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Also ich bin raus!
Als 1972 die letzten Überreste Sauos der, unter dem Dorfe gelegenen, Braunkohle geopfert wurden,
war ich gerade einmal ein Knirps von 5 Jahren. Selbst wenn meine Eltern in meinen ersten Lebensjahren
mit mir das Dorf besuchten (wofür es meiner Meinung nach eigentlich keinen Grund gab), hätte ich
daran höchstwahrscheinlich keinerlei Erinnerungen.
Ja, ich muß sogar gestehen, daß bis zum Beginn meiner heimatforscherischen Tätigkeit vor gut
9 Jahren, Sauo auf meiner Landkarte überhaupt nicht vorkam. Und selbst als ich zaghaft begann,
die Senftenberger Geschichte aufzurollen, war das Dorf nicht sofort und automatisch in meinem
Fokus. Dies entwickelte sich jedoch zunehmend in dem Maße, in dem Bildmaterial im Zuge meiner
Senftenberg-Aquise, quasi als "Beifang" auftauchte.
Und dabei ist mittlerweile eine, für die Größe des Dorfes doch recht beträchtliche, Anzahl
historischer Ansichtskarten zusammengekommen, die heute um weitere vier Stücke ergänzt wird.
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Was das Verschwinden des Dorfes angeht, so reichten dahingehende Befürchtungen bereits in den
Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Der Kantor, Hauptlehrer, Stadtchronist und Heimatforscher
Johann Gottlieb Paulitz führte in seiner 1913 erschienen Heimatkunde des Kreises Calau für
Volksschulen aus: Sauo, von szojo = die Eule, Eulendorf.
In der Nähe mehrere Tagebauten, die dem Orte einen baldigen Untergang bereiten dürften.
Doch diesen Untergang erlebte Paulitz nicht mehr. Stattdessen musste er in seinen letzten
Lebensjahren (er starb 1926) mit ansehen, wie ein anderes Dorf, sein geliebtes Rauno, in dem er
50 Jahre lang als Lehrer wirkte, der Braunkohlenförderung zum Opfer fiel und von der Erdoberfläche
verschwand.
Das Damoklesschwert schwebte aber auch weiterhin recht bedrohlich über den Köpfen der Einwohner Sauos...
Die Bewohner des Dorfes waren bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein zumeist
Ackerbauern. Um diese Zeit wurde man auf die hier und da zutage tretenden Braunkohlenflöze aufmerksam
und begann dieselben abzubauen. So wurden um die Jahrhundertwende auch in der Gemarkung Sauo
nacheinander 6 Tagebaue aufgeschlossen, die zunächst von Hand, später maschinell betrieben
wurden. Durch den Braunkohlenbergbau erfuhren Aussehen und wirtschaftliche Struktur der Gemeinde
grundlegende Veränderungen. Immer mehr wurde die Landwirtschaft durch den um sich greifenden Bergbau
verdrängt. Durch die vielen von auswärts zuziehenden Bergleute trat ein großer Bedarf an Wohnungen
ein, den man zunächst durch den Ausbau landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude, nach dem Kriege durch
den Bau von Bergmannssiedlungen und gemeindeeigener Wohnhäuser deckte.
Die breiten, behäbigen wendischen Bauernwirtschaften verwandelten sich in riesige Mietshöfe,
die 15 bis 25 Familien Obdach gewähren mußten. Vier neue Braunkohlengesellschaften hatten in der
Dorfgemarkung ihre Tagebauten eröffnet. Aus dem Bauerndorf war eine Industriegemeinde geworden, die
sich unausgesetzt vergrößerte, d.h. nur in der Einwohnerzahl; im Landbesitz aber täglich kleiner wurde.
Der Krieg ließ eine kurze Atempause eintreten. Die deutschen Männer waren draußen im Felde, und
hier entstanden über Nacht riesige Gefangenenlager, in denen alle Sprachen der Welt gesprochen
wurden. Franzosen und Belgier führten die Maschinen und droben am Kippenrande hockten in der Winternacht
Griechen und Kolonialsoldaten an den kleinen Kohlenfeuern, sich zu wärmen.
Der Krieg war kaum zu Ende, da rückten die Gruben dem Dörfchen dreischichtig mit verstärkter
Maschinenkraft zu Leibe. Der Reichtum, der unter ihm ruhte, drohte ihm zum Verhängnis zu werden, -
Kantor Paulitz Recht zu bekommen!
