Senftenberg, Chronik 750 Jahre, Darbot der Lusitzi, einem Stamm der Slawen, Partition
Verfasst: Mo 19. Aug 2024, 13:05
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Leben im Frühmittelalter bei Senftenberg
Darbot der Lusitzi, einem Stamm der Slawen
eine Geschichte, nicht nur für Kinder, von Christian Hübner
Es ist die Zeit um 850 u.Z. in der der zwölfjährige Darbot uns hier beschreibt, wie er und
seine Familie hier gelebt haben. In einer Gegend, die einmal den Namen seines Stammes
tragen wird.
Er weiß noch aus Erzählungen, dass einst vor langer Zeit, es soll um 700 u.Z. gewesen sein,
größere und kleinere Stammesverbände seiner slawischen Vorfahren sehr lange gewandert
sind, um dann in dieser fast menschenleeren Gegend heimisch zu werden. Noch viel früher
siedelten hier schon einmal germanische Stämme, die aber schon seit Jahrhunderten wieder
fortgezogen sind. Die Gegend hier war also fast nicht mehr bewohnt.
Woher seine Vorfahren genau kamen, ist nicht überliefert. Diese Region der slawischen
Stämme lag in Osteuropa und umfasste Teile des heutigen Polens, der Ukraine und
Weißrusslands. Sie siedelten in einem breiten Gebiet von der Ostsee bis zur Karpatenregion
und weiter nach Osten.
Die genauen Gründe für die Auswanderung der Lusitzi und anderer
slawischer Stämme aus ihrer ursprünglichen Region zwischen der Weichsel und dem Dnepr
sind nicht eindeutig dokumentiert und können durch verschiedene Faktoren beeinflusst
worden sein, wie Druck von anderen Gruppen und politische Konflikte, Ressourcenmangel
(Ackerböden nicht mehr fruchtbar, Vernässung) Bevölkerungswachstum, auch
Klimaveränderungen.
Es war die Zeit, die man später die „Völkerwanderung“ nennen wird. Was die Sprache
betrifft, wird angenommen, dass die Lusitzi eine westslawische Sprache gesprochen haben.
Westslawisch ist eine Untergruppe der slawischen Sprachen, zu der auch das Polnische,
Tschechische und Sorbische gehören. Leider gibt es keine schriftlichen Dokumente aus der
Zeit der Lusitzi, die ihre Sprache direkt repräsentieren. Aber es gab so viele Dialekte im
Slawischen, dass sich oft Nachbarn nicht verstanden.
Die slawischen Völker, einschließlich der Sorben, neigten dazu, ihre Geschichte und
kulturelle Überlieferung in erster Linie mündlich zu überliefern. Mündliche Traditionen in
Geschichten und Liedern wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie waren
immer eine wichtige Quelle für Wissen und kulturelle Identität.
Die Lausitz war damals eine sehr unwirtliche Gegend. Fast Urwald und von sehr vielen
Sümpfen und Mooren geprägt. Der Spreewald war mehr als doppelt so groß wie heute. Um
hier zu siedeln, musste also erstmal Wald gerodet werden. Es zeigte sich aber, dass der Boden
als Ackerboden geeignet war. So ließen sich in der Regel größere Familienverbände an einer
Stelle nieder und bauten Unterkünfte und betrieben Ackerbau. Andere Stammesverbände
siedelten wieder an einer anderen Stelle.
Sie könnten Venceslav (Ruhm des Volkes), oder Volodomir (Herrscher des Friedens), oder
Pritbor (der Krieger), oder Radoslav (der Freude Ruhm), oder Bogdan (Gottes Gabe)
geheißen haben. Oder als Frau Radmila, Dobrawa, oder Zlata (die Strahlende), Milena (die
Sanfte), oder auch Vlasta (die Mächtige). Wir wissen es nicht mehr. Altslawische Namen
tragen eine faszinierende Geschichte in sich.
Sie gehörten womöglich zu den Stammesverbänden der Lusitzi (Lusici), Daleminzer, Dossanen, Heveller, oder Milzenern.
