25.12.2022
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Ich hatte vor kurzem berichtet, daß in diesem Jahr Weihnachten für mich etwas vorzeitig stattfand, denn ich wurde vor einigen Wochen mit seltenem Bildmaterial bedacht,
das behilflich dabei ist, den Weiterbetrieb von www.gruss-aus-senftenberg.de zu sichern oder wenigstens ein Ende vor der ominösen 600. Neues-Seite
zu verhindern. Gleichzeitig erwähnte ich, daß es sich dabei größtenteils um technisch angehauchte Ware handelt.
Die Einstiegsgrafik verrät, daß heute so ein "Tag der Technik" ist... 
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Da ich nicht über das nötige Wissen verfüge und es wahrscheinlich auch nur die wenigsten interessieren dürfte,
versuche ich gar nicht erst im folgenden den Experten zu geben. Stattdessen arbeite ich mich erst einmal an einem Kuriosum ab... der Ansichtskarte
rechts.
Auf den ersten Blick wird deutlich, daß hier irgendetwas nicht stimmt. Ich meine damit die Größe und auch die
Position der Eimerleiter. Wie es in der Realität aussah offenbart ja die Grafik oben, die denselben Bagger jedoch
aus der anderen Richtung zeigt. Spätestens beim Vergrößern kommt der Grund zum Vorschein: die ganze Szenerie
ist nämlich gezeichnet. Dies erfolgte insgesamt zwar sehr realistisch, da zweifellos auf Grundlage eines Fotos,
aber mindestens bei der Eimerleiter und ich würde sogar behaupten, bei der Größe des Baggers im Vergleich zu der dahinter
befindlichen Förderbrücke, verließen den Künstler die Kräfte.
Ich erkenne in der Vergrößerung sogar Fragmente einer Künstlersignatur in der rechten unteren Ecke. Während das 1939 ganz gut
lesbar ist, ist der Künstlername kaum zu entziffern. Mit viel Fantasie lese ich da irgendetwas mit "Otto".
Bis vielleicht zukünftig ein anderes Werk mit derselben Signatur auftaucht bleibt der Schöpfer der Zeichnung also im Dunkeln.
Das rätselhafteste an der Produktion ist jedoch der Titel! Grube Marga N.-L. Förderbrücke...
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Rudolf Ließ, Bekleidungshaus, Grube Marga, N.-L. R 41460 Aufnahme <= 1940 Sammlung Detlef Krumm
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Das verückte ist nämlich, daß es damals in den zu Grube Marga gehörenden Tagebauen gar keine Förderbrücken gab! Das wurde erst Ende 1944
mit dem Aufbau einer AFB 25 im Tagebau Niemtsch nachgeholt. Diese ging jedoch erst nach Ende des 2. Weltkriegs, genauer gesagt: am 10. März 1949,
in Betrieb und sah darüberhinaus auch völlig anders aus. Witzigerweise können sich die Experten hier auch nicht einigen. Während im Kippensand 2015
das Gerät als F 24 bezeichnet wird, alle anderen Veröffentlichungen von einer F 25 schreiben, liest man im Kippensand 2023 nun von einer
F 29... Soll heute aber nicht das Thema sein.
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1949... da arbeitete die Förderbrücke von unserer Ansichtskarte schon nicht mehr. Zumindest nicht in ihrem Ursprungstagebau (und jetzt werden wir
langsam mal konkret) Ilse-Ost, östlich von Senftenberg auf halbem Weg nach Sedlitz. Nicht daß sie dort nicht mehr gebraucht worden wäre. Nein, die
Siegermacht UdSSR hielt es für angebracht, diese Brücke neben weiteren Großgeräten, Brikettfabriken, Einsenbahngleisen usw. usf. als Reparationen demontieren
und in die Weiten der Sowjetunion verbringen zu lassen.
Angeblich wurde die Brücke in einem ukrainischen Tagebau wieder aufgebaut.
Die rechts abgebildete Ansichtskarte verschweigt den genauen Standort der Brücke,
macht aber wenigstens nicht den Fehler, sie irgendwie der Grube Marga zuzuordnen.
Auf der Abbildung erahnt man das reale Größenverhältnis zwischen Brücke und Bagger das
auf der gezeichneten Ansicht für meinen Geschmack zu sehr in Richtung Bagger ausfällt.
