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Älteres


Aus guten Gründen habe ich den "Untertitel" von www.gruss-aus-senftenberg.de einmal mehr geändert. Aus "Senftenberger Motive auf historischen Postkarten und Photographien 1890-1961" wurde ein etwas weiter gefasstes "Bilder aus Senftenbergs Vergangenheit 1628 - 1961".
Beides, die Beschränkung auf Postkarten und Fotografien, wie auch auf die zeitliche Untergrenze von 1890 hatte ich in der Vergangenheit bereits aufgegeben und heute kommt ein weiterer Fall hinzu. Bei der Auswahl dieses neuen Untertitels habe ich mich fremd bedient, denn "Bilder aus Senftenbergs Vergangenheit" ist der Titel eines kleinen Büchleins des einzigen Heimatforschers von Format für unser Gebiet, Dr. Rudolf Lehmann. Das 1932 erschienene, nur 45-Seiten-starke, Werk enthält, anders als der Titel vielleicht suggeriert, bis auf einen Plan keinerlei Bilder. Vielmehr sind die "Bilder" im übertragenen Sinne zu verstehen, denn Lehmann zeichnet mit seinen Texten ein anschauliches Bild von Ereignissen und Entwicklungen in unser Heimatstadt.
Ob Lehmann die heute vorzustellende Abbildung kannte, weiss ich nicht. Einem anderer Heimatforscher (der sich auch gern bei Lehmann bediente), dem 2008 verstorbene Werner Forkert, war sie in jedem Fall bekannt. In seinem, dem Stadtarchiv übergebenen, Nachlass fand ich eine Kopie davon und was viel wichtiger ist, auch eine Kopie des zugehörigen Textes.
Dieser Text bringt nunmehr Gewissheit, daß es sich tatsächlich um "unser" Senftenberg handelt, bzw. handeln soll, das hier bildlich festgehalten wurde. Bislang bereitete (nicht nur) mir die gesamte Abbildung nämlich einige Kopfschmerzen, da die Darstellung nur mit etwas Fantasie auf meine Heimatstadt zutrifft. Besonders die gesamte untere Hälfte machte für mich im Zusammenhang mit Senftenberg überhaupt keinen Sinn. Und das bleibt auch so! Oberer und unterer Teil haben nichts miteinander zu tun. Um zu diesem Schluß zu kommen, benötigt man natürlich mehr Informationen zu den Umständen der Veröffentlichung, die mit Hilfe der Kopie aus Forkerts Nachlaß und zusätzlichen Internet-Recherchen etwas verdichtet werden konnten.

Aber nun zu den Fakten.
Die Abbildung stammt aus dem Zittauischen Monatlichen Tagebuch, oder genauer gesagt aus einem der monatlichen Bände hiervon. Das Zittauische Monatliche Tagebuch war seinerzeit auch unter den Namen Eckarthisches Tagebuch, Neumannsches Tagebuch oder unter dem ausufernden Titel Privileg. Zittauisches Topografisches, Biographisch-Historisches Monatliches Tagebuch bekannt.
Im Original ein Kupferstich, erschien die Darstellung in einer Ausgabe des Jahres 1781. Der zugehörige Text läuft unter Septemb. 1781. Der Stich selbst wird wahrscheinlich einige Zeit früher angefertigt worden sein. Wann ist unklar, wie auch die Beantwortung der Frage, ob der Künstler jemals in Senftenberg war. Im ersten Moment würde man dies verneinen, denn es gibt eine Reihe von Ungenauigkeiten bei der Darstellung einzelner Bauwerke. Andererseits ist aber die Anordnung dieser Bauwerke im Gesamtbild halbwegs akkurat.
Zumindest kann der Künstler diese Anordnung nicht dem beigefügten Text entnommen haben, den ich nachfolgend in der Originalschreibweise wiedergebe:

Senftenberg
Aufnahme <= 1781
Sammlung Norbert Jurk
Gebundener Jahrgang 1821 des
"Königl. Sächs. privil. Zittau'sches Monatliches Tagebuch der neuesten
in- und ausländischen Begebenheiten, mit Kupfern"