Als also Darbots Vorfahren sich entschlossen hier zu siedeln war es keine leichte, aber eine
machbare Aufgabe. Und in dieser menschenleeren Gegend gab es auch nur selten Feinde. Sie
siedelten in sogenannten Runddörfern. Lockere kleinere Siedlungshäuser für 10 – 20
Bewohner, aus Holz und Lehm um meist einen Platz in der Mitte, der der Dorfplatz war. Und
in Stammesgruppen von gut 200 Personen.
Familien mit vielen Kindern waren üblich, da Kinder in agrarischen Gesellschaften als
Arbeitskraft auf dem Hof benötigt wurden. Die Sterblichkeitsrate von Säuglingen und
Kindern war jedoch hoch, und viele Kinder starben in jungen Jahren. Es war daher notwendig,
viele Kinder zu haben, um sicherzustellen, dass einige von ihnen das Erwachsenenalter
erreichten. Es wird angenommen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung wahrscheinlich
unter 40 Jahren lag, aber es gab wahrscheinlich auch Menschen, die das Alter von 60 oder 70
Jahren erreichten. So lebten sie friedlich in dieser abgeschiedenen Gegend und gingen ihrem
schweren Tagwerk nach.
Und so tauchen wir ein in das Leben unseres kleinen Helden Darbot, der erst 12 Jahre
war, einen acht Jahre älteren Bruder und viele weitere Geschwister hatte, und lassen ihn
erzählen aus seinem Leben das erst rund 150 Jahre nach der Einwanderung seiner Vorfahren
begann. Wir befinden uns also jetzt etwa um 850 u.Z.
Wenn mein Vater von seinem Acker sprach, leuchteten seine Augen. Er war so stolz darauf.
Dann erzählte er von Getreide, das er Einkorn, Emmer, Dinkel, oder auch Spelz nannte.
Insbesondere baute er aber Roggen an, seltener Gerste und Hirse, im Regelfall Rispenhirse.
und Hafer. Beim Spelzgetreide sind, die das Korn umschließenden Spelzen, mehr oder
weniger fest mit diesem verwachsen. Beim Nacktgetreide dagegen liegen sie lose an und
fallen beim Drusch ab. Der Vorteil des Spelzgetreides, betonte Vater, liegt aber darin, dass es
eine primitive Lagerung auch in unseren Erdgruben in den Häusern besser verträgt, diese mit
Flechtwerk ausgekleidete Speichergruben dienen zur Aufnahme von Getreidevorräten. Einige
Häuser hatten auch fest eigebaute Lehmwannen als Getreidespeicher genutzt. Allerdings
müssen die Körner vor dem Mahlen in einem Gerbgang entspelzt werden, dass musste Mutter
dann oft machen.
Aber Roggen war unser Hauptgetreide im Frühmittelalter. Er wuchs auch auf unseren kargen,
mageren Böden und konnte für die Frühjahraussaat auch gut über den Winter gebracht
werden. Einkorn zeichnet sich durch seine charakteristischen langen, schlanken Ähren aus
und hat nur eine einzelne Kornreihen. Einkorn hat eine niedrigere Ertragskapazität, wusste er.
Dennoch lag der Durchschnittsertrag beim zwei- bis dreifachen der Aussaat.
Das war mir eigentlich zu viel, was ich mir da merken sollte, mir schwirrte der Kopf. Vater
erzählte noch vom fortwährenden Wechsel der Grundstücke, die als Acker genutzt wurden,
weil nach zwei Jahren der Boden keine Kraft mehr hat und Ruhe brauchte. Die unregelmäßige
Folge von Bau- und Brachejahren war bei uns noch typisch, Das leuchtete mir ein, denn,
wenn unser Acker wieder mal gewechselt wurde, kam Vater immer später nach Hause weil er
weiter laufen mußte.
