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Bezüglich der Ansichtskarten aus Grube Marga haben wir ja die Besonderheit, dass man auf einigen ersichtlich ist, dass die Baumaßnahmen
an der Kolonie noch im vollen Gange sind. Grösstenteils handelt es sich hierbei um die noch unfertigen Strassen. Heute möchte ich eine Fotografie
vorstellen auf der zur Abwechslung auch einmal die Bauarbeiten an einem Gebäude noch nicht ganz abgeschlossen sind. Und dies an einem ziemlich wichtigen
Gebäude, nämlich der Kaiserkrone...
Aufnahme = 1912 Sammlung Hans-Joachim Siepelt
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Laut handschriftlicher Anmerkung auf der Bildseite, die ich jedoch digital entfernt habe, befinden wir uns zeitlich im Jahre 1912 und ich habe keinen Zweifel
an der Richtigkeit dieser Angabe. Anfang April des Folgejahres wurde das Haus mit "militärischen Ehren" eingeweiht. Der Senftenberger Anzeiger berichtete:
Senftenberger Anzeiger (1913)
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Kolonie Marga, 4.April. Anläßlich der Einweihung des neuen
Saales der "Kaiserkrone" hierselbst fand gestern das erste Militär-
Konzert der Cottbuser Regimentskapelle in demselben statt. Herr
Obermusikmeister Wilde hatte ein sehr gediegenes Programm aufgestellt
und brachte dasselbe mit seiner ausgezeichneten Kapelle in bekannt
tadelloser Ausführung zu Gehör. Die vornehme Aufmachung des ganzen
Etablissements, die prächtige Musik, die feenhafte Beleuchtung, die
exquisiten Erzeugnisse aus Küche und Keller etc., alles das erzeugte
bei den gestrigen Besuchern ein Gefühl angenehmen Wohlbehanges. Eine
eingehende Schilderung der Einrichtung dieses modernen Gasthauses
werden wir in Kürze folgen lassen. Den Besuch des Konzerts kann man
als gut bezeichnen; es waren nur wenige Plätze leer geblieben. Der
dem Konzert folgende Ball fand ebenfalls starken Zuspruch.
Die "eingehende Schilderung der Einrichtung" blieb man schuldig. Die
Kaiserkrone selbst hatte schon am 1. Juli die nächste Bewährungsprobe
zu bestehen. An diesem Tag wurde nämlich das 25jährige Jubiläum der
Ilse Bergbau-Aktiengesellschaft gefeiert. Dazu trafen eine ganze Reihe
hoher Herren und Damen auf Grube Marga ein. Da die Leute nun einmal da
waren nutzte man die Gunst der Stunde und zog gleich noch die feierliche
Grundsteinlegung der Kirche zu Grube Marga durch. Nachmittags gegen
15 Uhr 30 fand dann im Saal der Kaiserkrone das entsprechende Festessen
statt.
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Aus welchem Jahr hingegen das folgende Stück stammt, liegt bislang vollkommen im Dunkeln. Hierbei handelt es sich um ein Porzellanschälchen
mit den Maßen 11 x 8 cm. Die Produktion ist ziemlich minderwertig - das Porzellan ist teilweise "verbogen". Aber immerhin erhalten wir die
Kaiserkrone in einer Ansicht, wie wir sie in ähnlicher Form auch von einer Ansichtskarte kennen. Im Unterschied zu obiger Fotografie jedoch
vollständig fertig gestellt.
Sammlung Matthias Gleisner
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Eine gewisse Systematik ist der Schlüssel zum Erfolg eines jeden Projektes. Deswegen enwickelte ich schon zu Beginn meiner Forschungen
eine Nummernsystematik, mit deren Hilfe ich sämtlichen Motiven einen eindeutigen aber dennoch "sprechenden" Namen geben kann. Anstatt einfach
nur durchzunummerieren, entschied ich mich vom Start an für Namensbestandteile, die die Zugehörigkeit zu bestimmten Kategorien symbolisieren:
AK_SFB xxx weist auf das Subarchiv "Senftenberg", AK_Bgb xxx auf das Subarchiv "Bergbau", während AK_GMa auf das Subarchiv
"Grube Marga" verweist. Weitere, zumeist kleinere, Orte sind im Subarchiv "Umland" vereint, tragen aber spezielle Kürzel im Namen, aus denen
man auf die Herkunft schliessen kann: Hoe → Hörlitz/Senftenberg 2, Rep → Reppist, Nie → Niemtsch usw. usf.
Was die numerischen Bestandteile der Motivbezeichnung betrifft, habe ich dies ja schon mehrfach dargelegt, wiederhole es aber gerne... Innerhalb
einer Kategorie bekommt jedes Grundmotiv eine eigene dreistellige Basisnummer. Automatisch erhält das erste auftauchende Exemplar eines Grundmotivs
die Versionsnummer 1, jede weitere Variante bekommt in Folge eine um Eins erhöhte Versionsnummer.
Ob sich diese Systematik bis in alle Ewigkeit unverändert durchhalten lässt? Da bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Die Beschränkung auf eine dreistellige
Basisnummer war vor vier Jahren eine gute Idee weil ich mir zum damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen konnte, dass es mehr als 999 unterschiedliche Motive
geben könnte. Mittlerweile bin ich im Bezug auf das Subarchiv "Senftenberg" nicht mehr ganz so sicher. Immerhin bewege ich mich dort jetzt schon im Bereich der
Basisnummer 820! Bei den einstelligen Versionsnummern könnte es in Einzelfällen knapp werden. Wenn man es nämlich auf die Spitze treibt (und das ist bei
mir nicht ausgeschlossen ), dann kann man durchaus auch schon hin und wieder mehr als 9 Versionen eines Grundmotivs finden.