III. Historische, curieuse politische Geschichte.
 Senftenberg ein der ältesten Stadt im Churfürstenthume Sachsen zwischen Ober- und Nieder-Lausitz, liegt 6 Meilen von Budißin, Dresden, Meißen, Lübben und Luccau, 4 Meilen von Cottbus und Großenhayn, 3 Meilen von Camenz, Cahlau, Königsbrück und Spremberg, 2 Meilen von Hoyerswerda und Ortrand, nebst einer Meile von Ruhland. Diese Stadt so aus einen Markt-Platze, 2 Hauptstraßen und einigen Neben-Gaßen mit dem Rath-Haus, einem gangbaren Gasthof, ingleichen Apothecke, aus 170 Gebäuden bestehet, und in deren Häusern 540 erwachsene und 180 unerwachsene Personen dermalen sich befinden, gehörte mit denen nunmehro mehresten Amts-Dorfschafften als eine Herrschaft ehedem vor dem Jahr 1441 noch zur Niederlausitz zum Spremberger Creyße, im besagten Jahre aber, ist sie vom letzten Besitzer, Nicol von Polenz, an Churfürst Friedrich den Sanftmüthigen, und der zu Altenburg damals residirte, zu Meißen in der Gruft seines Vaters aber begraben liegt, vor 1420 Böhmische Schocke mit dem Beding, daß er sich Lebenslang die Stadt vorbehielt, erblich verkauft und zum Meißner Creyße so nach mit geschlagen worden, aber erst durch die 1459 mit Herzog Alberts des Herzhaften mit der Böhmischen Prinzeßin Sidonia erfolgten Vermählung, allen Ansprüchen zugleich auf Senftenberg entsaget worden. Vielerley Familien haben vor der Polenzischen diese Herrschaft beseßen, absonderlich die Schafgotsche, die auch das Closter Dobrilogk gestiftet und ihm Güther geschenket, auch sonst den hiesigen Gottes-Kasten mit Legatis versehen haben sollen. Unter Churfürstens Mauritii Regierung ist das vor dem berühmt gewesene veste Haus 1548 zu bauen angefangen und von Churfürst Johann George dem zweyten der auf den Walle von einem Commendanten angelegte u. sich noch gut zeigende Thurm erbauet, aber 1764 ganz wieder eingezogen worden. Auf diesem Churfürstlichen Schloße wird von 1 Amtmann der zugleich allda wohnt, nebst 1 Actuarius Amt gehalten, unter welchen 26 Amts-Dörfer, worunter, jedoch welche mit vermengten Gerichten sind, nebst 1 Schriftsaßen, 1 Burglehns-Besitzer, 1 Amts-Mühle mit 6 Gängen, Walk- und Schneide-Mühle gehören, und hat der Beamte das Amt jedesmahl in Pacht. In besagten Schloße sind noch Seiten-Gebäude, die der Commendant von der Vestung ehedem bewohnte, nunmehro aber zu einer Churfürstlichen Forst-Wohnung, auf welcher der Ober-Förster logirt, gemacht worden ist. Der Rath, so altschriftsäßig ist, und bey Landtagen seinen Sitz unter den allgemeinen Städten an der Meißnischen Creyß-Tafel hat, bestehet anietzo aus 2 Bürgermeistern, 2 Raths-Herrn, 1 Stadtschreiber der zugleich Syndicus ist und ein Litteratus seyn muß, nebst 1 Cämmerer. Zu Paul-Bekehrung ist jedesmahl der Bürgermeister-Wechsel, allwo der eine die Regierung und der andere das Stadt-Richter-Amt übernimmt, und wenn eine Bürgermeister-Vacanz ist, hat die Bürgerschafft das Recht der freyen Wahl, aus den vom Rathe in das Collegium genommenen Raths-Herrn wiederum einen andern Bürgermeister, in Gegenwart des Churfürstlichen Beamtens als Commissarii causae, nach den mehresten Stimmen zu erwählen, und welcher alsdenn zur Confirmation E. H. Landes-Regierung in Dresden präsentiret werden muß. Die Stadt hat zwar völlig die Ober-Gerichte, der Beamte sitzt aber hier wiederum als Commissarius causae, wegen der vom Amte mit zutragenden 2/3 Theil-Kosten, in Criminal-Sachen jedesmahl dabey. Vor die Churfürstlichen Gerechtsame, so die Stadt in ein und dem andern hat, giebt sie in das Amt jährlich einen Erbgeschoß, auch noch vor die gehabte Jagd einen gewißen Rebhüner Zinß.

