Senftenberger Anekdoten und Notizen
(Quelle: "Chronik 750 Jahre Senftenberg im Jahr 2029",
aus Ratsaufzeichnungen, später Zeitungsartikeln]
mal zum Schmunzeln, mal ernst
Um 900
Anekdote: „Der Hüter des Walls“ — Lausitz, um das Jahr 900
Der Nebel kroch wie lautlose Geisterschleier über das sumpfige Land. Das Schilf rauschte leise im Wind, als Jarek auf den hölzernen Wall stieg. Er war einer der Wachen, die die neu errichtete Burgschanze im Laugk bewachten — ein mächtiger Ringwall aus Erde und Holz, umgeben von Morast, der selbst erfahrenen Kriegern den Zugang erschwerte.
„Wenn die Deutschen wieder kommen, werden sie es nicht leicht haben“, murmelte Jarek und ließ den Blick über das stille Land gleiten. Unter ihm, in der Mitte der Anlage, kauerten einfache Grubenhäuser mit rauchenden Herdstellen. Die Menschen lebten nicht dauerhaft hier, doch heute waren sie alle gekommen. Die Kunde war vorausgeeilt: Fremde Reiter hatten das Grenzgebiet durchquert.
Jarek erinnerte sich an die Erzählungen seines Großvaters — von Blut und Feuer, von fliehenden Familien und brennenden Höfen. Der Wall war kein Ort des Wohlstands, sondern ein Bollwerk gegen das Vergessen. Jeder Stamm hatte seine Fluchtburgen gebaut, manche wurden nie gebraucht, andere zum Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen.
Plötzlich erklang ein Hornstoß. Jarek sprang vom Wall, das Herz wie ein Trommelschlag in der Brust. Doch statt Feinden kam ein Bote, erschöpft und mit schmutzverkrustetem Gesicht. „Heinrich ist in der Gegend“, keuchte er. „Und Gero auch. Sie ziehen durch das Land.“
Der Älteste trat aus der Versammlungshütte, die Stirn in Falten gelegt. „Dann ist unsere Zeit gekommen“, sagte er ruhig. „Was gestern Sumpf war, wird morgen Geschichte sein.“
Jarek wusste, dass sie kämpfen würden – nicht nur um ihr Land, sondern um ihre Art zu leben. Und der Wall würde Zeugnis ablegen, lange nachdem ihre Namen vergessen waren.
1410
König Wenzel (Beiname „Der Faule“) wurde mehrmals während seiner Regierung von seinen Gegnern gefangen genommen. „Die „Schlaffheit“ brachte Wenzel, auch diesmal um den Besitz der Kaiserkrone.
1416
Der Kern des Senftenberger Weinbaugebietes befand sich nördlich und westlich der Stadt an den Abhängen der Raunoer Hochfläche. Auf einer Strecke von 12 km zog sich ein nahezu ununterbrochenes Band von Weinbergen auf den Gemarkungen der Orte Sedlitz, Rauno, Reppist, Senftenberg, Sauo, Meuro & Hörlitz hin. Es gab auch Weinberge an den Südhängen des Koschenberges, deren 5 Hektar sogar noch 1902 in Ertrag standen. [Weinberge Raunoer Höhe W. Kurz 1975]
1420
Hosena: Nach handschriftlichen Notizen des ehemaligen Hosenaer Ortschronisten Horst Richter sei Hosena im Jahr 1420 urkundlich erwähnt worden (siehe 1401). Hier wird der Ort Hosena als Gosde aufgeführt.
noch 1423
Erste, verbürgte Wahl, eines Bürgermeisters von Senftenberg: „Wir Bürgermeister und Rathsleute zu Senftenberg“. Mit diesen Worten wurde zum ersten Mal eine Urkunde vom 9. November 1423 unterzeichnet.
1431
Der sogenannte Wolfsgarten im Laugk war, laut Paulitz, ein Ort, an dem Wölfe gehalten wurden zur Bewachung der Burganlage.
1455
Peickwitz. Erste Erwähnung 1455
Eine Gründungslegende besagt, dass das Dorf ursprünglich an anderer Stelle angelegt wurde und das Kikeriki eines Hahns die Bewohner zur heutigen Ortslage lockte. Das Dorf war ein Straßenangerdorf und wurde mehrheitlich von Sorben bewohnt
noch 1474
Anekdote: Grenzstreit zwischen Weinbergbesitzern
Kontext: In der Ratsliste von 1474 werden 97 Bürger Senftenbergs aufgeführt, von denen 18 Weinberge besaßen
Zwei Bürger stritten über die genaue Grenzlinie ihrer Weinberge am Südhang des Koschenbergs.
Der Streit eskalierte, als einer der Besitzer eine neue Rebe „über die Grenzmark hinaus“ pflanzte.
