18.08.2019
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Das Auftauchen, oder vielmehr: das Verfügbarmachen der originalen Brück & Sohn - Fotoplatten
gibt mir nach sehr langer Zeit wieder die Möglichkeit, einen Abstecher in die Senftenberger Schloßstraße
zu unternehmen.
Das rechts abgebildete Motiv ist ein Klassiker unter den historischen Ansichten unserer Stadt und wurde
von mir bereits in zwei Ansichtskarten-Varianten vorgestellt.
Ich denke, ein jeder erkennt den deutlichen Qualitätssprung in den Details.
So sind die Beschriftungen an den einzelnen Gebäuden der beiden Häuserzeilen wesentlich besser zu entziffern.
Beispielsweise dieses hier...
Es kommt hin und wieder vor, daß mich jemand anschreibt, der auf der Suche nach Informationen
zu seinen Vorfahren irgendwann auf Senftenberg stößt und nach kurzer Internetrecherche dann auch relativ
schnell www.gruss-aus-senftenberg.de entdeckt.
So geschehen vor gut einem Monat, als mich jemand um Hilfe bei der Verortung einiger Häuser bat, die dereinst
seinen Vorfahren gehörten. Unter anderem konnte der Fragesteller eine Hälfte seiner Abstammung an der Familie
Weitzmann nachweisen. In diesem Zusammenhang kamen alte Senftenberger Wohnanschriften wie Kreuzgasse 1,
Schloßgasse 89, Schloßgasse 93 und Am Wasser 66 zum Vorschein, die der Anfrager bereits in alten Akten recherchiert
hatte.
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Aufnahme = 1915 SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Brück & Sohn
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Für mich erstaunlich, konnte das Senftenberger Stadtarchiv dem engagierten Ahnenforscher diesbezüglich keine Auskünfte geben. Während ich bei "Am Wasser 66" auch ziemlich
auf dem Schlauch stehe, war mir bei den anderen Anschriften sofort klar, daß es sich um die heutigen Kreuz- und Schloßstraße handeln muß. Die Bezeichnung Kreuz- und
Schloßgasse wurde zu einem Zeitpunkt x, den ich noch nicht genau bestimmen kann, in das noch heute gültige "Straße" geändert. Wie übrigens auch für die anderen Gassen
im Innenstadtkern Senftenbergs, wie Töpfergasse, Badergasse, Schmiedegasse usw. usf. Aufgrund der einerseits dürftig vorliegenden Lokalpresse vor den 1890er Jahren
und der andererseits nur äußerst sporadisch erwähnten Anschriften (der Senftenberger wusste halt wo sich Kaufleute wie Geelhaar, Trentzsch oder Stiebner befanden und für
den Auswärtigen genügte bei der Übersichtlichkeit der damaligen Stadt die Ortsbestimmung "in Senftenberg") kann ich derzeit keine gesicherten Angaben machen, wann die Umbenennung
der Gassen in Straßen erfolgte. Da ich 1882 noch eine Schmiedegasse, in 1883 aber bereits eine Schloßstraße auf den Seiten der Elster-Chronik ausmachen
konnte, besteht die Möglichkeit, daß in diesem Zeitraum die Namensänderung stattfand. Oder eben doch nicht in einer Einzelaktion, sondern etappenweise.
War die grundsätzliche Verortung auf eine bestimmte Straße noch relativ einfach, gestaltete sich die Bestimmung der Hausnummern schon schwieriger... Jeder, der sich halbwegs in
Senftenberg auskennt, wird zu Bedenken geben, daß die Schloßstraße gar nicht lang genug ist, um eine Hausnummer 89 zu beherbergen. Daß es diese dennoch gab, hängt damit zusammen,
daß in früherer Zeit die Nummerierung der einzelnen Häuser nicht nach örtlichen Gesichtspunkten (also auf- bzw. absteigend entlang eines Straßenzugs) sondern weitestgehend
chronologisch erfolgte. Jedes neu errichtete Haus erhielt die nächste freie Nummer, unabhängig davon wo es sich konkret befand. Eine Orientierung war damit eigentlich nicht möglich, was
wahrscheinlich der Grund war, warum man damals eigentlich nie mit Hausnummern und auch nur selten mit Straßennamen arbeitete.
