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Heute präsentiere ich einmal keine neuen Ansichtskartenmotive. Stattdessen muss ich auf zwei Updates etwas tiefer eingehen, weil es mich
doch schon ein wenig wurmt... Ich war mir so sicher! So sicher, als ich hier vor fast zwei Jahren die beiden
Aufnahmen auf den 24.03.1920 fixierte.
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AK_SFB 590_1
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von = 24.03.1920 auf = 23.04.1919
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AK_SFB 591_1
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von = 24.03.1920 auf = 23.04.1919
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An jenem 24. März wurden 4 revolutionäre Arbeiter aus unserer Region, die während des Kapp-Putsches im Kampf gegen die Reichswehr ihr Leben liessen,
nach einem großen Trauermarsch durch Senftenberg auf dem Neuen Friedhof beerdigt. Alles deutete darauf hin, daß man auf den beiden Fotopostkarten besagten
Trauerzug in der Bahnhofstraße sieht.
Und dann das...
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Und was sehen die geschulten Augen auf den Filmszenen? Die beiden Wagen mit den Särgen! Letztere stehen nicht in Fahrtrichtung, wie man dies auf den
Postkarten sehen kann. Beide Wagen folgen im Film auch unmittelbar aufeinander, was aber jetzt nicht das ausschlaggebende Kriterium ist. Wir können sicher davon ausgehen,
daß wir es mit zwei unterschiedlichen Leichenzügen zu tun haben. Die Aufnahmen des Filmes sind soweit unzweifelhaft gesetzt. Aus welchem Anlaß fand jedoch der Zug
auf den beiden Fotos statt? Ich kann die Aufnahmen auf frühestens Ende 1917 datieren. Man sieht auf einem der Fotos eine Werbetafel für das Kaffee Vaterland.
Wann genau aus dem Kaffee SansSouci das Kaffee Vaterland wurde ist derzeit noch nicht geklärt. Es muss im zweiten Halbjahr 1917 passiert sein. Dieser Teil des Senftenberger
Anzeiger fehlt in den verfügbaren Archiven. Da die Folgejahre jedoch vollständig sind, habe ich alles zwischen 1918 und 1924 durchsucht, da ich mir dachte, daß
ein derartig großer Leichenzug mindestens eine kleine Notiz wert war. Dabei habe ich ganze zwei Kandidaten gefunden, von denen der zweite (1923) ausscheidet, da die
Route nicht durch die Bahnhofstraße führte. Übrig blieb der 23. April 1919...
- Senftenberg, 23. April. Welches Maß von Mitgefühl den Hinterbliebenen
der bei der Kohlenstaub-Explosion am Karfreitag Verunglückten von der
ganzen hiesigen Bevölkerung entgegengebracht wird, bewies die außerordentlich
starke Teilnahme an der gestern nachmittag stattgefundenen Beerdigung der
8 im Werkskrankenhause verstorbenen Opfer des Unglücks. Ein Zug von
Leidtragenden, wie ihn unsere Stadt noch nicht gesehen hat, bewegte sich
vom Krankenhause aus über den Markt nach dem neuen Friedhofe. Abordnungen
der Behörden und Werke sowie verschiedene Vereine waren dabei zahlreich
vertreten. Die Beisetzung der Verunglückten geschah in einem Massengrabe.
Die 6 evangelischer Konfession angehörenden wurden durch Herrn Oberpfarrer
Hintersatz, die 2 Katholischen durch Herrn Pfarrer Schweda eingesegnet.
Herzzerreißenden Jammer lösten bei den beklagenswerten Hinterbliebenen die
tiefempfundenen und trostvollen Worte der Herren Geistlichen aus, aber
auch dem Fernerstehenden trieb der Anblick von so herbem Schmerz und
tiefer Trauer die Tränen in die Augen. Feierlich und erhebend klangen
die beiden Grabgesänge des Senftenberger Männer-Gesangsvereins. - Unter
dem Eindruck dieser gewaltigen Trauerfeier wird wohl jeden Teilnehmer
der Wunsch beseelen, daß uns das Schicksal die Wiederholung eines so
furchtbaren Unglücks ersparen möge. - Neben den 8 Opfern, welche hier
beerdigt worden sind, ist Kurt Mager in Hörlitz beerdigt.
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Ich hoffe nun inständig, daß ich mich kein zweites Mal revidieren muß. Andererseits denke ich aber, daß derartige Fehler bei solch diffizilen Motiven
schon einmal passieren können. Weniger Verständnis habe ich jedoch für die 1905, die seit einigen Tagen als Baujahr für die Drogerie Strotzer durch sämtliche lokalen
Medien geistert.
