27.07.2025

Wenn ich in der Vorwoche mit den drei relativ "jungen" Fotos bei den Senftenberg-Interessierten punkten konnte, dann kann ich heute vermutlich noch mehr Ehre einfahren. Nämlich durch die Revitalisierung der Rubrik 7845, die ich - Potzblitz! - doch schon mehr als ein halbes Jahr sträflich vernachlässigt habe.

Es ist ja so, daß die große Mehrheit der Senftenberger über irgendeine Art von "Beziehung" zu dem Wohngebiet "Am See" verfügt. Sei es, daß sie selbst dort eine Zeit lang wohnten, dies vielleicht noch immer in den übrig gebliebenen Blöcken tun oder aber Verwandte oder Bekannte besaßen, denen sie einen "Hausbesuch" abstatten konnten. Als "Selbstbewohner" war man bei derartigen Visiten klar im Vorteil... die Wohnungsaufteilung entsprach vielfach der der eigenen Behausung. Man wusste also instinktiv wo sich auf dem Grundriß Klo, Küche, gute Stube usw. befand.
Ich spreche aus eigener Erfahrung, denn ich lebte selbst dort für einige Jahre wenn auch mit einer mehrjährigen Unterbrechung. Doch Kumpels hausten dort in meiner 7845-losen Zeit, so daß der Faden eigentlich nie abriß. Später wohnte meine Oma bis zu ihrem Tod im Jahre 2017 in der Seeadlerstraße. Also ich weiß wovon ich rede.

Während meiner ersten aktive Phase durchquerte ich täglich auf dem Schulweg mit meinem MiFa-Rad zwei Drittel des Areals. Von der Seeadlerstraße bis nach Brieske. Anfang bis Mitte der 1980er Jahre, als die Greifswalder Straße so aussah, wie auf den beiden nachfolgenden Fotos, jedoch schon nicht mehr.

Senftenberg
Aufnahme <= 1985
Archiv der Stadt Senftenberg
Beide Aufnahmen wurden kurz hintereinander angefertigt. Wenn auch von leicht unterschiedlichen Positionen. Nachweisbar ist dies durch den Herrn im weißen Hemd vor der Hausnummer 30, der sich zwischen beiden Fotos nur wenige Meter bewegte. Wobei aber der Fotograf sehr schnell beim Standortwechsel oder aber der Passant sehr langsam unterwegs war. Vielleicht schwatzte letzterer auch zwischenzeitlich mit jemandem? Zum Beispiel der Person am Küchenfenster im 3. Stock.

Egal! Ich habe keinen Zweifel an der zeitlichen Nähe beider Aufnahmen.

Senftenberg
Aufnahme <= 1985
Archiv der Stadt Senftenberg
Die Einordnung in ein Kalenderjahr ist aufgrund fehlender Angaben mehr oder weniger von mir aus der Luft gegriffen. Ich denke jedoch, daß aufgrund der Wuchshöhe der Bäume ein 1984 plausibel erscheint. Hierzu liefere ich weiter unten noch Vergleichsmaterial.

Auf einen vermeintlichen Anachronismus auf der Fotografie rechts oben möchte ich noch hinweisen. Mir sticht dabei das Plakat am rechten Bildrand ins Auge. Es ist nicht vollständig eingefangen und außerdem unscharf. Worum es grundsätzlich geht, lässt sich aber halbwegs rekonstruieren:

BÜRGER
DES WOHNBEZIRKES
Werft Küchenabfälle
nicht in den Müll!
Helft den Speiseplan
zu bereichern!

DANKE
SCHÖN sagt eure

JOLANTHE

Als gelernter DDR-Bürger ist man natürlich sofort im Bilde! Für alle anderen: es geht um den Urtyp der heutigen Bio-Tonne. Die damals "Specki-Tonne" genannten Metallkübel, die an vielen Müllplätzen aufgestellt wurden, waren in meiner Erinnerung extrem widerlich. Im Vergleich zu den heutigen braunen Tonnen, die zwar nach wenigen Tagen ebenfalls ein vitales Innenleben entwickeln, reagierte das Material der DDR-Pendants stark auf den gärigen Inhalt. Die Folge? Schnell waren die Kübel durchgerostet und so suppte die Ladung schön heraus. Die Abfuhr der "Speiseplanbereicherung für Jolanthe" erfolgte zudem auch nicht hochfrequent so daß sich das Ganze als sehr unhygienisch darstellte. Apropos "Jolanthe" und nun komme ich zu meinem Anachronismus... meine Recherchen haben ergeben, daß der Name Jolanthe im Zusammenhang mit dem Einsammeln von Essensresten eher ein Begriff der 1960er war. In den 70ern und gar in den 80ern gehörte "Jolanthe" nicht mehr zum offiziellen Sprachgebrauch.
Ich kenne aus meiner Zeit tatsächlich nur den "Specki" und deshalb verwundert mich diese Aufschrift.
An meiner zeitlichen Bestimmung der beiden Fotografien wackelt trotzdem nichts!

