Blättern Sie bitte noch einmal kurz zurück zur
EINFÜHRUNG:
Am linken Bildrand der rechten Fotografie kann man sehr deutlich den
SCHRIFTZUG >HO Körbchen< erkennen, welcher auf den
1. SELBSTBEDIENUNGSLADEN in SENFTENBERGhinweist, der bei seiner Eröffnung Anfang der 1960-er Jahre von den erstaunten Kunden als „kleine Sensation“ gefeiert wurde.
Bis zu dieser Zeit war das Prinzip der
SELBSTBEDIENUNG in der
BRD nahezu, in der
DDR völlig unbekannt.
SUPERMÄRKTE gab es nicht. Die Idee dazu kam, wie nicht anders zu erwarten, aus den USA,
machte dann in der BRD Furore – und verbreitete sich nach ein paar Anlaufschwierigkeiten auch bei uns verhältnismäßig schnell.
Man betrat das
GESCHÄFT, nahm sich einen
KORB, suchte die
WAREN, die man benötigte, legte sie in denselben, bezahlte schließlich an der
KASSE und verließ den
LADEN wieder. Anfangs ging man mit
EINKAUFSKÖRBEN, später mit
EINKAUFSWAGEN an den mehr oder minder gefüllten
REGALEN entlang, griff nach Lust und Laune zu und bezahlte an der Kasse. Das war schon eine beträchtliche Zeitersparnis.
Vordem war der tägliche
LEBENSMITTELEINKAUF eine sehr umständliche und langwierige Angelegenheit,
da man hierfür
VERSCHIEDENE GESCHÄFTE nacheinander aufsuchen musste:
Fleisch & Wurst erhielt man beim
METZGER, Brot, Brötchen & Kuchen beim
BÄCKER, Milchprodukte beim
MILCHMANN und alles,
was dann noch fehlte, erstand man im klassischen
>TANTE-EMMA-LADEN<.
Da die gewünschten
PRODUKTE für jeden einzelnen Kunden erst geholt, von Hand abgewogen, verpackt und abgerechnet wurden,
bildeten sich zwangsläufig oft lange Warteschlangen.
Der
EINKAUF dauerte dadurch wesentlich länger als heute, dafür war es aber ein
„SOZIALES EREIGNIS“.
Vor allem die weibliche Kundschaft kaufte dort nicht nur ein, sondern hielt auch miteinander ein ausgiebiges Schwätzchen und tauschte Neuigkeiten
mit „Tante Emma“, der jeweiligen Ladenbesitzerin, oder den Nachbarn aus.
Dieser überaus beliebte
>TANTE-EMMA-LADEN< ging aus dem
KOLONIALWAREN-LADEN hervor,
der seinen Namen in einer Zeit bekam, als Kaffee, Tee oder Gewürze, die bei uns nicht heimisch waren,
sondern per Schiff aus den ehemaligen Kolonien beschafft wurden, eben noch >Kolonialwaren<hießen.
Das damalige Warenangebot dieses
LADENS war daher zwar ziemlich exotisch, dafür aber auch sehr überschaubar.
Bereits hier wurde schon per Hand abgewogen & abgerechnet, und da die Händler ihre Kunden meist persönlich kannten,
konnte, wer mal knapp bei Kasse war, auch „anschreiben lassen“.
Doch zurück zum
>KÖRBCHEN<:
Der
SELBSTBEDIENUNGSLADEN in der Thälmannstraße, in dessen ehemaligem
VERKAUFSRAUM sich heute die gastliche Stätte
>IRISH PUB< befindet, wurde um 1961/62 eingeweiht, gefolgt vom SB-Laden in der Bahnhofstraße (vor einstmals Musik-Hirsch) und schließlich von den ersten
>KAUFHALLEN<, des
HO in der B.-Brecht-Straße und des
KONSUM in der W.-Pieck-Straße, der berühmten „Kathrin“,
die nach ihrem rührigen Chef auch „Stumpf-Kaufhalle“ genannt wurde.
Die neue Entwicklung würdigte die „Lausitzer Rundschau“ am 15.10.1966 mit folgender Mitteilung:
„Komplexe sozialistische Rationalisierung wird auch im Handel großgeschrieben. NEUE VERKAUFSFORMEN, so die SELBSTBEDIENUNG, sind für den Kunden von Vorteil und helfen die Produktivität in den VERKAUFSSTELLEN erhöhen.“ Natürlich erkannten die Betreiber der ersten Selbstbedienungsläden durchaus die Gefahr, dass manche Kunden mit ihren Einkäufen nicht zur Kasse gehen, sondern klammheimlich durch den Eingang verschwinden könnten. Daher wurden gelegentlich auch Drehkreuze installiert, die sich nur in eine Richtung bewegten. In manchen Geschäften gibt es sie bis heute. Meist wurde aber nur der Durchgang an der Kasse verengt, sodass keine zweite Person ungehindert vorbeischlüpfen konnte.
Dass auch das
>KÖRBCHEN< von „schwarzen Schafen“ heimgesucht wurde, beweist die folgende Meldung aus der „Lausitzer Rundschau“ vom 20.12.1963:
„Vor der Strafkammer des Kreisgerichts Senftenberg hatte sich in diesem Jahr zum zweiten Mal die Bürgerin XY (hier war damals der vollständige Name & Adresse veröffentlicht !), aus Senftenberg, wegen Diebstahls von sozialistischem Eigentum zu verantworten.
Die Beschuldigte suchte den HO-Selbstbedienungsladen >KÖRBCHEN< in Senftenberg auf. Dort entwendete sie ein Päckchen Mehl und einen Beutel Reis und meinte, bei dieser Handlung unbeobachtet zu sein. Sie wurde jedoch bemerkt und einer Kontrolle unterzogen.
Die Bürgerin XY mußte sich bereits einmal wegen einer gleichen Handlung im Mai 1963 vor der Strafkammer verantworten. Damals wurde sie mit einem öffentlichen Tadel und einer Geldstrafe zur Verantwortung gezogen. Auf Grund der erneuten Handlung erfolgte nunmehr ihre Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe sowie einer Geldstrafe.
Die Handlung der Bürgerin XY geschah keinesfalls aus Not.
Sie hat neben einer monatlichen Rente durch Nebenbeschäftigung zusätzliche Einnahmen und ein Sparkonto von über 10000 DM. Die Handlung wurde von ihr durchgeführt aus reiner Raffgier und rücksichtsloser Einstellung gegenüber dem sozialistischen Eigentum.“
Im gleichen Artikel wurden die
vollständigen Namen & Adressen von 4 weiteren Frauen aus Senftenberg, Lauchhammer-Mitte und Kroppen veröffentlicht, die ein Päckchen Bohnenkaffee, im Kaufhaus Waren im Werte von 15,85 DM, in je einer Vkst. im Wert von 5,40 DM bzw. 12 DM
mitgehen ließen, ohne sie zu bezahlen…
Tja, damals herrschten noch ganz schön
HARTE SITTEN !Da mag man gar nicht an die großen Verluste aus Diebstahlshandlungen denken, die das
KAUFLAND in Senftenberg täglich einfährt…
...und gleich gar nicht an den
DATENSCHUTZ VON HEUTE ! 