Ohne Karten- Ohne Navi- Ohne GPS

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Christian neu in SFB
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Ohne Karten- Ohne Navi- Ohne GPS

Beitragvon Christian neu in SFB » Di 24. Sep 2024, 16:45

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Karthografie, oder OhneKarten- OhneNavi- OhneGPS

Aufsatz von Prof. Dr. Felix Biermann und Prof. Dr. Ralf Gebuhr, beide Wissenschaftler sind herausragende Lausitzexperten.

Wolfgang Schäffner entwickelte die These, dass sich seit dem späten 15. Jahrhundert mediale Praktiken ausweiteten,
die „über die Herausbildung von Navigation, Kartographie und Kriegstechnologien“ zur wesentlichen Grundlage der „Konstitution der
europäischen Staaten und ihrer Machtsphären“ wurden. Diagramme der Macht. Festungsbau im 16. und 17. Jahrhundert

Ein neuer Aufgabenbereich lag in den Händen jener Ingenieuroffiziere, auf die häufig auch die Planung von Schanzanlagen zurückging,
in der Regel auch die Erstellung moderner Karten. Einst war es ein „neues Medium“. Über einen langen Zeitraum hin konnte lediglich
eine messtechnisch gebildete Elite innerhalb des Militärs diese Fertigkeiten akkumulierte.

Aus geometrischen Richtmethoden für Büchsen sowie zur Landschaftsaufnahme, die mit Hilfe von Winkelquadranten betrieben wurden,
entwickelte man seit dem 16. Jahrhundert trigonometrische Verfahren, die sich im 19. Jahrhundert in der modernen Kartographie durchsetzten
[Entwicklungstendenzen der Kartographie vom 16. bis zum 19. Jahrhundert“ in: Wolfgang Scharfe]

Ein großer Teil der geometrischen Diskussion im 17. und 18. Jahrhundert geht von militärischen Problemstellungen der Artillerieanwendung und Geländeaufnahme aus- welch Wunder.

Vorreiter bei Kartierungen größeren Umfangs waren Sachsen und Württemberg,


Zustand um 1800:

„So ist der Umstand, dass nur wenige selbst unter den Generalen im Besitz von Karten gewesen waren, manchen Truppen verhängnisvoll geworden.

Beispiele: Der mit seiner Eskadron als Artilleriebedeckung kommandierte L[eutnant] v. Bredow vom Leib-Kürassier-Regiment sagte aus,
dass ihm auf dem Rückzuge der Generaladjutant des Königs, O[berst] v. Kleist, nicht habe sagen können, in welcher Richtung Weimar läge;

Ebenso meldete G[eneral] M[ajor] v. Oswald, daß das Füsilier-Batallion Kloch durch einen Boten falsch geführt worden sei,

G[eneral] d. K[avallerie] Graf Kalkreuth hatte sich einen Bauern aus Auerstedt als Führer mieten müssen.

Am sonderbarsten aber klingt der Bericht des O[bersten] Prinzen von Hessen-Homburg, daß sein Regiment (von Wedell) den Weg nach Erfurt,
wo es durch die Kapitulation in Gefangenschaft geriet, nur darum einschlug, weil dieser der einzige bekannte war;
nach Sömmerda hätte sich durchaus kein Bote finden lassen.

Als der K[apitän] v. Rochow vom Dragoner-Regiment Wobeser kurz vor der Kapitulation von Prenzlau Befehl erhielt,
die Brücke bei Seehausen zu zerstören, konnte ihm niemand, selbst kein General, sagen wo Seehausen läge.“ [Scharfe, Karthografie]

So lobt etwa der Major von der Marwitz mit „Blick auf die Karte“ die „[...] guten Dispositionen des Generals von Holtzendorf,
die er gemacht haben muß, da sein Corps nicht vernichtet worden ist.“

Hätte sich die eigene Truppe in der Jenaer Schlacht an die gut aufgestellte Abteilung v. Holtzendorfs gehalten,
wäre man „glücklicher im Angriff“ und „weniger unglücklich auf der Retraite“ gewesen.