Im Osten rutschen die ersten Stallungen hinein in die Grube, und "Klein-Sauo" mußte geräumt werden.
Im Süden verschwanden am alten Kirchweg die "Sieben Gründe". Sieben alte Quellen, die in alter
Zeit Senftenberg durch Holzröhren mit Wasser versorgten.
Im Norden war indes auch der prächtige Sumpfwald, der Cunnewar, verschwunden. Es blieb noch so
viel anbaufähiges Land für die ganze Gemeinde übrig, wie im Osten ein mittleres Gut sein Eigen
nennt.
Die Einwohnerzahl, welche im Jahre 1900 noch 440 betrug, stieg bereits bis zum Jahre 1905 auf 775,
um dann bis 1917 auf rund 1500 anzuwachsen. Aus allen deutschen Gauen waren
Arbeiter herbeigeströmt und fanden hier zwischen Kohle und Sand eine neue Heimat, die andere verlassen
hatten, weil ihnen die Lebensbedingungen genommen waren.
Hat so auf der einen Seite der Bergbau zu einem großen Anwachsen der Gemeinde geführt, so muß für
die Zukunft leider damit gerechnet werden, daß nach beendigter Auskohlung wieder eine rückläufige
Bewegung eintritt, nur mit dem Unterschied, daß dann eine Rückkehr zur Landwirtschaft nicht mehr
möglich sein wird, weil die ausgekohlten Tagebaue, wenn und so weit sie überhaupt wieder einplaniert
werden, für absehbare Zeit für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht in Frage kommen. So sind leider
die Aussichten für die künftige Entwicklung der Gemeinde wenig erfreulich, und es ist durchaus nicht
unwahrscheinlich, daß Sauo in absehbarer Zeit ein sterbendes Dorf sein wird.
aus "Der Kreis Calau" (1937) und "Sauo früher und heute" in Senftenberger Anzeiger (Dezember 1928)
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Aufnahme <= 19?? Sammlung Matthias Gleisner
Die oben abgebildete Ansichtskarte ist praktisch der
lebende Beweis für die Verschiebung innerhalb Sauos,
wie sie im Text links beschrieben wird.
Einer Ansicht des klassischen Dorfes stehen gleich
vier Abbildungen mit industriellem Charakter gegenüber.
Die oberen zwei Motive sind bereits bekannt und haben
eine fotografische Grundlage. Wie wohl auch die Dorfstraßen-
Ansicht. Die beiden übrigen Abbildungen sehen sehr "gemalt"
aus. Als Vorlage könnte trotzdem ein Foto gedient haben.
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Totgesagte leben länger! Nachdem Sauo in den 1910ern, 1920ern und 1930ern immer wieder das nahe, zumindest aber unausweichliche, Ende prophezeit wurde,
entwickelte sich der Ort nach Ende des 2. Weltkriegs weiter fort. Kulturelles und Sportliches hatte seinen Platz in der Dorfgemeinschaft. Eine andere Entwicklung,
nämlich die des Tagebaus Meuro, besiegelte jedoch ein für alle Mal das Ende des Dorfes. Der Rat der Gemeinde Sauo gab im September 1966 ein Schreiben der VVB
Braunkohle Cottbus bekannt:
Wir können Ihnen heute verbindlich mitteilen, daß der Ort Sauo überbaggert werden muß. Die Kohlenvorräte unter der Ortslage sind von bester Qualität und
stehen in voller Mächtigkeit an. Außerdem befinden sich unter dem Ort noch große Teile des Lausitzer Oberflözes, das in den 20er Jahren in den jetzt ausgelaufenen
Tagebauen zwischen Senftenberg und Großräschen abgebaut wurde. Etwa 30 m tiefer, wie dieses bis 15m starke Oberflöz, stehen die Kohlen des Lausitzer
Hauptflözes mit einer Mächtigkeit von 11-13 m an, wie sie in allen Tagebauen unseres Gebietes abgebaut werden.
Der Tagebau Meuro, der dieses Hauptflöz gewinnt, erreicht den Ort Sauo im III.Quartal 1972, so daß die Ortsverlegung Anfang 1971 beginnt und sich
über das ganze Jahr 1971 hinziehen wird. Die drei Quartale 1972 sind den Abbrucharbeiten vorbehalten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Sauo noch ca. 300 Einwohner, die hauptsächlich nach Senftenberg und Großräschen umgesiedelt wurden.
Meuro - künftiger Großtagebau BKW Franz Mehring (1964)
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