Warum schreibe ich das gerade jetzt? Bei den drei heute vorzustellenden Motiven kamen im Bezug auf deren Bezeichnung einige Fragen in mir auf. Beginnen wir
mit den beideren oberen Stücken. Ich haderte eine Weile mit mir, ob es sich dabei nicht um Varianten ein und desselben Grundmotivs (in diesem Falle sogar von
4 Grundmotiven) handelt... Obwohl wir es gestalterisch mit zwei völlig unterschiedlichen Arbeiten zu tun haben - einmal wurden Fotografien verwendet, im
zweiten Fall handelt es sich um Handzeichnungen - hege ich den starken Verdacht, dass die Fotografien auf der Karte links die Vorlage für die Zeichnungen der
Karte rechts waren. Zwar weichen die Zeichnungen in einigen Details von der fotografischen Vorlage ab, aber die Parallelen bezüglich Umfang und auch Perspektive
sind schon frappierend.
Einige Aufschriften auf den beiden Karten darf man anzweifeln... der Göbel/Gäbel - Fehler wurde häufig gemacht und das letzterer plötzlich
Murek's Warenhaus übernommen haben soll, konnte ich bislang auch nicht nachweisen.
Ich habe mich letztlich dafür entschieden, zwei individuelle Basisnummern zu vergeben. Ohnehin sind Mehrbildkarten, wie die beiden heutigen Exemplare bzgl. der
Nummerierung eine Sache für sich.
67573 L. Witte, Liebenwerda. Aufnahme <= 1905 Sammlung Norbert Jurk
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Senftenberger Anzeiger (1906)
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1908 7/5118 Aufnahme <= 1909 Sammlung Fred Förster
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Ernst Wenzel, Phot., Senftenberg. Aufnahme <= 1927 Sammlung Detlef Krumm
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Brikettfabrik "Bertha" von Nordwesten
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Auch bei der dritten Ansichtskarte für heute gab es Probleme... Erstens ist es eine Glaubensfrage ob man die Brikettfabrik Bertha zu Rauno oder Sauo
zuschlägt. Ich habe es bislang immer mit Sauo gehalten und werde dies auch so fortführen. Spätestens mit dem Auftauchen derselben Fabrik auf
den beiden Mehrbildkarten aus Rauno (oben) könnte man Zweifel bekommen. Zweitens hätte man die Karte auch gut und gerne in das Subarchiv "Bergbau"
einordnen können. Mindestens die obere der beiden Abbildungen ist ein klassisches Bergbaumotiv, da es überall gewesen sein könnte, also keinem
geografischen Punkt eindeutigen zuordenbar ist. Da ist die untere Abbildung von anderem Kaliber: wir erhalten einen Blick aus der Grube heraus auf die nun
schon mehrfach erwähnte Brikettfabrik "Bertha", die aus diesem Tagebau mit der notwendigen Rohbraunkohle versorgt wurde. Hierbei wird deutlich, wie nah
zum grössten Teil Kohlegewinnung und -veredlung einst beieinander lagen. Ein schöner Kontrast zu den langen Transportwegen späterer Jahre.
Die Luftaufnahme rechts, die in etwa zur gleichen Zeit aufgenommen wurde, zeigt die Brikettfabrik Bertha in Relation zu dem "Loch" (links im Bild), aus
welchem wir auf der Ansichtskarte schräg nach oben schauen.
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Ich hatte in der vergangenen Woche das Thema Patriotische Gestaltung von Ansichtskarten
und die Epoche, die wir eigentlich damit verbinden, gestreift. Das möchte ich heute nochmals kurz aufnehmen:
Gewöhnlich bringen wir Ansichtskarten mit der schwarz-weiss-roten Reichsfahne mit der Zeit
des 1.Weltkriegs (1914-1918) in Verbindung. In jenen Jahren wurden Unmengen derart patriotisch
verzierter Motive auf den Markt geworfen. Egal ob es sich dabei um topografische Ansichten oder
die bildliche Darstellung von Liebespaaren, verwundeten Soldaten oder heroische Kampfszenen
handelte.
Das heutige Exemplar können wir jedoch zeitlich mehr als zehn Jahre vor Ausbruch des 1.Weltkriegs
ansiedeln. Wie ich nachweisen kann, war weder die generelle Gestaltung eine exklusive Senftenberger
Angelegenheit, noch war man auf die Farben schwarz-weiss-rot fixiert.
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Wie man links sehen kann, gab es zum Beispiel eine ähnliche Ausführung für ein
Motiv aus Bautzen. Hier verwendete man jedoch die korrekten sächsischen Farben
weiss und grün zusammen mit dem Wappen der Stadt. Bei der Senftenberger Variante
wurde dem Gesetz der Serie zum Trotz eigentlich eine falsche Farbgebung genutzt.
Demnach hätten hier nur die Farben weiss und schwarz (für Preussen) zur Anwendung
kommen dürfen.
Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?
Die Fahne schwebt mir weiß und schwarz voran;
daß für die Freiheit meine Väter starben,
das deuten, merkt es, meine Farben an.
Nie werd ich bang verzagen,
wie jene will ich's wagen
Sei's trüber Tag, sei's heitrer Sonnenschein,
Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein.
1.Strophe des "Preußenliedes" Bernhard Thiersch (1830)
Das Wappen auf der Fahne, wenn auch für die meisten sicher etwas ungewöhnlich,
ist jedoch richtig. Selbiges zierte in unterschiedlichen Varianten (je nach
Zeitgeschmack mal mehr mal weniger üppig) den Zeitungskopf des Senftenberger
Anzeiger bis zum Jahre 1945.
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Verlag Wilhelm Brückner, Senftenberg Aufnahme <= 1902 Sammlung Fred Förster
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