Gerichtliche Regelung:
• Der Rat ließ die Grenzmarken durch den Stadtschreiber und zwei Zeugen überprüfen.
• Die Grenzlinie wurde anhand eines alten Kaufbriefs und der Flurkarte rekonstruiert.
• Urteil: Die Rebe musste entfernt werden, und der Kläger erhielt eine Entschädigung in Form von zwei Maß Wein. [Ratsarchiv, Archiv Potsdam]
1478
Anekdote: Überbau eines Speicherhauses über die Straßenfluchtlinie
Ein wohlhabender Kaufmann ließ sein neu errichtetes Speicherhaus bis knapp an die Gasse heranbauen, ohne den erforderlichen Abstand zur offiziellen Fluchtlinie einzuhalten. Die Straßenfluchtlinie war in einer Ratsverordnung von 1423 verbindlich festgelegt worden, um Feuer¬kette und Verkehrsraum zu sichern.
Das Stadtgericht reagierte auf eine Anzeige des Zunftrats und bestellte den Eigentümer vor. Nach Einholung eines Ratsgutachtens und Befragung zweier städtischer Ingenieure bestätigte man das Über¬schreiten um nahezu einen Schritt (etwa 75 cm). Das Urteil sah den vollständigen Abriss dieses Überstands binnen 14 Tagen vor.
Darüber hinaus wurde eine Schöffen¬gebühr von 2 Groschen fällig, um die Kosten für Gutachten und Gerichtstag abzudecken. Bei Nichtbefolgung drohte Vollstreckung durch Stadtbüttel und Zusatzstrafe aus der Geldkasse des Raths. [Paulitzchronik].
1488
Anekdote: Der „Senftenberger Lindwurm“
• Im 15. Jahrhundert kursierte die Legende eines Lindwurms, der angeblich in den Sümpfen nahe der Elster hauste.
• Ein Schäfer behauptete, er habe das Wesen gesehen – halb Schlange, halb Vogel.
• Die Stadt ließ daraufhin eine „Lindwurmwache“ einrichten, die nachts mit Laternen patrouillierte. Natürlich wurde nie etwas gefunden – aber die Geschichte hielt sich bis ins 18. Jahrhundert.
1490
Anekdote: Nichtgenehmigter Maueranbau am Wehrgraben
Ein Handwerker goss eine feste Ziegelmauer direkt an den äußeren Wehrgraben, um seinen Keller zu erweitern und Schutz vor Hochwasser zu gewinnen. Er hatte dabei die Erlaubnis des Burggrafen nicht eingeholt, obwohl dieser für bauliche Maßnahmen im Mauerring zuständig war.
Der Fall landete vor dem gesamten Stadtrat, der sowohl den Rat als auch den Burggrafen versammelte. Man ordnete einen Rückbau der Mauer an und befahl die Entfernung des aufgehäuften Erdreichs im Grabenbereich. Zusätzlich wurde ein Bußgeld von 1 Gulden fällig.
Dieses Urteil diente als Präzedenzfall für spätere Vorschriften, die Bauherren verpflichteten, vor jeder Veränderung der Verteidigungsanlagen eine Genehmigung einzuholen und die Stadtkasse an Baukosten zu beteiligen.
1492
Anekdote: Streit um einen Grenzstein zwischen Großkoschen und Senftenberg
Konflikt: Ein Bauer aus Großkoschen versetzte einen Grenzstein, um sein Feld zu vergrößern. Verfahren:
• Der Rat von Senftenberg ließ den Stein durch den Stadtschreiber und zwei „alte Männer“ aus dem Dorf prüfen.
• Die Zeugen erinnerten sich an die ursprüngliche Lage anhand eines alten Flurbriefs.
Urteil:
• Der Stein musste zurückgesetzt werden.
• Der Bauer wurde zu einer Buße von 1 Gulden und einem Fass Bier für den Rat verurteilt. [Paulitzchronik].
1500
Anekdote: Grenzstreit zwischen Mühlenbesitzern
Konflikt: Zwei Mühlenbesitzer stritten sich um die Nutzung des Wasserlaufs der Schwarzen Elster, der beide Mühlen speiste. Streitpunkte:
• Wer durfte zu welchen Zeiten das Wehr öffnen?
• Wessen Mühlrad hatte Vorrang bei niedrigem Wasserstand?
• Gab es ein „Mahlrecht“ nach Wochentagen?
Gerichtsverhandlung:
• Der Stadtrichter ließ beide Parteien ihre Besitzurkunden vorlegen.
• Zeugen aus der Nachbarschaft bestätigten, dass einer der Mühlenbesitzer das Wehr mehrfach „unerlaubt geöffnet“ habe.