Ueber 2 ganze Dörfer, als Reppist und Woschke, und über einzelne Unterthanen, so in denen Amts-Dörfern vermengt wohnen, die alle aber dem geistlichen Gottes-Kasten gehören, exerciret der Rath als weltliche Kirchen-Inspectores nur die Gerichtsbarkeit.
Die Stadt, so Südost aufgenommen worden, liegt in einer so anmuthigen Gegend, welche die Natur einem Ort physicaliter nur geben kann, sie hat 1) eine sehr schöne Ebene, von fruchtbaren Feldern und Wiesen, 2) Waßer, als die vorbeyströmende fischreiche schwarze Elster, 3) Nordwest ein nicht zu steiles Wein-Gebürge, auf welchem nicht nur 16 Churfürstliche, sondern in die etliche 100 fallende privat Weinberge u. Obstgärten liegen, welche theils Bürgern in der Stadt, theils aber Unterthanen auf denen daherum liegenden Dörfern zuständig sind, und 4) eine von ferne umher sich zeigende gute Waldung.
Die Bürgerliche Nahrung ist unter göttlichen Seegen a) der Bierurbar, so im Reihschank aber keine Lager-Biere zu brauen bestehet, und hat sich in die mehresten Amts-Dorfschafften, den Bier- und Meilen Zwang, b) der Weinschank, welcher durch den Zuwachs und darzu gekaufften Wein ausgeübet wird, wobey jedoch wider des hübnerisch geographischen Vorwurfs zu gedenken: daß durch Fleiß und gute Abwartung des Stocks, der Wein einem andern trinkbaren Land-Weine ganz gleich ist, c) der durch Mühe und Arbeit gesegnete Feld- u. Garten-Bau, und d) die Kauffmannschafft, 1 privilegirte Baderey , 1 Stadt- und Amts-Musicus, und sonst allerley nöthige Handwerker, worunter jedoch die Schuhmacher, so wie an andern Orten, abermahls die stärksten, aber auch unter besagten Professionisten sehr brauchbare Leute sind. Auch hat die Stadt jährlich 5 öffentliche Märkte, Jubilate, Peter –Paul, Laurentii, Sonntags nach den 9. October, und Montags vor dem 1sten Advent oder den sogenannten Kirms-Markt, ferner hat sie 2 ansehnl. Wollmärkte des Jahres, der Frühlingsmarkt fällt allezeit Mont. vor Pfingsten, u. der Herbstmarkt Montags nach † Erhöhung. Es sind auch 3 Kirchen allda, nehml. 1. die Deutsche, die den Namen Petri u. Paulikirche u. ein zieml. Alterthum führet, u. in deren schönen Altar beyde Apostel in Lebensgröße stehen, nebst einer Wendischen die Catharinenkirche hinter der Deutschen, in welcher noch 15 Wendische Dörfer eingepfarrt sind, und einer Begräbniß-Kirche, in welchen der seit 1539 evangelisch eingeführte Gottesdienst verrichtet wird. Das darzu gesetzte Ministerium bestehet in 3 Geistlichen, als 1 Ober-Pfarr nebst 2 Diaconis, die in Deutsch u. Wendischer Sprache in beyden Haupt-Kirchen die Schaafe Christi in Sacris und Heil des Herrn treulich weyden.
Die Knaben-Schule wird von 1 Rector, 1 Cantor, und 1 Collaborator gnüglich versehen, so wie die Mädgen von einem besonders darzu gesetzten Schulmann, der zugleich Organist mit ist, ihren Unterricht erhalten. Obige 2 Diaconi und sämmtliche Schul-Lehrer, nebst dem Kaßen-Hospital- und Kirchen-Vorsteher, wie auch dem Glöckner zur Deutschen und dem Küster zur Wendischen Kirche, vocirt der Rath, so wie der Pastor von Churfürstlichen Kirchen-Rath gesetzet wird. Im letztern Brande den 15. May 1717 ist sie ganz, bis auf das Mauerwerk der Deutschen Haupt-Kirche und etliche geringe Häuser abgebrannt, weshalb noch an besagten Tage, ein besonderes Brandfest in der Furcht des Herrn, begangen wird.
Nächst dem größern u. kleinern sich hier mit zeigenden Stadt-Wappen, zeiget sich auch zwischen der Stadt-Brücke und der Begräbnis-Kirche das ehemals mit zur Stadt, nunmehro aber zum Amte gehörende Dorf Jüttendorf.

