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Wir haben es hinter uns. Am Aschermittwoch war mal wieder alles vorbei. Der
mediale TV-Overkill in Form von Prunksitzungen, Büttenreden und stundenlangen
Live-Übertragungen diverser Festzüge ist auch in diesem Jahr wieder an mir
vorbeigegangen ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Als notorischer Karnevals-
Verweigerer mit Verkleidungs-Phobie hat man es ja in hiesigen Landstrichen einfacher
als in den Karnevalshochburgen, wo man jemanden wie mich wahrscheinlich schon
geächtet hätte...
Grundsätzlich hat es der Niederlausitzer nicht so sehr mit Fastnacht und Mummenschanz.
Zwar gibt es hier und da in der näheren Umgebung Gruppen von Unerschrockenen, die
versuchen den Rheinländern nachzueifern, aber das sind doch relativ vergebliche
Bemühungen. Schaut man in die Vergangenheit, dann war das in unserer Gegend auch
nie anders. Wobei es zahlenmäßig vor 100 Jahren doch etwas stärker (hoch) herging.
Sprich: jeder Gasthof mit Saal hatte Ende Februar mit schöner Regelmäßigkeit Masken-
oder Fastnachtsbälle im Angebot.
Auch der Gasthof Hörlitz machte dabei keine Ausnahme, wie man an nachfolgenden Faksimiles
erkennen kann...
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Emil Weissgärber, Photograph, Senftenberg L. Aufnahme <= 1920 Sammlung Matthias Gleisner
Johannes Kegel, Dresden A-16, Schumannstr. 49 65 L Aufnahme <= 1938 Sammlung Eberhard Wolf
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Die Anzeigen aus dem Senftenberger Anzeiger stammen aus unterschiedlichen Jahren, wobei deutlich wird, daß der Gasthof im Dorf Hörlitz über die
Zeit durch mehrere Hände ging. Dies kann man nicht nur schön durch Nachverfolgung in der Presse sehen, sondern läßt sich auch an den Aufdrucken auf
entsprechenden Ansichtskarten - bild- oder rückseitig, wie in den beiden heutigen Fällen, verfolgen. Die Innenansicht des Saals stammt zum Beispiel
aus der Zeit von Friedrich Bellmann, der das Gasthaus von 1919 bis 1925 betrieb. Bellmann voraus ging Max Tärrer, der 6 Jahre zuvor, im Jahre 1913,
die Gastwirtschaft von der Familie Lehmann übernahm. Lehmanns selbst, so reime ich mir das zusammen, bauten den großen Saal an das (bestehende?) Wirtshaus
an. Zeitgleich mit der entsprechenden Meldung in der Lokalpresse stieg man mit dem neuen Saal in die Liga der Großveranstaltungen ein...
Senftenberger Anzeiger (September 1905)
... und blieb dabei bis ca. Ende 1937. Im Oktober jenen Jahres erschien die letzte Anzeige des nunmehr schon 4. Wirtes, Paul Köhna. Köhna übernahm mit
dem Neujahrstag 1925 die Geschäfte von seinem Vorgänger Bellmann und führte das Haus über mehr als 10 Jahre. Das Ende war unausweichlich, denn das Dorf
Hörlitz wurde Ende der 1930er vollständig durch den Braunkohlenbergbau in Anspruch genommen. Aus der Amtszeit von Paul Köhna stammt das zweite Ansichtskartenmotiv
für heute. Wobei man wohl nie mit Bestimmtheit sagen kann, ob man bei derartigen Produktionen nicht auch auf Bildmaterial des Vorgängers zurückgriff. Und da man
dessen nicht sicher ist, läßt sich auch die naheliegende Theorie nicht restlos stützen, nach der sämtliche Bilder auf Ansichtskarten mit Vermerken zum jeweiligen
Wirt exakt auf dessen "Wirkungszeit" einzugrenzen sind. Das wäre in diesem Fall...
Lehmann ⇥ Juni 1913 → Tärrer ⇥ April 1919 → Bellmann ⇥ Dezember 1924 → Köhna ⇥ 1938
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