Versorgung mit Lebensbedürfnissen
Mitte der 1890er Jahre, nur wenige Jahre nach der Gründung der Ilse Bergbau-AG, wurde die Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft m.b.H. zu Grube Ilse
ins Leben gerufen. Sämtliche Geschäftsanteile übernahm die Ilse-Bergbau AG und die Firma Kunheim & Co., Berlin. Letztere trat später aus der
Wohlfahrtsgesellschaft aus, so daß seit dem Jahr 1904 die Ilse-Bergbau AG die alleinige Inhaberin derselben war. Zweck der Gesellschaft war die
Schaffung von Wohlfahrtsteinrichtungen für die Beamten und Arbeiter, und ihre Hauptaufgabe sollte die Herstellung von Arbeiterwohnungen sein, die
nicht nur allen Anforderungen der Gesundheitspflege entsprächen, sondern auch ein billiges Wohnen ermöglichen sollten. Zudem unterhielt die
Gesellschaft schon für die "alten" Werke der Ilse, das heißt Grube Ilse, Grube Renate, Grube Eva und Grube Anna-Mathilde, Kauf- und Gasthäuser
sowie einige Bäckereien, aus denen die Angehörigen des Werkes ihre Bedürfnisse an Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken und sonstigen Bedarfsgegenständen
(z.B. Ansichtskarten) zu mäßigen Preisen beziehen konnten. 1913 betrieb die Gesellschaft bereits 5 Kaufhäuser, 4 Gasthäuser, 3 Bäckereien und
eine Fleischerei.
Eine dieser Einrichtung, oder vielmehr: zwei, nämlich das Warenhaus und das Gasthaus der Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft in Grube Anna-Mathilde finden
wir auf den beiden heutigen Ansichtskarten abgebildet. Laut Quellen wurde das Kaufhaus im Jahre 1906 eröffnet. Einen sicheren Nachweis kann ich
dafür jedoch nicht erbringen. Zuerst handelte es sich um ein reines Lebensmittelgeschäft. Nach einem Umbau im Jahre 1919, bei der die Verkaufsfläche
erweitert wurde, konnte das Warenangebot vergrößert werden und umfasste neben Lebensmitteln, Backwaren, Genußmitteln nun auch Haushalt-, Kurz-, Spiel-
und Industriewaren.
Interessant ist das Kreditsystem, das jedem zeitweilig Zahlungsunfähigen bis zum nächsten Lohnempfang - maximal eine Woche - Kredit gewährte, soweit
der Betreffende im Ort wohnte. Dieser großzügige zinslose Kredit war mit keinerlei Risiken für das Kaufhaus verbunden, weil dem Schuldner, wenn er
nicht zahlte, der Betrag von seinem Lohn gepfändet wurde. Das war deshalb einfach, weil jeder Wohnungsinhaber gleichzeitig Werksangehöriger und
der Warenkonzern mit dem Bergbaukonzern eng verflochten war. Überhaupt hatte die "Ilse" ihre eigene Dynastie, die ihre Angestellten zu "Beamten" erhob.
Zu diesem "Beamtenstand" gehörte u.a. auch, im Kaufhaus ein familiäres Kreditbuch einzurichten und am Ersten jeden Monats, nach der Gehaltszahlung,
den aufgelaufenen Betrag zu begleichen.
Mitte der 1930er wurde der Warenkonzern, der zuletzt Ilse-Warenvetrieb GmbH hieß, aufgelöst und die Geschäfte wurden privatwirtschaftlich übernommen
und fortgeführt.
Quellen: "25 Jahre Ilse Bergbau-Actiengesellschaft" (1913), "Abschied ohne Wiederkehr - Erinnerungen an Sedlitz-West" (1988)
|