Die damaligen Hausnummern sind nicht auf heutige Gegebenheiten übertragbar, denn im Mai 1901 wurde durch den Magistrat der Stadt Senftenberg eine Polizeiverordnung erlassen,
die im §6 regelte: "Jede Straße und jeder öffentliche Platz wird für sich nummeriert". Diese Polizeiverordnung, die noch weitere Vorschriften bezüglich der
Nummerierung und Kennzeichnung der städtischen Straßen beinhaltete, trat am 1. Juli des Jahres 1901 in Kraft. Damit verbunden war die Umnummerierung sämtlicher bereits bestehender
Häuser.
Und nun komme ich langsam zum Ausgangspunkt zurück... die nunmehr aufgetauchte Originalglasplatte lüftet das Geheimnis, um welches Haus es sich konkret bei der Schlossgasse 89
handelte. Denn auf der nun deutlicher lesbaren Beschriftung finden wir neben dem Namen des Kaufmanns Emil Weitzmann auch noch, die zu diesem Zeitpunkt aber schon 14 Jahre ungültige,
Hausnummer 89! Das Haus selbst, die heutige Schloßstraße 12, wurde später um ein Vollgeschoß erweitert und beherbergt seit vielen Jahren eine Arztpraxis.
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Das zweite Motiv für heute ist ebenfalls bekannt. Vielleicht nicht ganz so wie das erste, aber auch diese
Ansicht ist schon seit Ewigkeiten Bestandteil des digitalen Archivs hier. Bislang in der Foto-Variante enthalten,
kann ich nunmehr eine gedruckte Version beisteuern.
War ich anfangs auf Basis der Originalgröße noch davon überzeugt, daß die gedruckte Version detailreicher
daherkommt als das Foto-Pendant, musste ich bei der Vergrößerung feststellen, daß dem, wie so oft, nicht
ist. Zwar hat die Fotovariante ebenfalls einige Defizite, ist in den Details jedoch dem heutigen Neuzugang
vorzuziehen.
Die Aufnahme selbst wurde von nahezu demselben Standort aus gemacht, wie das Motiv aus dem Jahr 1915.
Die zeitliche Differenz von 10 bis 12 Jahren offenbart unveränderte Häuserfronten. Lediglich ein Geschäft
auf der linken Seite erhielt eine neue Frontgestaltung im Parterre.
Auch wenn man es nicht glauben mag: der Fotograf des dritten und letzten Stücks für heute, suchte sich
ebenfalls diesen Standort aus. Nur fotografierte er nicht in Richtung Markt, sondern nahm sich explizit
das Haus Schloßstraße 20 vor.
Leider stand mir hierfür kein Original zur Verfügung, vielmehr handelte es sich um eine Kopie (abfotografiert
und vergrößert) einer zeitgenössischen Fotopostkarte. Das Ganze erfolgte jedoch halbwegs professionell, so
daß ich trotz "Verletzung meiner Qualitätskriterien" eine Aufbereitung des Motivs vornahm. Da unklar ist, ob
das Original noch (und vor allem: bei wem) existiert, werde ich so schnell wohl keine bessere Grundlage finden.
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8305 Gebr. Grubann, Senftenberg, N.-L. Aufnahme <= 1928 Sammlung Matthias Gleisner
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Ich habe der Darstellung digital eine Sepia-Tönung verpasst, so wie vermutlich das Original aussah. Aufgrund
der gesamten Anmutung der Aufnahme gehe ich insgeheim von einer Paul Klinke-Produktion aus, die uns dann zeitlich
in das Jahr 1910 verschlagen würde. Daß die Senftenberger Traditionsfirma 1910 schon unter der Bezeichnung
Louis Rothe jun. lief, muss meiner Theorie nicht widersprechen. Wie wir oben bei unserer 89 gelernt
haben, hatten derartige Fassadenbeschriftungen zuweilen auch über das Verfallsdatum hinaus Bestand.
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Aufnahme <= 19?? Sammlung Dr. Christoph Lehmann
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