• Das Urteil: Eine zeitlich geteilte Nutzung wurde angeordnet – jeweils im Wechsel von Sonnenaufgang bis Mittag und von Mittag bis Sonnenuntergang.
Quelle: Paulitz-Chronik, Band II, Abschnitt „Wasserrechte und Mühlenordnung“, Seite ca. 684–690
1538
Anekdote: Der Georgiritt – Hufschmiede auf Pilgerreise
• Der Georgiritt zur St.-Georgs-Kapelle war ursprünglich ein Ritt der Hufschmiede, die ihren Handwerkspatron ehrten.
• Heute ist es ein kirchliches Frühlingsritual, das viele Gläubige anzieht [Paulitzchronik].
noch 1555
Anekdote: Erbschaftsstreit um ein Vorwerk in Brieske
Kontext: Ein Vorwerk in Brieske war nach dem Tod des Besitzers umstritten. Streitparteien:
• Die Witwe beanspruchte das Vorwerk als Teil ihres Leibgedings.
• Der Schwager des Verstorbenen legte ein Testament vor, das ihm das Vorwerk zusprach.
Verfahren:
• Das Stadtgericht Senftenberg ließ das Testament durch den Stadtschreiber prüfen.
• Zwei Zeugen bestätigten, dass der Verstorbene „im Beisein des Pfarrers“ das Testament diktiert habe.
• Die Witwe konnte keine schriftliche Vereinbarung vorlegen.
Urteil:
• Das Testament wurde anerkannt.
• Die Witwe erhielt jedoch ein Nutzungsrecht für drei Jahre, um sich neu zu versorgen. [Paulitzchronik].
noch 1566
Anekdote: „Der Wasserlauf als Grenze“
Ein Streit entbrannte, weil ein Bachlauf sich durch Hochwasser verschoben hatte. Beide Parteien beanspruchten das fruchtbare Uferland. Das Gericht entschied zugunsten der ursprünglichen Grenzlinie, gestützt auf alte Urkunden.[Paulitzchronik].
noch 1573
Anekdote: Erbschaftsregelung mit Zeugenverhör
Fall: Nach dem Tod des Bürgers Hans W. wurde behauptet, er habe mündlich ein Testament zugunsten seiner Enkelin abgegeben – allerdings ohne schriftliche Fixierung. Verfahren:
• Drei Zeugen wurden vor das Stadtgericht geladen.
• Sie sagten aus, Hans habe „bei klarem Verstand“ auf dem Sterbebett seinen letzten Willen geäußert.
• Der Stadtschreiber notierte die Aussagen und verglich sie mit früheren Besitzverhältnissen.
Urteil:
• Das Gericht erkannte das mündliche Testament unter Vorbehalt an, da die Zeugen übereinstimmend und glaubwürdig waren.
• Die Enkelin erhielt das Haus, jedoch musste sie eine Abgabe an die übrigen Erben leisten.
Besonderheit: Dies ist ein früher Fall eines sogenannten „Drei-Zeugen-Testaments“, wie es später im BGB (§2250) geregelt wurde [Paulitzchronik].
1582
Anekdote: Erbschaftsstreit um ein Haus am Markt (ca. 1582)
Konflikt: Nach dem Tod des Bürgers Michel T. beanspruchten sowohl seine Tochter als auch sein Bruder das Haus am Markt. Verfahren:
• Die Tochter legte ein Testament vor, das jedoch nicht vom Stadtschreiber beglaubigt war.
• Der Bruder berief sich auf das Erbrecht nach sächsischem Landrecht.
Gerichtliche Entscheidung:
• Das Gericht ließ zwei Nachbarn als Zeugen aussagen, die bestätigten, dass Michel T. das Testament „bei klarem Verstand“ diktiert habe.
• Urteil: Das Testament wurde anerkannt, aber der Bruder erhielt ein Wohnrecht im Obergeschoss bis zu seinem Lebensende.
1641
Anekdote: Stadtmauer
• Eine Legende erzählt, dass ein wandernder Maurertrupp aus Böhmen half, die Stadtmauer zu flicken – gegen Brot und Bier.
1669
Anekdote: Fischzug mit Glockenläuten
• Ein Brauch aus dem 17. Jahrhundert: Beim Fischzug in der Elster wurde die Stadtglocke geläutet, um die Bürger zum Helfen zu rufen.
• Wer nicht kam, musste eine „Fischbuße“ zahlen – entweder ein Karpfen oder ein Maß Bier.
