Die Aufräumarbeiten gehen weiter! Diesmal sause ich nicht thematisch sondern zeitlich umrissen durch halb Senftenberg... Alle heute gezeigten Stücke
haben ihren Ursprung in den 1930er Jahren, dem letzten großen Jahrzehnt für Ansichtskarten aus Senftenberg. Bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs erschienen
tatsächlich noch größere Mengen an Karten, die dazu auch noch eine große Vielfalt bezüglich der abgebildeten Örtlichkeiten vorweisen. Die folgenden 40er
Jahre waren dann ein ziemlicher Totalausfall. Einerseits befürchtete man, wie auch schon im 1. Weltkrieg, wo zeitweise der Versand von Ansichtskarten in
"Feindesland" aber auch innerhalb der Heimat Beschränkungen unterlag, daß der Kriegsgegner aus den Bildseiten möglicherweise wertvolle Informationen über
die Infrastruktur Deutschlands ziehen könnte (z.B. aus Luftaufnahmen). Andererseits führte die Kriegswirtschaft natürlich auch zur Verknappung des Materials.
Letzteres änderte sich auch nicht schlagartig nach Kriegsende. Der Mangel blieb bekanntermaßen ein ständiger Begleiter in unserem Teil Deutschlands, so daß erst
Ende der 40er/Anfang der 50er zaghaft neue Produkte angeboten wurden.
Doch das soll heute nicht das Thema sein. Ich drehe nunmehr die Zeit um 90 Jahre zurück und präsentiere 4 bekannte und 1 unbekanntes Motiv aus jener Zeit:
Verlag: Schöning & Co., Lübeck Nr. 63461 Echte Photographie Aufnahme <= 1938 Sammlung Familie Grubann
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C.G. Grubann, Buchhdlg., Senftenberg N.-L. Ges. gesch. Nr. 28. ECHTE PHOTOGRAPHIE Teco Aufnahme <= 1937 Sammlung Norbert Jurk
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Trinks & Co., Leipzig. Nr. 32 Tecomit M 1360 Aufnahme <= 1937 Sammlung Matthias Gleisner
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Nie konnte man die Enten im Senftenberger
Tierpark besser erkennen als auf dieser Foto-Version eines
sattsam bekannten Motivs.
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Beide bislang aufgetauchten Versionen sind manipuliert. Zum einen
wurde aus unerfindlichen Gründen an einem Teil des "Hauptgrabens"
die Wasseroberfläche überpinselt. Zum Anderen sind große Teile der
Büsche im Bildvordergrund von woanders "eingeflogen" worden. Offensichtlich
machte die Wüstenei, die man dort eigentlich vorfand, nicht allzuviel
her. Ich habe mir erlaubt, die Schnittkanten digital etwas zu versäubern
um die Retusche weniger offensichtlich zu machen.
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Ein kleines Plus an Bildinformation im Vergleich zur Fotovariante
bietet uns die Druckversion dieser Marktansicht. Nicht viel, aber der
Mensch freut sich.
Da das Auto unten und der Lampenmast oben weniger beschnitten sind,
wirkt die Aufnahme insgesamt ausbalancierter. Erkauft haben wir uns dies
mit einer spürbar schlechteren Bildqualität.
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Aufnahme <= 1930 Sammlung Irene Uhlmann
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"Beschnitten" ist auch das Stichwort für den links abgebildeten Blick in die Kreuzstraße... Wenn mich nicht
alles täuscht, präsentiere ich hier und heute den bislang größten Bildauschnitt diese Aufnahme.
2004, im Buch "Senftenberg - Bilder aus der Vergangenheit", wurde die Variante mit den (in der Realität)
fehlenden 3 Metern rechts verwendet. Norbert Jurk benutzte 2011 sehr wahrscheinlich die heute vorgestellte
Version, schnitt jedoch aus Platzgründen oben und rechts etwas weg.
Heute also die bisherige Maximalausgabe (zumindest in der Breite) inklusive des Firmenschildes J. Goldemann.
Eine Angabe, die uns in der Tat bei der Datierung der Aufnahme behilflich sein könnte: Das Senftenberger Einwohnerbuch
für 1929 liefert uns an der Adresse Kreuzstrasse 1 noch nicht die Firma von Jakob Goldemann, wobei schon Annoncen
im Senftenberger Anzeiger desselben Jahres für das Geschäft auftauchen. Zwar unter dem Martha Goldemann
aber bereits an dieser Adresse.
Wir können also davon ausgehen, daß die Aufnahme frühestens 1929 gemacht wurde. Vermutlich aber tatsächlich erst 1930.
Jakob Goldemann war übrigens Jude und der Bruder von Clara und Rosalie Goldemann, die in Senftenberg ein Putzgeschäft
führten. Für Rosalie, die 1940 in das Ghetto Belzyce deportiert wurde und später umkam, wurde 2011 vor dem Haus in der
Bahnhofstraße 22 ein "Stolperstein" verlegt. Während Jakob Goldemann am 1. Januar 1932 in Stettin verstarb, wohin mglw.
die gesamte Familie (Clara starb schon 1920) verzog, wurde dessen Witwe Martha ebenfalls 1940 nach Belzyce deportiert.
Ihr Name taucht jedoch bislang nicht in der Liste von Senftenbergern auf, die während der NS-Zeit aufgrund ihrer jüdischen
Abstammung verfolgt wurden. Vielleicht sollte man einmal jemanden (Cathleen Bürgelt, AG Stolpersteine) darauf hinweisen?
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Das Beste zum Schluß!
Ich liebe solche Überraschungen. Unlängst aufgetaucht und jeden Euro wert, den ich dafür
bezahlt habe. Ich denke man kann es schon am Motiv erkennen, daß wir es nicht mit einer kommerziellen
Produktion zu tun haben. So prominent brachte man auf Ansichtskarten eigentlich zu keiner Zeit eine
Person in Stellung.
Es handelt sich vielmer um eine Fotopostkarte privater Natur. Und auch das ist für die 1930er eher
ungewöhnlich. Der Fotograf verstand zudem sein Handwerk, denn die Aufnahme ist wunderbar klar.
Mit Bewegungsunschärfen bei fahrenden Autos oder sich bewegenden Passanten hatten auch reguläre
Ansichtskartenproduzenten so ihre Schwierigkeiten. Deshalb spielt das Foto auch in derselben Liga.
Mit dem Unterschied, daß wir hier ziemlich sicher von einem Unikat ausgehen können.
Die drei Personen rechts hinter der Hauptfigur sind sich der Fotoaufnahme scheinbar
bewusst, denn sie richten ihren Blick direkt in die Kamera.
Alles in allem eine schöne Momentaufnahme aus dem Senftenberg des Jahres 1931.
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Aufnahme <= 1931 Sammlung Matthias Gleisner
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