18.12.2022

In der vergangenen Woche fiel an dieser Stelle der Name "Weißgärber", der vielen Senftenbergern, die vielleicht nicht mehr ganz so jung sind, ganz gut im Gedächtnis verhaftet ist. Immerhin bestand über einen sehr langen Zeitraum in Senftenberg ein Fotoatelier mit angeschlossenem Fachverkauf mit diesem Namen. Auch wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt der jeweilige Inhaber selbst nicht mehr Weißgärber hieß, blieb man dem Namen des Firmengründers treu. Auch weil die Weitergabe des geschäftlichen Staffelstabes innerhalb der Familie erfolgte.

Sucht man heute bei Google nach der Kombination "Weißgärber" plus "Senftenberg" landet man in aller Regel auf www.gruss-aus-senftenberg.de. Die Treffer, die an erster Stelle stehen, allesamt geschäftlicher Natur führen über kurz oder lang ins Nirgendwo, denn die Firma existiert mittlerweile gut 10 Jahre nicht mehr.
Einen kurzen und längst überholten Artikel, den man immer noch auf den Seiten der Senftenberger Stadtwerken findet, bietet mir ein oder zwei Anknüpfungspunkte, die ich nutzen möchte...


Dem Text kann man unter anderem entnehmen, daß die Firmengründung im Jahre 1913 erfolgte. Das kann sein, jedoch nehme ich diese Information im Zusammenhang mit Senftenberg mit einer Prise Zweifel. Ja, im 1914er Einwohnerbuch der Stadt wird an der Wiesenstraße 32 ein Fotograf Emil Weisgärber gelistet (in diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß die Schreibweise des Namens querbeet sehr "flexibel" gehandhabt wurde), jedoch gibt es keinen Hinweis auf einen Geschäftsbetrieb. Damals wurden in aller Regel die Berufe der Hausbewohner angegeben, was jedoch nicht zwangsläufig bedeutete, daß beispielsweise ein Tischler oder Klempner eine eigene Firma hatte. Stattdessen kann ein Tischler, Klempner oder eben auch ein Fotograf, ein ganz normaler Arbeitnehmer im Betrieb eines anderen gewesen sein...
Da ich bislang keinen Nachweis in Form einer Geschäftsanzeige in der damaligen Lokalpresse finden konnte, muß man davon ausgehen, daß ein eventueller Geschäftsbetrieb auf ziemlich kleiner Flamme köchelte, vielleicht sogar in Form eines Reisegeschäftes erfolgte.
Spannend an dieser Stelle ist, daß es damals in Plauen ein Fotoatelier E. Weißgärber gab. Und unter diesem E. Weißgärber erschienen auch ein paar Ansichtskarten mit Senftenberger Motiven, was es sehr wahrscheinlich macht, daß wir es mit einunderselben Person zu tun haben.
Wie dem auch sei; bei meiner akribischen Suche nach irgendwelchen Hinweisen im Senftenberger Anzeiger stieß ich erstmals im Januar 1918 auf den Namen Emil Weißgärber. Und dies in Form einer Heiratsanzeige, die mit der Information aufwartet, daß der Bräutigam zu diesem Zeitpunkt als Sanitäts-Unteroffizier in Militärdiensten stand und die Hochzeit in Weipert (Böhmen) stattfand. Weipert heißt heute Vejperty und ist ca. 60 km von Plauen entfernt, was die Vogtland-Verbindung nochmals untermauert. Abgesehen davon, wurde Emil Weißgärber anno 1885 im vogtländischen Klingenthal geboren.
Das erste, wirklich handfeste, Geschäftsinserat lässt sich erst im August 1919 nachweisen. Und zwar in folgender Form:
Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Museen OSL

Senftenberg

Aufnahme <= 1921
Sammlung Matthias Gleisner
War zuvor von der Wiesenstraße 32 die Rede kommt nunmehr eine Adresse ins Spiel, welche bis heute mit dem Namen Weißgärber bzw. dessen Nachfolger in engem Zusammenhang steht: Schloßstraße 31.
Und genau dieses Haus sehen wir auf dem obigen Foto, welches aktuell nicht so wirklich datierbar ist. Böse Zungen würden behaupten: "Das sieht ja heute immer noch so aus!" Und tatsächlich hat sich im Großen und Ganzen nicht viel verändert. Es könnte durchaus sein, daß einzelne der heutigen Fenster schon auf diesem historischen Foto zu sehen sind.

Dennoch veränderte sich das Aussehen des Hauses über die Jahre zumindest insofern es diverse Anbauten betrifft. So ist heutzutage der auf dem Foto hinter dem Baum rechts hervorlugende zweistöckige Bau nicht mehr vorhanden. Irgendwann im Laufe der Geschichte existierte auch einmal eine relativ hohe Mauer, die den Blick auf das Haus und den Garten, der auch auch für Außenaufnahmen genutzt wurde (siehe unten), teilweise abschirmte.