Bemerkenswert ist auch der Bericht des Befehlshabers eines Armeekorps, General v. Rüchel, daß ihn eine in die Brust geschossene Kugel darum nicht tötete,
weil der Schuß unter anderem von einer Karte abgeschwächt wurde, die er „nach seiner Gewohnheit“ in der Brusttasche trug. 1806.


Das Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse,

„Die Generäle von Bülow und von Borstell standen dem Feinde entgegen und leiteten die Operationen in der Lausitz.

Ich besaß zwei Blätter einer handschriftlichen Spezialaufnahme eines großen Teils der Lausitz in bedeutendem Maßstabe,
und wenn man weiß, wie sehr eine gute Karte alle Dispositionen eines Feldzuges erleichtert, so wird man begreifen,
dass diese Blätter damals keinen geringen Wert hatten.

Ich sprach mit dem Geheimrat Engelhardt darüber, und dieser bat mich, ihn eine Kopie nehmen zu lassen, die eiligst angefertigt
und wahrscheinlich den kommandierenden Generalen zugeschickt worden ist; ob sie aber in ihre Hände kam, weiß ich nicht. [...]

„Das aber ist gewiß, daß die Armee mit dem notwendigen geographischen Materiale sehr kärglich ausgerüstet war.“

Wir haben erst später erfahren, daß General von Bülow in der Lausitz nicht einmal im Besitze der einzigen brauchbaren Karte von Sachsen, der Petrischen, war
und sich mit dem Nachstiche helfen mußte, der sich in dem topographisch-militärischen Atlas des geographischen Instituts zu Weimar befand,
obgleich die Petrische Karte in der Schroppschen Handlung in Berlin käuflich zu haben war. [...]


Ist man, wie ich, Zeuge gewesen, welche großen Summen die französischen Heerführer einzig und allein
in der Schroppschen Handlung für Karten ausgegeben und wie sie namentlich die große Karte von Rußland in 204 Blättern
und andere brauchbare Karten mit wahren Kapitalien bezahlten, so ist jene Ersparnis kaum zu begreifen.“ [Ebd]

Auch die französische Armee hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch erhebliche Schwächen bei der Beschaffung
und den Nutzungsmöglichkeiten von eigenen Karten.

„Klöden berichtet an anderer Stelle“, dass Teile des Kartenwerkes über Rußland mit großem Aufwand kopiert wurden,
als Napoleon mit der Vorbereitung seines Feldzuges nach Rußland begann, – sie konnten jedoch erst nach dem katastrophalen Ende der „Großen Armee“
fertiggestellt werden.

Bemerkenswert erscheint vor allem der Umstand, dass auch Napoleon die für einen entscheidenden Feldzug wesentlichen Karten
über den normalen Handel zu beziehen gezwungen war, ohne dass auch nur die Versorgung aller führenden Generale sichergestellt werden konnte.

„Das Kartengeschäft war jetzt über alle Maßen lebhaft und namentlich der Begehr nach Karten von Rußland kaum zu befriedigen.

Alle Exemplare der Podrobnajakarte wurden trotz ihres sehr hohen Preises aus allen Winkeln zusammengesucht
und mit wahrem Heißhunger gekauft. Ebd., S. 348f

Hierzu ist auch der Umstand bemerkenswert, daß Goethe in seinem Roman „Die Wahlverwandtschaften“
einen Vermessungsoffizier die planerische Ordnung der weiträumigen Parkanlage besorgen läßt.
Ein historisches Vorbild für die Romanfigur war offenbar Karl Freiherr von Müffling (1775–1851), der im Rang eines Hauptmanns
nach der Preußischen Kapitulation von 1806 als Ingenieuroffizier vorübergehend in Diensten Sachsen-Weimars stand
und später weiterhin für Preußen als Kartograph, Militär und Politiker eine bedeutende Rolle spielte,
bevor er 1847 als Generalfeldmarschall in den Ruhestand ging.

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