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Älteres


Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Sammlung Dieter Lochner
Senftenberg? Das soll Senftenberg sein? Nie im Leben! Tja, klarer Fall von "Denkste!". Es ist Senftenberg! Und zwar die Fichtestrasse 10/12 (rechts/links).
Wieder einmal muss ich zugeben, dass ich mich in Senftenberg noch immer nicht 100%ig auskenne, aber in manche Ecken kam und kommt man einfach nicht so oft, als dass sie sich einem vollständig ins Gedächtnis eingeprägt haben. Immerhin handelt es sich um ein Gebiet meiner Heimatstadt, welches extrem selten auf Bildern festgehalten wurde. Einschliesslich dieser Fotopostkarte verfüge ich über ganze 3 Stücke mit Abbildungen aus dieser Region. Und alle drei kommen heute zum Einsatz.

So wie zunächst die örtliche Bestimmung des obersten Motivs ein Problem darstellte, ist auch die zeitliche Einordnung alles andere als einfach...
Ich habe versucht mit relativ wenig Hintergrundwissen und einem Quantum an Kombinatorik das Ganze wenigstens nach unten abzugrenzen. Fakt ist, dass das Einwohnerverzeichnis von Senftenberg für das Jahr 1925 (erstellt wahrscheinlich 1924) noch keine der Strassen des Gebietes listet. Das Einwohnerbuch für 1927 dagegen führt schon eine ganze Reihe von Adressen in den zwischenzeitlich gebauten und benannten Strassen. Also kann mit der Errichtung der Siedlung frühestens 1924 begonnen worden sein.
In Senftenberg herrschte zu Beginn der 1920er eine extreme Wohnungsnot. Um Abhilfe zu schaffen, setzte man verstärkt auf die Eigeninitiative von Familien mit wenig Kapital, die jedoch genügend eigene Muskelkraft einsetzten und den Mut hatten, Wohneigentum unabhängig von städtischen Bauprojekten und in Konkurrenz zu den klassischen Bauten vermögender oder risikobereiter Privatinvestoren, zu schaffen. Vielfach schlossen sich die Bauwilligen zu Siedlungsgesellschaften zusammen, in denen man sich vielfach gegenseitig unterstützte.
Eine solche Siedlungsgesellschaft war auch der Verein Selbsthilfe. Protokollen der Stadtverordnetenversammlungen kann man entnehmen, dass der Gemeinnützige Spar- und Bauverein "Selbsthilfe" Ende April 1924 an den Magistrat herantrat und um die Abgabe von Baugelände an der Zschipkauer Bahn ersuchte. Namentlicher Verein wollte zunächst 10 Wohnungen errichten. Der Magistrat war zur Abgabe des Geländes gegen Zahlung von 1 Mark pro Quadratmeter bereit. Auf Antrag eines Stadtverordneten wurde der Preis auf 50 Pfennig pro Quadratmeter herabgesetzt.
Mitte Juni tauchte das Thema erneut auf. Nunmehr ist von 14 Wohnungen die Rede. Der Preis bleibt bei 50 Pfennig pro Quadratmeter. Einstimmig und ohne Debatte wurde die Vorlage durch die Stadtverordneten angenommen.
In einer Stadtverordnetenversammlung am 19. August wurde lang und breit über das Thema Wohnungsnot debattiert. Um die Entwicklung zu beschleunigen werden u.a. dem Verein "Selbsthilfe" 24000 Mark Bauzuschuss zur Errichtung von Siedlungshäusern bewilligt. Ende August 1924 ging es in einer weiteren Stadtverordnetenversammlung wiederum (und diesmal kontrovers) um das Projekt...