• Quelle: Erwähnt in der Stadtchronik und im Museum Schloss Senftenberg [museumsendecker.de]
1670
Anekdote: Koboldschmiede
In Senftenberg kursiert die Sage von einer sogenannten „Koboldschmiede“, die einst in der Stadt existiert haben soll. Sie erhielt ihren Namen vermutlich wegen des Gedankens, dass tückische Kobolde hier heimlich in der Nacht schmiedeten – literarisch überliefert in regionalen Textsammlungen zur Lausitzer Folklore [literaturport.de].
1683
Anekdote: Der „Hexenprozess von 1683“
• In Senftenberg wurde eine Frau namens Margaretha K. beschuldigt, durch „Blick und Atem“ Kühe krank gemacht zu haben.
• Der Prozess dauerte nur drei Tage, da der Stadtrichter sich weigerte, Folter anzuwenden – was damals unüblich war.
• Margaretha wurde freigesprochen, aber verließ die Stadt freiwillig. Ihr Haus wurde später als „verflucht“ bezeichnet und blieb jahrzehntelang unbewohnt.
1732
Anekdote: Der Salzkrieg von 1732
• Senftenberg lag an einer Handelsroute für Salz aus Halle.
• 1732 versuchten Händler aus Hoyerswerda, Zollstationen zu umgehen, indem sie nachts durch die Sümpfe fuhren.
• Ein Fuhrmann versank mit seinem Wagen – und das Salz wurde später als „verflucht“ bezeichnet, weil es angeblich Krankheiten auslöste.
1745
Anekdote: verbotene Schwarzfärbung
• Die beiden Schwarzfärber im zweiten Viertel hatten einen Streit mit dem Amtshaus: Sie färbten heimlich Uniformstoffe für preußische Soldaten – ohne kurfürstliche Genehmigung. Als man sie erwischte, behaupteten sie, es sei „nur für Theaterkostüme“. Die Strafe: Drei Wochen Zwangsarbeit – beim Färben von Kirchenfahnen [Quelle: Amtsprotokolle Senftenberg, Fall Nr. 38/1745].
• • Eine Schwarzfärberei in Senftenberg war berüchtigt für ihre „Geheimrezepte“ – angeblich wurde Eisenoxid mit Urin vermischt, um besonders tiefes Schwarz zu erzeugen.
• • Die Färber galten als „Alchemisten“ der Stadt und wurden teils misstrauisch beäugt.
1757
Anekdote: Der Schäferstreit von 1757
In einer Karte des „Amtes Senftenberg“ von 1757 ist ein kurioser Streit dokumentiert:
• Zwei Schäfer beanspruchten denselben Weidegrund.
• Der Streit eskalierte so sehr, dass der Amtsrichter eine „Weideordnung mit Glockenzeichen“ einführte – wer zuerst läutete, durfte treiben.
1761
Anekdote: Der Hühnerkrieg von 1761
• Zwei Nachbarn stritten sich über freilaufende Hühner, die regelmäßig den Garten des anderen verwüsteten.
• Der Streit eskalierte so sehr, dass der Stadtrat eine „Hühnerordnung“ erließ: maximal 5 Hühner pro Haushalt, mit Leinenpflicht.
• Die Ordnung wurde erst 1802 aufgehoben – und gilt als eine der kuriosesten Verordnungen der Stadtgeschichte.
Anekdote: Das Schwein im Rathaus
• Ein Bauer brachte sein Hausschwein zum Markt – das Tier lief ins Rathaus und verursachte dort ein Chaos, indem es in den Sitzungssaal gelangte.
• Der Vorfall wurde in den Ratsprotokollen als „ungewöhnliche Störung“ vermerkt.
• Seitdem galt der Spruch: „Wenn’s im Rathaus grunzt, wird’s teuer.“
1764
Anekdote: Die Elster als Retterin
• Ein Brand drohte die Häuser am Fischergässlein zu verschlingen. Doch just in dieser Nacht trat die Schwarze Elster über die Ufer. Das Hochwasser schwemmte die Flammen fort, bevor sie die Brücke erreichten. Die Fischer dankten dem Fluss mit einem Kranz aus Schilf – und einem Fass Bier, das sie ihm symbolisch übergaben [ca. 1764 Quelle: Annales Senftenbergenses, Ergänzungsnotiz eines Fischers (1765)].
• Kommentar: Die Geschichte verdeutlicht die enge Beziehung der Senftenberger zur Elster – als Lebensader, aber auch als unberechenbare Naturgewalt. Sie zeigt, wie Naturereignisse manchmal zum unerwarteten Retter werden.
1783
Anekdote: Der Hühnerprozess
• Ein Bürger verklagte seinen Nachbarn, weil dessen Hühner regelmäßig auf dem Kirchhof scharrten und angeblich „die Ruhe der Toten störten“.