Bei uns im Dorf gab es nur ganz wenige Ochsen, die den Pflug ziehen konnten. Meist wurden
die starken Tiere auch im Wald eingesetzt, um abgehackte Bäume zu ziehen. Also haben die
Männer selbst den Pflug gezogen. Einer zog, ein anderer drückte den hölzernen Pflug in die
Erde. Das führte dazu, dass der Acker eigentlich nur kreuz- und quer eingeritzt wurde und
nicht umgewühlt. Nur ein Bauer in unserem Dorf hatte schon einen doppelscharigen Pflug. Im
Dorf gab es zu meiner Zeit auch nur ein Pferd, das war sehr wertvoll.
Bei der Aussaat der Körner mussten wir alle dann helfen. Ein großes Tuch vor den Bauch
gebunden, in dem die Körner waren und dann wurde mit großem ausgestrecktem Arm die
Saat auf dem Acker verteilt. War aber auch anstrengend, denn wir waren abends oftmals noch
nicht fertig. Und wenn die Sonne schien, hatten wir alle einen Sonnenbrand.
Und, weil es in unserer Lausitz immer gut regnete, sprießte das Getreide schon recht bald.
Aber nicht nur das Getreide sprießte. Wenn wir eine gute Ernte haben wollten, mussten wir
also immer wieder aufs Feld und das Unkraut mit der Holzhacke zerstören, denn die Kraft der
Erde sollte ja in unser Getreide gehe, dass wir für das Brot brauchten.
Bei der Ernte wurde jede Hand gebraucht, die ganze Familie war von früh bis spät auf dem
Acker. Und dann halfen sich alle im Dorf auch gegenseitig. Die Frauen und Männer schnitten
in gebückter Haltung mit der Sichel das leuchtende Getreide, unseren Schatz. Dann mussten
aber noch die Körner aus den Ähren raus. Und das war für uns Kinder damals immer ein
Spaß. Die großen Bullen, auch die Schafe und Ziegen wurden immer wieder über das
Getreide getrieben, um die Körner auszutreten, denn einen einteiligen Dreschsparren hatten
nur einige im Dorf.
Vom Frühjahr bis zum Herbst waren alle auf den Feldern, um unser Überleben zu sichern.
Doch wehe die Stürme wüteten zu heftig, oder es regnete über Wochen hintereinander, dann
verdarb das Getreide schon auf dem Acker und wir mussten im Winter hungern.
Gut, wenn es dann wenigstens eine gute Ernte beim Obst gegeben hatte. Bei uns im
Frühmittelalter waren Apfel- und Streuobstwiesen von großer Bedeutung. Diese alten
Obstbäume prägten das Landschaftsbild und erfreuten die Menschen durch ihre Blütenpracht.
Sie dienten nicht nur als Rückzugsgebiete für viele Tiere, sondern lieferten auch Tafelobst
sowie Rohstoffe für die Verarbeitung zu Saft, Most und Edelbrand. Unsere Äpfel, Birnen und
Pflaumen waren allerdings sehr klein und nicht sehr ertragreich und manche Sorte war sehr
sauer. Auch ließen sie sich nicht lange lagern.
Manchmal beneidete ich meine Mutter und meine Schwestern. Während ich mit meinem
großen Bruder und meinem Vater auf dem Feld, oder im Wald war, durften sie zu Hause am
Webstuhl sitzen und Nachschub für unsere zerschlissenen Sachen fertigen.
Unser traditioneller Webstuhl hatte senkrecht gespannte Kettfäden, sie waren oben und unten an
einem Tuchbaum befestigt und unten hingen Gewichte dran, meist Steine, damit die Fäden
straff blieben. Viel Zeit brauchte es ein Tuch zu weben, aber es entstanden große Gewebe.
Als meine Schwester einmal lange krank war, brachte Mutter mir auch das Weben bei.
Da merkte ich, dass das auch eine schwere Arbeit war. Ständig tief sitzen und den Rücken krumm
machen. Und meine Augen taten weh von dem wenigen Licht, das durch die offenen Löcher
in der Wand kam. Die Finger taten mir auch weh. Und, wenn Mutter wieder Essen kochen
musste, war der ganze Raum voller Qualm und ich stank selbst. Da war es doch was anderes,
immer an der frischen Luft zu arbeiten.