... Zu Punkt 19 verliest der stellv. Vorsteher die vorliegende Verzeichnung der Personen bzw. Korporationen, die Anträge auf Zuteilung von Baugelände gestellt haben; es sind 25. Hierzu liegt ein Antrag des Bürgerlichen Ordnungsblocks vor: Den im amtlichen Verzeichnis aufgeführten Bewerbern ist Gelände an der Zschipkauer Bahn zu folgenden Bedingungen zuzuweisen: a) die Bezahlung der Baustelle hat innerhalb eines Monats nach Zuteilung zu erfolgen. b) Der Bau muß innerhalb eines Jahres begonnen werden. c) Eine Veräußerung des unbebauten Grundstücks an Dritte darf nicht erfolgen. Über diesen Antrag wird längere Zeit debattiert. Die Zahlungsfrist von vier Wochen erscheint den Sozialdemokraten und Kommunisten zu kurz, da sich unter den Baulustigen viele kleine Leute, besonders auch Beamte bzw. Angestellte befinden, die immer erst eine Gehaltszahlung abwarten müssen, ehe sie zahlen können. Es müßten wenigstens 8 Wochen Zeit gelassen werden. Es sei zu erwägen, ob nicht Ratenzahlungen gewährt werden können. Der Antrag biete auch nicht die nötige Sicherheit gegen den Bodenwucher trotz des Verbotes der Veräußerung der Baustelle. Das Bauunternehmertum könnte durch Vorschüsse zu hohen Zinsen es dahin bringen, daß der Siedler nicht weiter könnte; die Folge wäre, daß das Bauunternehmertum auf diese oder jene Weise sich in den Besitz des Grund und Bodens setzt. Dieser Möglichkeit müßte durch irgend eine Bedingung begegnet werden. Eine Anfrage des Stadtv. Koßahl, ob sich in der Siedlungsgesellschaft für Angestellten-Heimstätten auch Hausbesitzer befinden, beantwortet der Stadtv. Köder dahingehend, daß sich unter den Siedlern, welche Siedlungsgelände an der Zschipkauer Eisenbahn beantragt haben, keine Hausbesitzer befinden. Von bürgerlicher Seite wird dem entgegengehalten, daß ein Siedler, der bauen will, doch wenigstens die paar hundert Mark, die die Baustelle kostet, in Händen haben müßte, sonst wäre doch an die Bauausführung garnicht zu denken. Daher wäre die gesetzte Frist nicht zu kurz bemessen. Ferner sei zu beachten, daß die Baustelle für die Zeit, bis zu der die Zahlung erfolgen soll, für den Magistrat nicht verfügbar sei. Es könnte doch vorkommen, daß der betreffende Siedler nach Verlauf der 8 Wochen erklärt, daß er nicht zahlen könne, während andere, die das Geld in Händen haben und vielleicht auf die dieselbe Baustelle reflektieren, nicht berücksichtigt werden können bzw. bis zum Ablauf der Frist warten müssen. Im Interesse der Stadt liege es, möglichst schnell die Gelder für die Baustellen in die Kasse zu bekommen. Der stellv. Vorsteher macht darauf aufmerksam, daß ständig Forderungen auf möglichst viel Sicherung gestellt würden; man bedenke aber nicht, daß jede Eintragung zu Gunsten der Stadt nicht unbedeutende notarielle und gerichtliche Kosten verursache, die dem Siedler zur Last fallen, der also dann einen wesentlichen Teil des bewilligten Bauzuschusses für diese Kosten hergeben müsse. Die Versammlung einigt sich schließlich auf folgende Bedingungen: a) Die Zahlungsfrist soll 8 Wochen betragen. b) und c) werden nach dem Antrage angenommen. d) Die Auflassung darf erst nach dem Baubeginn erfolgen. Stadtrat Dahlenburg äußert Bedenken, daß die "Selbsthilfe" diese Bedingungen (mit der erweiterten Frist) wird erfüllen können. Die Bauausführung würde also dann diesen Siedlern unmöglich gemacht. Er bitte die "Selbsthilfe" von der Einhaltung der Frist zu befreien. Stadtv. Schulz erklärt sich gegen jede Ausnahme und unterschiedliche Behandlung. Stadtv. Neumann glaubt, daß sich ein Weg zur Lösung finden ließe, wenn man das der "Selbsthilfe" überwiesene Gelände nicht als Ganzes, sondern in einzelnen Parzellen bezahlen lasse, da ja doch nicht alle Häuser zu gleicher Zeit angefangen werden. Der Antrag des Bürgerlichen Ordnungsblocks wird mit der Änderung zu a) und dem Zusatz d) einstimmig angenommen.

Und damit verliert sich die Spur der Entstehung der Siedlung. Dass das Ganze irgendwie gut ausging, sieht man daran, dass das Projekt durchgeführt wurde und die Bauten in solider Bauweise errichtet wurden. Mit einigen kleinen Veränderungen, stellt sich die Bebauung noch so dar, wie vor 80 Jahren. Das konnte ich bei einem kleinen "Aussentermin" selbst in Augenschein nehmen...

Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Sammlung Fred Förster
Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Archiv der Stadt Senftenberg