• Der Fall ging bis vor das Königliche Konsistorium in Dresden, das entschied: „Hühner sind keine Sünder, doch ihre Halter sollen Buße tun.“
• Quelle: Paulitz erwähnt mehrere kuriose Nachbarschaftsstreitigkeiten dieser Art
• Die Geschichte ist wohl eine satirische Überformung echter Konflikte.
1788
Anekdote: Glocken von Buchwalde
• Eines Nachts blies der Nachtwächter viermal ins Horn – Feuer in Buchwalde! Die Glocken dröhnten, Bürger rannten. Doch es war nur ein Hochzeitsfeuerwerk. Der Bräutigam musste sich öffentlich entschuldigen – und dem Nachtwächter ein neues Horn spendieren. Seitdem wurde bei Hochzeiten in Buchwalde nur noch mit Trommeln gefeiert [Quelle: Gemeindeblatt Senftenberg, Sonderausgabe zur Hochzeit von Familie M.].
1790
Anekdote: Der verschwundene Nachtwächter
• In einer stürmischen Oktobernacht blieb das Horn des zweiten Nachtwächters stumm. Kein dreifacher Ton, kein Glockenschlag. Die Bürger wachten auf – nicht wegen Feuer, sondern wegen der Stille. Am Morgen fand man den Nachtwächter schlafend im Beichtstuhl der Kirche, den Mantel über die Augen gezogen. Seitdem hieß es: „Wer die Glocke nicht schlägt, schläft mit dem Teufel.“ [Quelle: Stadtarchiv Senftenberg, mündliche Überlieferung aus dem Kirchenbuch (1791)].
• Kommentar: Diese Anekdote zeigt, wie wichtig die Nachtwächter für die Sicherheit der Stadt waren – und wie sehr ihr Versagen die Gemeinschaft beunruhigte. Sie erinnert an die menschliche Seite städtischer Ordnung im 18. Jahrhundert.
1822
Anekdote: Blitzableiter Senftenberg
• Als der Apotheker Friedrich Lenz einen metallenen Stab auf sein Dach setzte, lachten die Leute: „Will er den Himmel anzapfen?“ Doch als ein Gewitter kam und der Blitz in den Stab fuhr, blieb sein Haus unversehrt. Seitdem hieß der Blitzableiter in Senftenberg nur noch „der himmlische Wächter“ [Quelle: Apothekerbuch Friedrich Lenz, Eintrag vom 12. Juli 1822].
1833
Anekdote: Die große Überschwemmung von Rauno
Das Dorf Rauno, heute ein Teil der Senftenberger Geschichte, wurde 1833 von einer Flutkatastrophe heimgesucht.
• Nur die Dächer ragten aus dem Wasser.
• Vieh musste auf Anhöhen getrieben werden.
• Der Hausrat schwamm durch die Stuben
Rauno wurde 1926 dem Braunkohlenbergbau geopfert. Lehrer Hermann Glienke schrieb eine bewegende Chronik über das Dorf, das inmitten von Kippen verschwand [Archiv Potsdam]
1871
Anekdote: Der Mantel des Grubeninspektors
• Der erste Grubeninspektor der Grube Marga, Herr von Witzleben, trug stets einen langen schwarzen Mantel, selbst im Sommer.
• Es hieß, er habe darin geheime Karten und Verträge versteckt – und einmal sogar einen Branntweinflakon, den er bei Verhandlungen zückte.
• Nach seinem Tod wurde der Mantel im Museum ausgestellt – mit einem versteckten Innenfach, das tatsächlich eine Mini-Karte enthielt.
1882
Straßenbeleuchtung mit Petroleum – 1882
• Der Magistrat beschloss, die Hauptstraßen mit Petroleumlaternen auszustatten.
• Die Verordnung enthielt genaue Zeiten für das Anzünden und Löschen der Laternen – bei Vollmond durfte gespart werden.
1887
Anekdote: Die Grubenarbeiter und die „verlorene Schicht“
In der Grube Marga kam es einmal zu einem kuriosen Vorfall:
• Eine komplette Schicht von Bergleuten war nicht auffindbar – sie hatten sich im Stollen verirrt.
• Erst nach 14 Stunden wurden sie durch Klopfsignale entdeckt – sie hatten sich in einem alten, nicht kartierten Seitenstollen verschanzt.
1891
Anekdote: Verbot des „übermäßigen Glockenläutens“
Bekanntmachung von 1891
• Kirchen und Schulen wurden angewiesen, das Läuten auf „höchstens fünf Minuten“ zu begrenzen, da sich Arbeiter über Schlafstörungen beklagten.
1898
Anekdote: Der verschwundene Bergmann „Kohle-Karl“
• Karl M., genannt „Kohle-Karl“, war ein berüchtigter Bergmann, der 1898 angeblich mit einem Sack voller Kohleproben nach Berlin reiste – um sie dem Kaiser zu zeigen.
