Als ich vor ziemlich genau 13 Jahren mit dieser Internet-Seite anfing, hielt ich es für vollkommen ausgeschlossen, daß ich mich mit Bildmaterial beschäftigen würde, das über das
Jahr 1945 hinausgehen würde. 1945 ist nicht nur ein signifikantes Jahr in der Weltgeschichte sondern stellt unter den Ansichtskartensammlern auch eine gewisse Grenze dar. Man separiert
die Produktionen generell in "vor 45" und "nach 45". Da ich mich zum damaligen Zeitpunkt mehr zu den Ansichtskarten-Sammlern denn zu den Heimathistorikern zählte, war für mich klar: ich bin
der "vor 45-Typ". Naja, was soll ich sagen? Erstens kommt es anders. Und zweitens, als man denkt.
Die Entwicklung hat gezeigt, daß ich meine Grenze schrittweise immer weiter in Richtung Gegenwart verschoben habe. Bis zum - ebenso signifikanten - Jahr 1989. Bei dem dann aber wirklich
Schluß ist.
Dadurch liege ich mit der oben versinnbildlichten Rubrik "Sieben-Acht-Vier-Fünf", die sich mit dem Senftenberger Neubaugebiet "See" beschäftigen wird, noch ganz gut im "Betrachtungszeitraum".
In loser Folge werde ich einige historische Ansichten aus diesem Gebiet vorstellen, die sicher bei dem einen oder anderen - ja sogar bei mir selbst! - Erinnerungen wecken werden. Nach dem, was
ich an Material "auf Lager" habe, werde ich mich vorrangig in der zweiten Hälfte der 1970er bewegen. Also einer Zeit, in der das gesamte Quartier vollständig erbaut war. Daß man dabei hier und da
auf den Fotos noch Sandwüsten sehen wird, ist kein Zeichen dafür, daß ich mich im Jahr geirrt hätte. Nein! Es herrschten tatsächlich selbst Jahre nach dem Einzug der Bewohner an manchen Stellen
noch Baustellen-Verhältnisse, die nur sehr langsam überwunden wurden. Gleichzeitig war das natürlich ein idealer Abenteuerspielplatz für die vielen Kinder, die in den neuen Wohnungen lebten.
Ein solches Kind war auch ich, denn meine Eltern zogen mit mir im Sommer 1974 in die Seeadlerstraße 5, wo wir bis November 1980 wohnten. Ich gab mit meiner eigenen Familie dann noch einmal zwischen
1990 und 1997 ein zweites Gastspiel in diesem Quartier, bevor ich 1998 dann endgültig dieser uniformen Wohnweise "Adieu" sagte. Aber das sind ja schon Zeiten, um die es hier überhaupt nicht mehr gehen soll.
Bevor ich hier weiter aushole (wofür später immer noch Gelegenheit besteht) fange ich mal besser mit den Fotos an, die uns alle vier in das Jahr 1978 befördern...
Aufnahme = 1978 Sammlung Uwe Jähnert
Aufnahme = 1978 Sammlung Uwe Jähnert
Was wir auf diesen beiden Fotos sehen, war quasi das "Sahnehäubchen" auf
dem See-Gebiet - das 11-stöckige "Hochhaus", das als allerletztes in das
Areal geklotzt wurde. Vom Baustil her etwas abweichend von den bis dahin
errichteten Blöcken, sowohl äußerlich wie auch in der Wohnungsaufteilung,
empfand ich dieses Haus persönlich immer als einen Fremdkörper in dem bis
dato homogenen Stil.
Tatsächlich war es aber von Anfang an genau so geplant.
Warum ich mir ziemlich sicher bin, daß wir uns im Jahr 1978 befinden?
Die Errichtung besagten Hochhauses kann, nachdem 1975 alles ringsherum fertiggestellt war, erst 1975/76 begonnen worden sein.
Die ersten 43 von 129 Mietparteien zogen am 10. Juni 1976 in das Wohnhaus ein. Außerdem erkennt man bei genauer Betrachtung eine
60 am äußerst linken Fenster der Aula der Schule 7. Und diese "60" gehört zu dem Schriftzug "60 Jahre Roter Oktober". Wir
werden diesen zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in voller Schönheit sehen.
Theoretisch käme dafür auch das Jahr 1977 in Frage aber ich tendiere mittlerweile zu '78. Darüber hinaus habe ich auch nicht den geringsten Zweifel,
daß die beiden Fotos oben bei derselben Gelegenheit geschossen wurden, wie die zwei nachfolgenden...
Aufnahme = 1978 Sammlung Uwe Jähnert
Aufnahme = 1978 Sammlung Uwe Jähnert
... und diese zeigen ein interessantes Detail. Nämlich die finalen Arbeiten an dem
Mosaik des Künstlers Heinz-Karl Kummer (der wurde ja erst kürzlich hier thematisiert),
das im Bereich der Gaststätte "Seeblick" an einer (nur dafür errichteten?) Wand
appliziert wurde.