Sehr viel deutlicher wird dies aber auf dem folgenden Druck:
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Erich Krause, Papierhdlg., Senftenberg, N.-L.. Ges. gesch. Nr. 38 Bromid Aufnahme <= 1935 Sammlung Matthias Gleisner
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Aufnahme <= 1945 Sammlung Detlef Krumm
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Es ist etwas unklar, wohin diese beidseitig bedruckte Kartonseite eigentlich gehört. Relativ sicher ist, daß es sich um ein Nachwendeprodukt handelt, wobei
die zugrundeliegende Fotografie natürlich mehr als 50 Jahre älter war. Der Druck wartet auch mit einer Bildbeschreibung auf, die teilweise irreführend (der Verweis auf "Tatkraft")
ist, gleichzeitig den Betrachter, falls er das noch nicht selbst bemerkt hat, darauf hinweist, daß es sich nicht um einen, sondern um zwei
Bagger handelte, die im Verband mit der Förderbrücke ihre Arbeit verrichteten. Der erklärende Text lautet im Detail:
Abraum-Hoch-und Tiefbagger zur Förderbrücke Ilse-Ost
Die Abraumförderbrücke "Tatkraft" Nr. 10 vom Typ F 35 des Großtagebaues Ilse-Ost war mit zwei Baggern verbunden, einem als Drehbagger
ausgebildeten Hochbagger und einem Tiefbagger mit einem täglichen Fördervolumen von 55.000m³ Abraum.
- Inbetriebnahme: 1932
- Einsatz im Tagebau Ilse-Ost: 1932 bis 1945, 255,0 Mill. m³ Abraum
- Jahreshöchstleistung: 1942, 16,1 Mill. m³ Abraum
Im Jahre 1946 wurde die Abraumförderbrücke demontiert und ging als Reparationsleistung in die UdSSR.
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Ob die beiden Brücken-Bagger ebenfalls eine Reise in den Osten antraten hierzu konnte ich nirgendwo gesicherte Informationen finden.
Der Verdacht liegt jedoch sehr nahe.
Einen Blick auf den Baggerverbund zu einem Zeitpunkt, als er seine Arbeitsebene noch nicht erreicht hatte (wir sehen im Hintergrund
die Förderbrücke), erhalten wir auf der letzten Fotografie. An welchem Punkt der Geschichte die Aufnahem entstand ist ungewiß. Die Baggertechnik
befindet sich jedenfalls klar erkennbar auf Höhe der Rasensohle, während das Fahrwerk der Förderbrücke deutlich tiefer stationiert ist.
Für den Hochschnittbagger besteht in dieser Situation keine sinnvolle Verwendungsmöglichkeit.
Beide Bagger waren Modelle der Maschinenfabrik Buckau R. Wolf A.-G., sogenannte "Buckauer Bagger". Der Hochschnittbagger verfügte übrigens über
eine Besonderheit:
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Aufnahme <= 19?? Sammlung Detlef Krumm
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 Anhänge-Ausleger-Gleisrückmaschine der Maschinenfabrik Buckau
R. Wolf A.-G. in Verbindung mit dem Hochbagger der Abraumförderbrücke auf Grube Ilse-Ost der Ilse Bergbau-A.-G.
bei Senftenberg (N.-L.), 1933
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An ihn war eine, ebenfalls von der Maschinenfabrik Buckau entwickelte, Ausleger-Gleisrückmaschine
angeschlossen. Diese rückte gleichzeitig die aus zwei getrennten Schwellenrosten bestehende Gleisanlage
für den Tiefbagger, die baggerseitige Stütze der Abraumförderbrücke und den Schwenkbagger des Hochschnitts.
Der Bagger bildete zusammen mit dem Gestänge der Gleisrückmaschine ein Gelenkviereck. Zwei Gelenke dieses
Vierecks bildeten die Anschlußpunkte des Gestänges am Bagger, in den anderen beiden Gelenken lagen die Gleisrückwagen.
Der Gleisrückkran mit seinem Seilflaschenzug bildete eine Diagonale dieses Gelenkvierecks.
Wer sich für weitere technische Details interessiert, dem kann ich empfehlen, sich das "Handbuch für den deutschen Braunkohlenbergbau"
(3. Auflage, 1935) zu Gemüte zu führen.
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