• Er kehrte nie zurück. Erst 1912 fand man in einem Antiquariat in Leipzig eine Postkarte von ihm, auf der stand: „Ich bleibe, wo man mich versteht.“
• Niemand weiß bis heute, was wirklich geschah.
1898
Die „Stollenliebe“ – 1898
• Eine junge Frau aus Brieske verliebte sich in einen Bergmann, der ihr täglich Briketts in Herzform schenkte.
• Als sie ihn verließ, klagte er auf Rückgabe der Briketts – das Gericht lehnte ab mit der Begründung: „Zuneigung ist kein Sachwert.“
1899
Anekdote: Grundsteinlegung der Volksschule I
• Bei der Grundsteinlegung wurde eine Kartusche mit Denkschrift, Ansichtskarten und Stadtstatut versenkt – sie ist bis heute verschollen
1903
Anekdote: Die Rattenrettung von 1903
• Bei einem Wassereinbruch in einem Seitenstollen rettete ein Bergmann nicht seine Ausrüstung, sondern eine Rattenfamilie, die er regelmäßig fütterte.
• Die Geschichte wurde in der Werkszeitung veröffentlicht – und der Mann erhielt den Spitznamen „Rattenvater“.
1903
Der Fall „Kohlenstaub und Eifersucht“
• Ein Bergarbeiter verklagte seine Frau, weil sie angeblich „dem Nachbarn täglich frisches Wasser brachte, während er selbst mit Kohlenstaub bedeckt blieb“.
• Das Gericht entschied salomonisch: Beide sollten künftig gemeinsam Wasser holen – „zur Förderung ehelicher Eintracht“.
1906
Anekdote: Kolonialwarenladen Jurk
• In der Viktoriastraße 6 betrieb Hermann Jurk ein kleines Geschäft – auf einer Ansichtskarte ist sein Enkel Otto Jurk als Kind zu sehen
• Die Familie Jurk prägte den Stadtteil über Generationen, später auch mit einer Geflügelzuchtanstalt in der Nähe.
1907
Anekdote: Das Schwein im Förderkorb
• In der Grube Marga wurde 1907 ein Hausschwein versehentlich in den Förderkorb geladen.
• Es fuhr 300 Meter tief in den Schacht – und überlebte.
• Die Bergleute tauften es „Grubenschwein“ und hielten es als Maskottchen. Es soll sogar einmal mit einem Helm fotografiert worden sein.
1910
Anekdote: 1910: Gründung des VfB Senftenberg
• Der Verein wurde auf dem Sportplatz am Schützenhaus gegründet – Spieler wie Willi Noatnik schrieben Fußballgeschichte
1912
Anekdote: Der erste Flieger
• „Der erste Flieger über Senftenberg“: Im Hause des Hausbesitzers Dubrau, Jüttendorf, Schulstraße 30(32) wohnte damals auch Frau Schneider. Der erste Fieger flog über Senftenberg hinweg. Als Frau Schneider diesen Flieger sah und hörte, stürmte sie ins Haus und rief ununterbrochen: „Herr Dubrau der Deibel kommt, der Deibel kommt.“ abgedruckt im Senftenberg Anzeiger
1913
Anekdote: Aufstockung der Schule für Zeichensäle
• Die Stadt ließ das Mittelgebäude der Schule I um einen dritten Stock erweitern – 7.000 Mark über Plan, wegen teurer Handwerksarbeiten
1916
Anekdote: Der deutsche Fleischer in Japan – Hermann Wolschke
• Der Senftenberger Hermann Wolschke geriet im Ersten Weltkrieg in Japan in Kriegsgefangenschaft – und blieb dort.
• Er wurde Japans erster deutscher Fleischermeister und belieferte gehobene Hotels mit Wurstwaren.
• 2005 drehte eine japanische Filmfirma in Senftenberg einen Film über ihn: Geschenk aus Deutschland
1930
Anekdote: Die Grube Marga
• erreicht ihre höchste Förderleistung seit Bestehen: über 3 Millionen Tonnen Braunkohle.
1934
Anekdote: neue Lehrpläne
• Die Volksschule I erhält neue Lehrpläne – politische Bildung wird Pflichtfach.
1936
Anekdote: Reichsausstellung
• Senftenberg beteiligt sich an der Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ – mit einem Modell der Braunkohlenförderung.
• Die Stadt erhält erstmals eine offizielle Städtepartnerschaft mit einer Gemeinde in Schlesien – als Teil der NS-Propaganda
1955
Anekdote: „Wir haben die Kraft, die Wiedervereinigung zu erzwingen!