Mich würde wirklich interessieren, wie sich das Ganze aus der Gegenrichtung präsentierte.

Während man die Adresse Schloßstraße 31 getrost als Stammhaus der Firma Weißgärber bezeichnen kann, zog der Geschäftsbetrieb in der Folgezeit mindestens zweimal um. Bereits 1947 listet ein Branchen-Verzeichnis die Bahnhofstraße 19 als Ort des Ateliers. Ich selbst kann mich dunkel daran erinnern, daß 1981 das erste Paßbild für meinen "Perso" dort geschossen wurde. Auch die "Updates" von 1985 und 1989 (damals noch mit Haaren, und was für welchen! ) entstanden im Hinterzimmer dieses Ladens.
Wie man dem Stadtwerke-Artikel entnehmen kann, wechselte das Geschäft ca. 2008 an die "letzte bekannte Adresse", in die Schloßstraße 18. Wie dieses Haus zu Zeiten Emil Weißgärbers aussah, illustriert das letzte Stück für heute. Die Ansichtskarte, die wir schon in der wesentlich attraktiveren Farbversion kennen, ist immer noch undatiert. Vermutlich erhalten wir hierauf einen Blick in die Senftenberger Schloßstraße um 1917. Die Hausnummer 18 ist der Laden ganz rechts.

Hier endete 2012, wenn man der Geschichte glauben darf: nach 99 Jahren, die Geschichte der Firma "Foto-Weißgärber".

Eine weitere interessante Passage in dem Stadtwerke-Text oben ist die von der Restaurierung, Archivierung und letztlich kommerziellen Verwertung historischer Fotografien. Emil Weißgärber war eben nicht nur zuständig für Paßbilder, Familienfotos usw., sondern er fotografierte damals auch Senftenberger Infrastruktur und dokumentierte Festivitäten (Umzüge und dergleichen), die hier vor Ort über die Bühne gingen.
Besagte Aufbereitung fand tatsächlich in den Jahren nach 2009 statt. An mir ging das zu dieser Zeit komplett vorbei. Ich startete erst Ende 2010 mit meiner Sammelei und zwei Jahre später war die Initiative aufgrund der Geschäftsaufgabe auch schon wieder beendet. Ich kann also nur davon sprechen, was an Weißgärber-Material in der Zwischenzeit bei mir angelandet ist. Demnach erfolgte die Verwertung aus meiner Sicht ziemlich anarchisch und ohne erkennbares System. Wobei ich gestehen muß, daß ich keine Ahnung habe, wieviel und welches Material damals zur Veröffentlichung in Frage kam. Auch über den Zustand und die notwendige Reproduktionstechnik kann ich nur Vermutungen anstellen.
2013, ich stieß im Netz auf damals schon veraltete Informationen hierzu (es gab sogar mal eine Internetseite, auf der man Repros anbot), entwickelte ich große Flausen. Ich versuchte nämlich die Stadt Senftenberg zu überzeugen, das gesamte Weißgärber-Fotoarchiv käuflich zu erwerben. Zu diesem Zeitpunkt war erkennbar, daß eine weitere (kommerzielle) Verwertung durch die Weißgärber-Nachlassinhaber nicht mehr auf der Tagesordnung stand.

Senftenberg
Graph. Verlags-Anstalt GmbH. Breslau
10841
Aufnahme <= 19??
Sammlung Theodor Restel
Senftenberg
Ich glaubte (und glaube noch immer), daß die Originale (Glasplatten, Negative usw. usf.) in kommunale Hände gehören, um diese tatsächlich im Sinne einer vernünftigen Heimatforschung aufzubereiten und Interessierten zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls quetschte ich mir damals eine Begründung aus den Rippen und nutzte die Aktion des sogenannten "Senftenberger Bürgervorschlagsrechts", um die entsprechenden Stellen für meine Idee zu gewinnen.
Es kann sein, daß ich damit kurzzeitig schlafende Hunde weckte. Diese müssen sich dann aber recht schnell wieder zur Ruhe gelegt haben. Von einem Versuch in der Sache ernsthaft tätig zu werden, habe ich nämlich nichts mitbekommen. Meine Initiative versackte, wie auch ein zweiter, ähnlich gelagerter, Vorstoß meinerseits in den Mühlen der Bürokratie Senftenberger Amtsstuben, die mindestens in diesen beiden Fällen extrem unflexibel und ängstlich agierten und damit manches "versemmelten".
Und auch wenn unser Noch-und-bald-ex-Bürgermeister dieses Wort nicht von mir hören möchte: ich bleibe dabei: versemmelt!