Ich hatte oben versprochen noch Vergleichsmaterial zu präsentieren und das möchte ich nachfolgend tun:

Senftenberg
Aufnahme <= 1978
Archiv der Stadt Senftenberg
Wir sehen wiederum die Greifswalder Straße nun aber die östliche Flanke. Wie man an den winzigen Bäumchen festmachen kann aber zu einem erheblich früheren Zeitpunkt. Mein <= 1978 habe ich wiederum freihändig festgelegt da erneut keine gesicherten Informationen zu der Fotografie existieren. Der Block, dessen Stirnseite wir hier links sehen - die Greifswalder Straße 32 - 38 - wurde im Jahr 1973 fertiggestellt und bezogen. Bemerkenswert hieran finde ich die dokumentierten Schäden an der Fassade. Gerade einmal 5 Jahre nach Errichtung des Hauses. Aber ich denke, jeder, der einmal in so einem Block gewohnt hat, kann die eine oder andere Story über bauliche Unzulänglichkeiten erzählen. Der bauausführende VEB Wohnungsbaukombinat Cottbus musste damals teilweise mit sehr minderwertigen Fertigteilen arbeiten und es wurde so einiges was nicht passte, passend gemacht. Eine Verfahrensweise, die später im Wohngebiet "Süd" eine Fortsetzung erfuhr.
Nachdem ich damals auf meinem täglichen Schulweg die Kreuzung Greifswalder Straße/Hanseatenstraße passiert hatte, konnte ich mich entscheiden: entweder die Usedomer entlang oder doch lieber noch ein Stück die Greifswalder hoch und dann links in die Ahlbecker. Gerade so wie mir war. Die Strecke war absolut identisch, da die Straßen rechtwinklig angeordnet sind. Wenn ich Variante 2 benutzte, dann eröffnete sich mir auf der Hälfte der Ahlbecker Straße dieser Blick hier rechts:

Die weltberühmte Senftenberger "Stadtmauer" und rechts daneben ein Teil des Briesker Grubenkraftwerks. Beide - der über 200 Meter lange Wohnblock und das Kraftwerk - existieren schon seit vielen Jahren nicht mehr. Was die "Stadtmauer" angeht, so ist dieser Block nur einer in einer ganzen Reihe von "Abrißopfern". Vergleicht man die heutigen Gegebenheiten mit einem Luftbild aus dem Jahr 1975 erkennt man, welche Bauten über die letzten Jahre dem Erdboden gleich gemacht wurden.

Die blau eingefärbten Neubaublöcke existieren heute nicht mehr. Genauso wenig wie die ehemalige MINOL-Tankstelle in der Briesker Straße (rot eingefärbt) mit der ich so ein wenig das Thema 7845 verlasse.

Senftenberg
Aufnahme <= 1978
Archiv der Stadt Senftenberg
Jedoch nicht ohne einen letzten Blick auf besagte "Stadtmauer" sowie einen Teil der Ahlbecker Straße zu werfen...

Senftenberg
Aufnahme <= 1978
Archiv der Stadt Senftenberg

Das Foto wurde ohne jeden Zweifel bei derselben Gelegenheit geschossen wie die Aufnahme darüber (man muß nur einmal die geöffneten Fenster vergleichen!). Vorrangiges Ziel des Fotografen war es hier, besagte Tankstelle im Bild festzuhalten.

Das Motiv dürfte vielen bekannt sein. Es tauchte erstmals in der Festschrift zum 700-jährigen Jubiläum Senftenbergs auf. Allein aus diesem Grund kann es nicht nach 1978 gemacht worden sein. Gleichzeitig aber auch frühestens 1975. Was sich aber nur über den Zusammenhang mit dem Foto darüber herleiten lässt, denn dort ist ein Wegweiser zur Gaststätte "Seeblick" auszumachen, den man höchstwahrscheinlich erst nach Inbetriebnahme der Einrichtung (März/April 1975) dort aufstellte. Auf dem 75er Luftbild ist dieser noch nicht zu sehen!

Das Foto tauchte nach 1979 immer mal wieder auf. Unter anderem natürlich auch in einem von Norbert Jurks Heimatbüchern. Das letzte Vorkommen im "Kippensand 2023" kommentiert die Aufnahme innerhalb eines längeren Textes mit Gegenüber der Feuerwache südlich der Briesker Straße wurde Mitte der siebziger Jahre eine Minol-Tankstelle errichtet.. Das "Mitte der siebziger Jahre" ist natürlich großer Quatsch. Tatsächlich begann der Aufbau der Tankstelle bereits im Herbst 1967 und war spätestens Anfang 1968 abgeschlossen. Das einzige was in den 70ern gemacht wurde: die Zuwegung wurde großzügig erweitert. Die "Einflugschneise" wurde auf ca. 100 Meter verlängert. Möglicherweise trug man damit dem zunehmenden Bedarf Rechnung, denn die anstehenden Fahrzeuge hätten sonst die halbe Briesker Straße und den dortigen Durchgangsverkehr blockiert. Auf dem Luftbild oben ist die neue Zuwegung gut erkennbar.

Ein Stillleben von der Warteschlange auf besagter Einflugschneise soll das letzte Stück für heute sein. Zur Abwechslung mal "in bunt". Das Foto entstand im Juni 1979 und der im Bild fehlende Beifahrer des Opel Manta war für die Ausführung verantwortlich. Farbaufnahmen aus dieser Zeit stammen ja sehr häufig von den Verwandten aus dem Westen.
Senftenberg
Aufnahme = 06.1979
Sammlung Andreas Hübner