• ...SPD-Genossen aus Bayern besuchten Senftenberg:
• Eine Delegation bayerischer Sozialdemokraten und Gewerkschafter besuchte im Anschluss an einen 14tägigen Erholungsaufenthalt in Wernigerode auf Einladung der Bau-Union Cottbus verschiedene Großbetriebe und Einrichtungen im Senftenberger Braunkohlenrevier. [Neues Deutschland 1955 - 19. Juni]
1959
Anekdote: Senftenberger Allerlei:
Unter der Überschrift „Weihnachtsgeschenke für die Bevölkerung“ listet die Zeitung „Neue Zeit“ Sonderinitiativen der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) auf:
PGH „Einheit", Lauchhammer, nimmt ab sofort die Herstellung von Briefkästen aus Blech auf (für die HO).
PGH „Wertarbeit", Ruhland, fertigt aus Kürzungen für etwa 100 Garnituren Gartentische und Stühle die Tischplatten und Stuhleinsätze.
PGH „Rohrtechnik", Senftenberg, richtet einen Raum ein für die Herstellung von Reparaturen für die Bevölkerung ..."
um 1962
Kuchenränder für zehn Pfennige
• In der Bäckerei Richter konnte man sich für 10 Ost-Pfennige eine Tüte voller Kuchenränder kaufen – die eigentlichen Kuchen wurden ohne Ränder verkauft
Für viele Kinder war das ein Highlight in der großen Pause – süß, günstig und ein Stück Alltag.
um 1966
Brausepulver als Währung
• Kinder tauschten auf dem Schulhof Brausepulver wie andere Sammelkarten – besonders beliebt war die Sorte „Waldmeister“.
• In Senftenberg gab es sogar den Brauch, das Pulver direkt auf die Zunge zu kippen und dann laut zu zischen – wer am lautesten war, gewann.
1968
Waschmaschinen mit Eigenleben
• In vielen Haushalten war die „WM66“ das Herzstück der Waschküche – eine robuste DDR-Waschmaschine, die beim Schleudern so stark vibrierte, dass sie manchmal „wandern“ ging.
• In Senftenberg wurde erzählt, dass eine WM66 einmal aus dem Badezimmer bis in den Flur rollte – begleitet von einem panischen Dackel und viel Gelächter
1969
Anekdote: DDR-Fernsehproduktion im Haus Markt 9
• Im Jahr 1969 wurde das Haus Markt 9 in Senftenberg zum Drehort für den DDR-Fünfteiler „Unbekannte Bürger“.
• Besonders der vierte Teil („Heinz und seine Familie“) spielt zu großen Teilen in Senftenberg – inklusive Innenaufnahmen in der Wohnung im zweiten Stock
1971
Anekdote: DDR-Mannschaftsmeisterschaft im Judo
• Die SG Dynamo Senftenberg schlug die TU Karl-Marx-Stadt mit 4:1 – ein historischer Erfolg für den Bezirk
um 1972
Improvisation als Lebenskunst
• Ein Senftenberger Elektromeister baute sich aus alten Radio-Bauteilen eine funktionierende Kaffeemaschine – mit Zeitschaltuhr!
• Solche Bastelkunst war typisch für die DDR, wo Mangel oft Erfindergeist weckte.
1973
Anekdote: Zelten am Senftenberger See
Der erste Strandabschnitt wurde 1973 eröffnet
• In den 80ern war Zelten dort so beliebt, dass man Zeltplätze per Losverfahren bekam.
• Ein Mann soll angeblich drei Zelte gleichzeitig aufgestellt haben – für sich, seine Schwiegermutter und „zur Sicherheit“ für einen Kollegen, der nie auftauchte.
1975
Anekdote: Der Filmvorführer mit Herz
• Horst Zensius begann seine Karriere mit 15 Jahren als Filmvorführer im ersten Kino Senftenbergs, das 1912 von Familie Petsch gegründet wurde
• • Während der DDR-Zeit war das Kino ein sozialer Treffpunkt – Zensius erzählte, wie er einmal einen Liebesfilm heimlich doppelt zeigte, weil das Publikum so gerührt war.
• • Das Capitol-Kino brannte 1945 ab, wurde nie wieder aufgebaut. Das letzte Kino schloss 1998 – eine Ära ging zu Ende
um 1975
Urlaub mit Humor
• In der Sonderausstellung „Urlaub in der DDR“ im Museum Schloss Senftenberg wurde berichtet, dass manche Familien „erfundene Kinder“ angaben, um bessere Urlaubsplätze zu bekommen
1978
Anekdote: Die Postzweigstelle mit dem Spitznamen „Flüsterpost“
• In einem Dienstleistungszentrum wurde eine neue Post eröffnet – doch die Wände waren so dünn, dass man jede Unterhaltung am Schalter mithören konnte.