Zur Hilfe kommt uns das Faksimile aus der "Lausitzer Rundschau" vom Oktober 1977 rechts.
Wir sehen hier die Arbeiten an besagtem Mosaik aus der Nähe und zu einem weit früheren
Zeitpunkt. Offen gestanden, kann ich zwischen der Zeitungsabbildung und den beiden Fotos hinsichtlich des
Mosaiks nicht so wirklich Gemeinsamkeiten finden. Das mag der Perspektive zum einen und Entfernung
zum anderen geschuldet sein.
Meine Theorie ist, daß im Herbst 1977 die Arbeiten an dem Mosaik begonnen und nach der Winterpause
im Frühjar 1978 beendet wurden. Womit meine Foto-Datierung stimmig wäre.
Das Kummer-Mosaik ist übrigens "untergegangen" und ich kenne eigentlich keine vernünftige und vollständige bildliche Wiedergabe
dieses Kunstwerkes. Die in dem LR-Beitrag erwähnte Plastik (besser: Plastiken) hingegen hat die Zeit überdauert und die
einzelnen Bestandteile stehen immer noch mehr oder weniger an ihrem damaligen Aufstellungsort. Gleichzeitig bedeutet das Faksimile
aus der Lausitzer Rundschau (unten), daß alle 4, heute vorgestellten, Fotos vor dem Juni 1978 gemacht worden sein müssen, denn wir sehen
die drei Plastiken darauf nicht.
Lausitzer Rundschau (6. Juni 1978)
Dieses Plastiken-Trio stammt übrigens aus
der Werkstatt des Hoyerswerdaer Bildhauers Jürgen von Woyski (1929-2000). Von
ihm konnte man damals auch noch weitere Arbeiten im Senftenberger Stadtgebiet finden.
Teilweise wurden diese später versetzt oder aber gestohlen.
Naja, wie dem auch sei: ich bin leider (oder Gott sei dank) nicht alt genug,
daß ich den damaligen Aufbau des Wohngebietes Senftenberg-See derart mitverfolgen
konnte, um heute wasserdichte Angaben machen zu können. Ich war, als wir damals
dort einzogen, gerade einmal 7 Jahre alt. Da standen fast alle Blöcke schon und
ehrlich: als Kind hat man dafür ziemlich wenig Interesse.
Insofern bin ich auf die Mithilfe der Senftenberger Bevölkerung angewiesen, die mich
vielleicht mit Bild- oder Filmmaterial sowie kleinen Anekdoten versorgen könnte.
Tatsächlich habe ich auf anderen Kanälen schon meine Netze ausgeworfen, wobei die Sache nach kurzer Euphorie aber auch schon wieder an Schwung verloren hat. Wenigstens
konnte ich dabei schon einmal herausarbeiten, daß wohl der Block in der Greifswalder Straße als erster bezugsfertig war. Und das bereits im Jahr 1971. Ursprünglich
ging ich davon aus, daß der Baufortschritt streng von Ost nach West erfolgte. Doch das stimmt nicht. Die "Stadtmauer" in der Usedomer Straße - also die östlichste
Flanke des Ganzen - konnte beispielsweise erst im Frühjahr 1973 bezogen werden. Da waren die Wohnungen der Stralsunder Straße schon belegt. Alles etwas anarchisch
also.
Diese Angaben werden auch so ein wenig durch den Film rechts gestützt. Gefilmt 1972
hauptsächlich aus einer Wohnung in der Stralsunder Straße heraus, erkennen wir besagte Greifswalder
Straße mit davor parkenden Autos. Neben zwischenzeitlichen Schwenks vom rückwärtigen Balkon, die uns
die südliche Richtung zeigen (Kinderkombination "Hilde Coppi"), filmt der Kameramann über
die Rückfront der Ahlbecker Straße (anscheinend noch nicht ganz fertig) inklusive Kinderkombination "Clara Zetkin"
mit ein wenig Ückeritzer. Dies gelingt ihm nur, weil der südliche Teil der Usedomer Straße, der später die
Sicht versperren würde, zu diesem Zeitpunkt noch nicht steht. Ziemlich am Ende des Films kommt die "Stadtmauer"
ins Bild, die da nur zur Hälfte errichtet war.
Grundsätzlich wäre es wünschenswert, wenn derartige Filmaufnahmen - vorzugsweise in höchster Qualität -
schnellstens mal an irgendeiner Stelle archiviert und für die Nachwelt konserviert werden könnten. Es gibt
auf youtube so manches, das eine solche Behandlung wert wäre. Man wird ja träumen dürfen.