Die Bronze-Diebe, von denen heute die Rede sein soll, waren im Gegensatz zu jenen der Vorwoche nicht an persönlicher Bereicherung interessiert... Ihnen
ging es um höhere Ziele! Und sie kündigten sich lange vorher an...
Die Objekte ihrer Begierde? Die bronzenen Glocken der Deutschen Kirche in Senftenberg. Und nicht nur der!
Bereits 1940 wurden sämtliche Kirchengemeinden Deutschlands von ihren vorgesetzten Stellen aufgefordert, Meldebogen mit Angaben zu den
in den jeweiligen Gotteshäusern installierten bronzenen Glocken auszufüllen...

Besagten Meldebogen für die Senftenberger Deutsche Kirche sehen wir oben abgebildet. Neben den Angaben zu Gewicht und Durchmesser der drei Glocken erkennt man auch
die Angaben über den Glockengießer und das Jahr (1717 bzw. 1749) in dem die Glocken gegossen wurden. Die in rot gehaltene Einstufung
erfolgte nicht vor Ort sondern durch ein Gremium, welches sämtliche Glocken, die für den "Endsieg" eingezogen und zu kriegswichtigem Gerät verarbeitet werden sollten
nach ihrem geschichtlichen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert kategorisierte.
Die Senftenberger Glocken fielen in die Kategorien "A" oder "B", womit ihr Schicksal besiegelt war. Kategorie "C" hätte sie vorerst vor der Demontage, dem Verbringen
auf sogenannte "Glockenfriedhöfe" und dem letztlichen Einschmelzen bewahrt. Kategorie "D", die höchste Stufe, kennzeichnete Glocken, die historisch wertvoll waren
und vor der Verschrottung bewahrt werden sollten.
Eine ähnliche Aktion gab es auch schon im 1. Weltkrieg. Durch Intervention des damaligen Oberpfarrers Hintersatz blieben die drei Senftenberger Glocken jedoch verschont.
1942 jedoch war jeder Widerstand zwecklos. Immerhin war man so gnädig und verschonte im Allgemeinen zunächst die sogenannte "Läuteglocke", also das jeweils kleinste Exemplar vor
der Einziehung.
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Einen letzten Blick auf die beiden Senftenberger Glocken erhalten wir auf den zwei
nachfolgenden Fotografien, die an jenem Märztag aufgenommen worden sein müssen. Der
Ort der Aufnahme, ich denke das erkennt man ganz gut, ist der Senftenberger Kirchplatz.
Die beiden Glocken befinden sich bereits auf einem Fahrzeug-Anhänger.
Ebenfalls gut sichtbar sind die Texte (zumindest größtenteils), die auf den Glocken
angebracht waren und die in Gänze von Gottlieb Paulitz in seiner Senftenberg-Chronik
dokumentiert wurden.
Das traurige an der Geschichte ist, daß von den geschätzt 45.000 Glocken aus deutschen
Kirchen plus ca. 35.000 Glocken aus besetzten Gebieten eine beträchtliche Anzahl
überhaupt nicht eingeschmolzen wurden. Die Glocken, die nach Ende des Krieges noch
auf irgendwelchen Sammelplätzen lagerten und keine sichtbaren Schäden aufwiesen,
wurden in aufwändigen Aktionen identifiziert und nach Möglichkeit den abgebenden Gemeinden
rückübertragen. Die Senftenberger Glocken waren offenbar nicht darunter.
Die in der Deutschen Kirche verbliebene kleine Glocke fiel im April 1945 den Flammen
zum Opfer, als die Kirche nach Artilleriebeschuß durch die Rote Armee vollständig ausbrannte.
Einen Blick in das unversehrte Innere der Kirche liefert uns die nachfolgende Ansichtskarte.
Die aktuelle Datierung lautet auf <= 1939 wobei ich insgeheim von <=1931 ausgehe.
Verlag H. Rubin & Co., Dresden-Loschwitz Echte Photographie 8304 Aufnahme <= 1939 Sammlung Matthias Gleisner
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Am 1. März 1942 schlug für die beiden größeren Glocken
das vorläufige letzte Stündchen...
An jenem Tag erfolgte die Abnahme der Glocken, die in
Folge zu einer zentralen Zwischensammelstelle oder gleich
zu einem Hüttenwerk transportiert wurden.
W. Theinert, Photo-Atelier Senftenberg L. Aufnahme = 03.1942 Evangel. Kirchengemeinde Senftenberg
W. Theinert Photo-Atelier - Senftenberg N.-L. Adolf-Hitler-Promenade 2. Aufnahme = 03.1942 Sammlung Matthias Gleisner
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Nach dem Krieg erhielt die Senftenberger Kirchgemeinde leihweise 2 Glocken gestellt.
Dies erfolgte möglicherweise im Rahmen der oben erwähnten Rückgabeaktion, bei der nicht
zuordenbare Glocken an bedürftige Kirchengemeinden verliehen wurden. Senftenberg erhielt
die zwei Glocken aus dem Besitz einer Kirchengemeinde jenseits der Oder-Neiße. Diese
wurden am 10. April 1949 feierlich eingeweiht.
Mitte der 1950er Jahre war die hiesige Kirchgemeinde in der Lage gänzlich neue Glocken
in Auftrag zu geben. Für die beiden geliehenen interessierte sich das evangelische Pfarramt
in Friedland, die mit den zwei Stücken ihr Geläut vervollständigen wollte. Ob die Glocken
tatsächlich nach Friedland gingen, kann ich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls
kamen im September 1956 drei neue Glocken aus Apolda nach Senftenberg. Diese bestehen, im
Unterschied zu den im 2. Weltkrieg untergegangen, aus Eisenhartguss und sind somit vor Buntmetall-Liebhabern relativ sicher...
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