• Die Senftenberger nannten sie liebevoll „Flüsterpost“ – und nutzten sie auch für Klatsch und Tratsch.
1978
Brigadeabende bei „Axel“
• Die Erlebnisgaststätte „Axel“ war berühmt für ihre exotischen Veranstaltungen – darunter japanische Abende und festliche Brigadefeiern
1979
Anekdote: 700 Jahre Senftenberg
• Bürgermeisterin Genossin Hannelore Wagner: „Bei der Vorbereitung auf das Jubiläum gehen wir davon aus, möglichst viele Bürger unserer Stadt einzubeziehen“ [wenn sich die Bürger doch bloß bewegen ließen] „Deshalb haben wir einige Aktivitäten ins Leben gerufen, wie die 700 Minuten-Bewegung. Sie sieht vor, dass jeder Senftenberger 700 Minuten Aufbauhilfe an Objekten des Volkswirtschaftsplanes unserer Stadt leistet“
um 1973
Studentenleben mit Bergmannsgeist
• Die Ingenieurschule für Bergbau und Energietechnik „Ernst Thälmann“ war ein zentraler Ort für Ausbildung und Kultur
Karnevalsveranstaltungen in der Aula und Mensa waren legendär – mit selbstgebautem „Stollen“ zwischen den Sälen, in denen ausgelassen getanzt wurde
Mittagessen für 55 Ost-Pfennige in der Mensa war ein Highlight für viele Schüler und Studenten
1987
Anekdote: 16-Bit-Rechner
• 16-Bit-Rechner -Neues Computerkabinett
• Für die erweiterte Informatikausbildung steht den angehenden Fachleuten für Bergbaubetriebe und Kraftwerke an der Senftenberger Ingenieurschule für Bergbau und Energetik „Ernst Thalmann“ neben 60 Kleincomputern seit kurzem auch ein Kabinett mit zehn modernen 16-Bit-Rechnern zur Verfügung [Neues Deutschland 1987 - 31. Oktober - Seite 10 ].
1991
Anekdote: „Manchmal kommt es anders, und zweitens als man denkt" Politik vs. Wirklichkeit
„Die beiden Orte Hosena und Hohenbocka im Kreis Senftenberg werden per Staatsvertrag aus dem Land Brandenburg ausscheiden und in den Freistaat Sachsen wechseln“- sagte am Mittwoch Innenminister Alwin Ziel.
[Quelle: Zeitung Neue Zeit 1991 - 21. Juni - Seite 17]
Damit entspreche die Landesregierung den Bürgerbefragungen und Entscheidungen der Gemeindeparlamente sagte einen Tag vorher schon, die Berliner Zeitung.
1992
Anekdote: Das Jugendzentrum „Jamm“ (gegründet 1992)
• Das „Jamm“ war einer der wenigen linksalternativen Orte in Senftenberg
• • Es gab Konzerte, Lesungen, Skate-Contests – und legendäre Nächte mit selbstgebrautem Himbeerbier.
• Trotz Angriffen und politischem Druck blieb das Zentrum bestehen – und wurde zur „Festung der Vielfalt“ getauft
1992
Anekdote: Das „Haus der 100 Schlüssel“
• Nach der Wende standen viele Gebäude leer – darunter ein ehemaliges Verwaltungsgebäude, das von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt wurde.
• Jeder hatte einen „eigenen Schlüssel“, obwohl keiner offiziell berechtigt war. Es wurde ein Club, ein Atelier und ein Proberaum – alles gleichzeitig.
• Die Stadt ließ es 1994 räumen – aber die Schlüssel existieren noch heute als Souvenir-Anhänger bei einem lokalen Künstler.
1993
Anekdote: Der Rapper vom Markt
• Ein Jugendlicher namens „MC Koschen“ trat regelmäßig auf dem Marktplatz auf – mit einem Ghettoblaster und selbstgeschriebenen Texten über die Wende.
• Sein bekanntester Song: „Plattenbau Poetry“, eine Ode an das Leben zwischen Abriss und Aufbruch.
• Er wurde später Lehrer – und unterrichtet heute „Kreatives Schreiben“ in der Region.
1994
Anekdote: 30 Jahre Schule IV
• Bis zum Jubiläum hatten 1.530 Schüler die Schule mit Abschlusszeugnis verlassen
um 1998
Anekdote: Der „Lange Herrmann“ verschwindet
• Der riesige Betonlampenmast auf dem Marktplatz – genannt „Langer Herrmann“ – wurde Ende der 90er abgerissen
• • Viele Senftenberger sammelten Stücke des Sockels als Erinnerung an die DDR-Zeit.
• • Ein Stück davon wurde sogar in einem Garten als Sonnenuhr umfunktioniert.