Wir Slawen waren berühmt dafür viele Götter zu verehren. Wer viele Götter hat, kann auch
oft feiern, das verstand ich.
Unsere Feste und Rituale waren fest verwurzelt. Wir hatten sogar zweimal, im Frühjahr und
im Herbst ein Ahnenfest. Wir glauben nämlich, dass unsere Ahnen wiedergeboren werden
und nach ihrem Tod als Domowniki auch weiterhin bei uns zu Hause wohnen. Natürlich nur
in unserer Vorstellung, denn alle meine Ahnen hätten bestimmt nicht in unsere kleine Hütte
gepasst.
Bei den Festen ehren wir unsere Verstorbenen, versammeln uns auf den Grabhügeln und
zünden Kerzen und Lichter an damit wir unsere Ahnen erwärmen und ihnen den Weg zeigen.
Bei den Totenmahlzeiten essen alle gemeinsam und gedenken der Toten. Diese Feiern finde
ich immer sehr spannend, denn dann werden viele Geschichten aus dem Leben des
Verstorbenen erzählt. Wir wollen damit die Erinnerung an unsere Ahnen lebendig halten.
Überhaupt haben wir eine enge Verbindung zu unseren Vorfahren und zur Natur.
Wir Slawen haben auch kleine heilige Wälder, in denen unsere Schamanen versuchen mit den
Verstorbenen in Kontakt zu kommen, damit wir von ihrer Weisheit lernen können. Das
geschieht meistens Ende November. Hier gibt es Steinkreise auf der Erde, die darf man nicht
betreten. Hier werden auch von unseren Ältesten wichtige Entscheidungen getroffen.
Wenn unsere Liebsten gestorben sind, werden sie oft in einem Sarg oder einer Truhe beerdig.
Viele Grabbeigaben sind es aber meist nicht. Manchmal sind es persönliche Gegenstände,
oder Werkzeuge oder Schmuck.
Aber ich habe auch schon gehört, dass man einen
Verstorbenen auch nach seinem Tod auf einem zeremoniellen Scheiterhaufen verbrennt, dann
wird seine Asche nach zwei Tagen fein säuberlich aussortiert und in einer Urne bestattet.
Unsere Friedhöfe sind wunderschön geschmückt mit Holzpfählen mit magischen Zeichen und
Runen und mit bemalten Steinen.
Unser wichtigstes Heiligtum hier in unserer Gegend hatten wir auf dem Koschenberg.
Der Koschenberg war wie riesiger Stein in der Gegend und für uns sehr imposant, weil er mal 176
Meter hoch war. Unsere Kultstätte war ganz oben und von unten nicht zu sehen, weil da ein
dichter Wald war. Zu den Zeremonien durften nur bestimmte Leute aus unserem Dorf
mitgehen. Und es wird erzählt, dass es eine Sage in der slawische Naturmystik von „der
blauen Blume“ dort gibt. Aber darüber darf ich nicht weiter mit euch sprechen.
Nun ist es aber schon lange nicht mehr so friedlich und einsam in unserer Gegend, wie bei
meinen Vorfahren noch. Immer öfter gibt es Streit mit anderen Dörfern und ab und an
kommen sogar völlig Fremde und überfallen unser Dorf. Wenn die Männer unseres Dorfes
dann auf den weit weg liegenden Feldern sind, können die Räuber leicht unser Dorf
überfallen.
Wir haben die Zeit um 850 u.Z. in der ich lebe. Meine Vorfahren haben also gut 200 Jahre
ohne „Burg“ hier im Laugk gelebt. Doch jetzt haben die Ältesten beschlossen das zu tun, was
schon andere unserer slawischen Stammesverbände getan haben, eine Rund- oder Ringburg
zu bauen zu unserem Schutz.
Sie wird ganz in der Nähe unseres Dorfes gebaut, geschützt durch die undurchdringlichen
Wälder und unsere vielen Sümpfe und ist nur durch einen gut zu verteidigenden Zugang zu
erreichen.
