Glücklicherweise verrät der Vorspann dieses gut eine Minute langen Filmchens, wo wir uns gerade befinden. Im Hotel "Kronprinz" zu Zeiten
der Inhaberschaft von Frau Helene Diethert. Was in Folge darin zu sehen ist, hat maßgeblichen Einfluß auf die Datierung des Materials. Und
dabei spiele ich auf den Chaplin-Imitator an, der sein Bestes gibt in die zweifellos übergroßen Fußstapfen des weltberühmten Komikers zu
treten. Für mein Dafürhalten schlägt er sich dabei recht wacker.
Bei den Schwenks, die der Kameramann hierbei vollführt gerät am rechten Rand auch die Besitzerin, Frau Diethert ins Bild. Nach knapp der
Hälfte der Laufzeit schwenkt die Kamera dann in den linken Bereich des Raumes, in welchem sich einige Gäste an kleinen Tischen verlustieren.
Zum Schluß wird dann auch noch das Tanzbein geschwungen. Die musikalische Begleitung erfolgte höchstwahrscheinlich durch den jungen Mann
am Klavier, der zuvor filmisch eingefangen worden war.
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Da wir über eine Ansichtskarte verfügen, die genau jene Bar zeigt, die im Film auftaucht,
und überdies das ganze als "Kahlbaum-Diele" bezeichnet, können wir die in Frage kommende
Zeit zunächst grob auf 1924 - 1926 eingrenzen. Daß ich mich überdies auf 1925 festlege, fußt
weniger auf stichhaltigen Beweisen als auf Indizien und ein wenig Kombination. Dreh- und
Angelpunkt ist tatsächlich der Chaplin-Imitator...
Im März 1925 erschien im Senftenberger Anzeiger das links abgebildete Inserat. Natürlich
wird hierin maßlos übertrieben. Dennoch glaube ich, daß Wilhelm Petsch, der Betreiber des
Passage-Kinos, wenn er schon nicht den echten Chaplin nach Senftenberg locken konnte, dann wenigstens
einen Imitator im Rahmenprogramm der Vorführungen zum Einsatz brachte. Damit hätte er dann das
erwartungsfrohe und zahlende Publikum nicht völlig an der Nase herumgeführt.
Zudem sprang der Senftenberger Anzeiger in jenen Tagen ebenfalls auf den Chaplin-Zug auf und
konstruierte einen Aprilscherz, in welchem angekündigt wurde, daß der echte amerikanische Filmhumoristen-König
Charlie Chaplin die Ehre hätte, am 1.April mit seinem Künstlervölkchen auf dem Senftenberger
Marktplatz zu erscheinen. Tatsächlich sollen ca. 300 Senftenberger auf die Zeitungs-Ente hereingefallen sein.
Da der kleine Film vom Passage-Kino hergestellt wurde, kann ich ehrlich gesagt nicht an einen Zufall
glauben. Stattdessen vermute ich, daß Wilhelm Petsch den Chaplin-Darsteller für einen kleinen Auftritt
in den Kronprinzen geschleift hat, um dem Film eine interessante Note zu verleihen. Der Zweck des
Streifens könnte eine Art Werbefilm gewesen sein, der im Vorprogramm des Passage-Kinos gelaufen ist.
Ansonsten hätte man sich wahrscheinlich nicht die Mühe gemacht, den Vorspann einzubauen.
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