenversteinerungen.
15) Erzeugnisse häuslichen Kunstfleißes z.B. Schnitzereien.
16) Gegenstände, die an Flachsbau und Flachsverarbeitung erinnern.
Erzählungen vom Spinnen auf dem Spinnrad werden später wie Märchen
klingen. Gar bald wird die Fabrikarbeit die Handarbeit noch mehr als
heute verdrängt haben. Spinnmaterial, Spinnrad, Riffel, Brache,
Hechel, Weise, Webschiffchen und dergl. werden dann interessante
Anschauungsobjekte sein.
Damit ist die Reihe der sammelnswerten Objekte aber noch lange
nicht erschöpft.
Ein demnächst ins Leben zu rufender "Geschichtsverein" soll sich die
Pflege des neuen Museums besonders angelegen sein lassen.
Der Beitrag enthält, wie ich finde, eine Reihe von interessanten Aussagen,
die auch hundert Jahre danach noch ihre Gültigkeit haben.
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