Vielmehr bezieht sich der Text auf die Abbildung. Zum Beispiel "Die Stadt, so Südost aufgenommen worden" oder "Nächst dem größern u. kleinern sich hier mit zeigenden Stadt-Wappen". Es ist zu vermuten, daß sich der Kupferstecher von einer früheren Abbildung Senftenbergs inspirieren ließ. Möglicherweise der von Dilich aus dem Jahr 1628, womit vielleicht auch die Schreibweise Senfftenberg erklärt werden könnte, die ja in dieser Form im begleitenden Text nicht vorkommt. Sehr wohl aber auf der Dilich-Zeichnung.
Der Text fährt im Übrigen noch mit der Bescheibung des Wappens und der Geschichte derer von Löben fort, die jedoch keinen Bezug zu Senftenberg hat. Wer sich dafür interessiert, dem kann ich diesen Teil des Textes gerne zukommen lassen. Für www.gruss-aus-senftenberg.de hat er jedoch keine große Relevanz.
Unterm Strich bleibt festzuhalten, daß wir es unter Vernachlässigung der unteren Hälfte mit einer Darstellung Senftenbergs zu tun haben, die die bislang einzige aus dem 18. Jahrhundert ist. Die Zeichnung an sich ist ziemlich einfach gehalten. In den Details ist sie zwar teilweise realitätsfern aber mit ein wenig gutem Willen kann man unser Senftenberg darin erkennen. Die Darstellung des "kleinern Stadt-Wappen" ist relativ grob, während das größere halbwegs stimmt. Die Darstellung des Wappens derer von Löben, wie auch die weiteren Schmuckelemente, haben allesamt nichts mit der Darstellung der Stadt zu tun. Offenbar war das zumindest in diesem Zittauischen Monatlichen Tagebuch Usus, machte aber für unsereins die gesamte Abbildung irgendwie suspekt. Der zugehörige Text räumt die letzten diesbezüglichen Zweifel aber aus.
Erstaunlich finde ich, daß der Ersteller des Textes, der in diesem Fall aber nicht mehr der Original-Herausgeber, Friedrich Eckarth (1687-1736), sondern dessen jüngster Sohn, Johann Gottlob Eckarth war, der die Zeitung zwischen 1770 und 1787 herausgab, ziemlich detaillierte Informationen über Senftenberg hatte und im Text verarbeitete. Woher und von wem erhielt er diese?

Etwas, daß ich aus dem Text auch noch gelernt habe, bzw. was mich zu weiteren Online-Recherchen veranlasste... eine Meile war nicht einfach eine Meile! Es gab in der Historie sehr starke Differenzen, welche Strecke man unter einer Meile verstand. Da war so ziemlich alles vertreten, von 500 m in China bis 11.000 m in Norwegen. Wenn ich mir die im Text angegebene Entfernung zwischen Senftenberg und Ruhland anschaue, sind wir da auch locker bei 11 km für eine Meile!