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Ich staune, und freue mich natürlich, immer wieder, wenn Ansichtskarten auftauchen,
die ich bis dato überhaupt noch nicht auf dem Radar hatte. Wie im heutigen Fall, wo
ich zwei neue Motive aus dem diesbezüglich nun wahrlich nicht sehr verwöhnten Buchwalde
präsentieren kann. Bei dem ersten Stück verfallen wir zwar wieder in den altbekannten
"Buchwalde-Modus", der besagt: 3 Linden, 3 Linden, 3 Linden. Nichtsdestotrotz ein
schönes Exemplar, welches natürlich durch die abgebildeten Personen gewinnt.
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Kunstanstalt Max Zibell, Berlin, Franseckistr. 42 Aufnahme <= 1909 Sammlung Theodor Restel
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Die zweite Ansichtskarte ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Aufgenommen aus der
entgegengesetzten Richtung kann man den Gasthof "3 Linden" links hinten mehr erahnen,
als wirklich erkennen. Zudem erleben wir erst das zweite Mal eine colorierte Buchwalder
Ansicht. Weiterhin muss ich darauf hinweisen, daß das Exemplar welches mir zur Verfügung
steht, leider massiv beschnitten ist. Es fehlt fast ein Viertel am Fuß der Ansichtskarte. Ich
habe mir erlaubt dies dahingehend zu reparieren, als daß ich mir einen eigenen Rest
ausgedacht habe. Ob ich damit nahe an der Wirklichkeit liege, kann ich zum jetzigen
Zeitpunkt nicht sagen, da mir bislang noch kein weiteres und vor allem vollständiges
Exemplar unter die Augen gekommen ist.
Die Aufnahme selbst ist eigentlich bekannt, denn sie wurde im Heimatbuch des Kreises
Calau 1937 verwendet. Erstaunlicherweise ebenso beschnitten (zusätzlich fehlen oben auch
noch ein paar Millimeter). Aus meiner Sicht gibt es deshalb zwei Erklärungen. Entweder
besaß das Original tatsächlich einen Streifen, so wie ich ihn rekonstruiert habe, der
natürlich für die Verwendung in einem Buch relativ nutzlos ist. Oder, und dieser Theorie
würde ich eher folgen, das mir zur Verfügung stehende Exemplar war tatsächlich dasjenige,
welches für die Buchillustration genutzt wurde.
Zum Vergleich präsentiere ich nachfolgend die komplette Seite aus oben genanntem Buch.
Man kann sehen, daß wir es mit nahezu identischen Bildausschnitten zu tun haben. Gegen diese
Theorie spricht, daß mein Original einige Beschädigungen aufweist, die ich so in der
Buchillustration nicht entdecken kann. Die Schäden können aber durchaus auch zu einem
späteren Zeitpunkt beigefügt worden sein. Außerdem wurde Bildnachbearbeitung schon damals
sehr erfolgreich angewandt.
Übrigens finde ich den Textsatz in unten abgebildetem Faksimile etwas gewöhnungsbedürftig.
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Verlag: Richard Geissler, Buchbindermstr., Senftenberg Hauptverkaufsstelle: Albert Beversdorf, Kaufm., Buchwalde Aufnahme <= 1937 Museen OSL originales Aussehen des unteren Viertels derzeit unbekannt
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Manchmal geht es schneller als vermutet!
Vor nicht allzu langer Zeit sinnierte ich hier im Rahmen
eines "Specials" über Luftbilder unter anderem auch über diese...
... Aufnahme, die mir damals in Form einer Fotopostkarte zur Verfügung stand. Bezüglich der Datierung legte ich mich auf <= 1919 fest. Die
zeitliche Bestimmung erfolgte dabei aufgrund eines bestimmten Merkmals des Senftenbergers Schlosses (links unten).
Und nun flatterte mir unlängst nachfolgende professionelle Ansichtskarte zu, die, wie unschwer zu erkennen, auf dem selben Luftbild basiert.
Die Aufnahme wurde hierbei rechts und unten beschnitten, wahrscheinlich um die Fehler zu kaschieren, die man in diesen Bereichen auf der
Originalfotografie erkennen kann. Bildtechnisch ist das Ganze wahrlich kein Fortschritt aber für die zeitliche Bestimmung hilft uns das Exemplar erheblich
weiter. Nicht zuletzt der Aufdruck eröffnet spannende Details, die ich natürlich dankbar annehme um nachfolgend ein wenig Geschichte zu vermitteln.
Allein-Verlag: Richard Geißler, Senftenberg N.-L. Ges. gesch. d. D.R.G.M. 871 Aufnahme <= 1914 Sammlung Matthias Gleisner
Wie damals schon vermutet, kam bei dieser Aufnahme ein Ballon zum Einsatz. Den Begriff Luftballon mag ich nicht verwenden. Erstens verstehe
ich unter einem Luftballon etwas anderes und zweitens handelte es sich bei genanntem Riesa um einen mit Wasserstoff gefüllten
Ballon. Beheimatet war dieser unweit von Senftenberg, in Nünchritz. Luftlinie, und nur die ist ja für einen Ballon interessant: keine 50 Kilometer.
Mittlerweile kann ich das Jahr der Aufnahme auf <= 1914 drücken. Daß es sich um die erste Luftaufnahme von Senftenberg handelt, davon gehe ich mittlerweile
fest aus. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß wir uns bildlich im Jahr 1912 befinden, denn es existiert ein Luftbild von Zschornegosda, welches
angeblich im Dezember 1912 ebenfalls vom Ballon "Riesa" gemacht wurde. Und von Zschornegosda bis Senftenberg ist es ja nun wirklich nur ein Katzensprung.
Beide Aufnahmen könnten also tatsächlich während einer "Befahrung" (Schon gewusst? Ballone fliegt man nicht, sondern man fährt sie.) entstanden
sein.
Ballon "Riesa" auf dem Startplatz
in Nünchritz
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Der Ballonfüllplatz in Nünchritz bei Riesa verdankt seine Entstehung dem Bau einer
elektrochemischen Anlage zur Erzeugung von Chlor und Kali auf dem Fabrikgrundstück
der chemischen Fabrik von Heyden.
In dieser Anlage wird eine wässerige Lösung von Chlorkalium der Einwirkung des
elektrischen Stromes ausgesetzt, wobei die oben erwähnten Produkte entstehen. Am
negativen Pole bildet sich dabei als Nebenprodukt W a s s e r s t o f f g a s , das
in einem 3200cbm fassenden Gasometer gesammelt wird. Von hier aus gelangt das Gas
durch eine unterirdische Leitung nach dem Füllplatz, woselbst 3 Ballone gleichzeitig
gefüllt werden können. Am 1.Oktober 1909 startete der erste eigene Ballon der Fabrik,
Heyden I, mit Herrn Arthur von Heyden, dem Sohne des Begründers der Fabrik, zu einer
wohlgelungenen Fahrt. In den folgenden Jahren wurden zwei weitere Ballone, Heyden II
und Riesa angeschafft und in Verwendung genommen und außer diesen schickte Herr Dr. Strauß,
der langjährige reicherfahrene Ballonstarter der Fabrik, viele weitere Ballone der
verschiedensten Luftfahrtvereine in das Reich der Lüfte. Einige besonders interessante
Fahrten seien erwähnt, die des Ballons Dresden unter Leitung eines bekannten Ballonführers,
des Herrn Korn, welche in 4 Tagen und 3 Nächten bis zum Asowschen Meer führte und beinahe
den Zeit- und Streckenweltrekord erreichte, dann eine abenteuerliche Fahrt in dichtem Nebel
über die Ostsee nach Norwegen und eine andere, die, sicher nicht ganz freiwillig, auf einem
Gletscher der Zillertaler Alpen endete. Eine einzige Fahrt verlief unglücklich: Der Dresdner
Leutnant Richter startete allein mit dem Ballon Luna in einer stürmischen Winternacht und ist
seitdem mit dem Ballon spurlos verschwunden. Der traurige Ausgang des gewagten Unternehmens
hielt andere Ballonfahrer von der Ausübung ihres herrlichen Sportes nicht ab, und es spricht
gewiß für die Beliebtheit des Nünchritzer Ballonplatzes, daß im Laufe von annähernd 25 Jahren
über 1000 Ballone von ihm aufstiegen. Auch manchem Angehörigen der Fabrik war es vergönnt, sich
seine Arbeitsstätte einmal aus der Vogelperspektive zu besehen und in genußreichen Luftfahrten
weite Strecken des lieben Vaterlandes von einem sehr ungewöhnlichen Standort aus zu überblicken.
Zahlreiche fremde Ballone von den verschiedenen deutschen Vereinen für Luftfahrt traten von
Nünchritz aus ihre Reisen an, teils zu rein sportlichen, teils zu wissenschaftlichen Zwecken
(Erforschung der atmosphärischen Verhältnisse in großen Höhen; der Luftelektrizität etc.).
Bis zum Ausbruch des Weltkrieges starteten in Nünchritz 272 Ballone. Während des Krieges
und in der ersten Zeit nach demselben ruhte der Ballonbetrieb. Die der Firma gehörigen Freiballone
gingen am Anfang des Weltkrieges in den Besitz der Heeresverwaltung über und fielen dem Kriege zum Opfer.
Am 2. Juni 1920 fand der erste Aufstieg wieder statt, und von da entwickelte sich dieser interessante Sport zu
erfreulichem Umfang. Im vergangenen Jahre konnten bereits wieder 26 Ballone gefüllt
werden. Im Mai 1924 ist diese Zahl von Aufstiegen jetzt fast schon erreicht. Die Freude
an diesem Sport, der uns die Schönheiten der Natur in besonderer Weise genießen läßt,
nimmt immer mehr zu.
"Der Ballonfüllplatz in Nünchritz", Dr. R.Strauß (1924)
"Chemische Fabrik von Heyden 1874-1934 - Erinnerungsblätter aus 6 Jahrzehnten", Dr. O.Schlenk (1934)
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