Bei der Suche nach einem geeigneten Platz hatten einige Männer im Wald einen leichten
Hügel erkannt und meinten, dass es ganz früher schonmal eine Burg hier gegeben haben
muss, aber das soll schon sehr lange her gewesen sein.
Es wurde also eine Fluchtburg gebaut.
Wenn die Zeit friedlich ist, leben wir in unserem Dorf, bei Gefahr ziehen wir mit unseren Habseligkeiten
in die Rundburg. Nur unser liebes Vieh tut mir dann immer leid, es passt nicht viel hier rein,
wenn unser Dorf mit gut 200 Menschen sich hier verschanzen muss.
Unsere slawischen Burgen wurden oft als Befestigungsanlagen mit
Schutzfunktionen gegen äußere Angriffe errichtet, das wusste ich von meinem älteren Bruder.
Aber unsere Ringwallanlage sollte nicht so groß werden wie die in Raddusch, wir waren ja
nur ein kleines Dorf. Dort hatte mein Bruder bei der Errichtung mitgeholfen und so ganz viele
Ideen mitgebracht.
Und da ich ja schon ein großer Junge bin durfte ich beim Bau unserer Burg mithelfen, kann
Euch also davon erzählen.
Als erstes wurde der Wald für diese Stelle durch Brand gerodet. Nachdem auf diese Weise
das Gelände von Vegetation befreit war, wurde der Wall angelegt. Der Untergrund aus
Schwemmsand und teilweise darüberliegenden Schlickschichten wurde planiert, die
Schlickschichten zum Teil abgetragen. Da wir um unsere Burganlage einen Wassergraben
ziehen wollten wurde erstmal mit den Holzspaten eine breite Rinne ringsherum ausgegraben.
Tief sollte sie auch noch sein.
Also wurden die Erdmassen mehrmals von tief unten über Stufen nach oben geschippt.
Und damit der Aushub auch was Nützliches hatte wurde er als
Basis der Fluchtburg eingeebnet und erhöhte damit auf wundersame Weise unsere
Burganlage. Wir konnten also dadurch auch weiter ins Land schauen. Auf der so vorbereiteten
Wallbasis wurden Reihen von zugespitzten Pfählen und Bohlen eingerammt.
Auf die Innenseite der Palisaden kam dann noch ein Wehrgang von dem wir die Burg besser
verteidigen konnten. Und draußen gleich vor dem Wall war der Wassergraben. Und mein
Bruder hatte dann die Idee vor den Wassergraben noch eine Palisadenwand zu setzen. Unsere
Ältesten waren begeistert.
Hatte ich Euch gesagt, was Palisaden sind? Also, dass sind diese Pfähle. Baumstämme aus
dem Wald. Aber schon ein wenig dickere, so 30 bis 40 cm im Durchmesser und über 4 Meter
lang. Damit die keiner so leicht überklettern kann wurden sie oben angespitzt. Und die haben
wir genagelt oder zusammengebunden damit sie sich gegenseitig stützen.
Es gab auch einige Brunnen in unserer Burg. Wir konnten ja nie wissen, wie lange wir uns
verstecken mussten. Die Brunnen waren sehr tief. Dafür brauchten sie kleine Leute, wie mich,
die unten die Eimer mit Sand füllten, bis wir an das saubere Grundwasser kamen. Das Wasser
aus dem Brunnen schmeckte viel besser als das aus den Bächen.
Und, wenn dann doch mal unser Dorf angegriffen wurde, hatten wir tapfere Männer, die auch
mit Waffen umgehen konnten. Leider nie so gut wie die Angreifer, weil sie ja eigentlich nur
Bauern und Handwerker waren. Wir hatten einschneidige Schwerter und Speere. Und
natürlich den Bogen mit Pfeilen für den Fernkampf. Diese waren in der Regel aus Holz und
Sehnen gefertigt.
Aber auch Äxte, ganz schön schwere Stücke, und Keulen. Aber die wurden nur selten
geworfen, weil sie einfach zu wertvoll waren. Und zum Schutz der kämpfenden Männer
hatten diese meist runde Schilde aus Holz.
Unsere Schamanen hielten vor dem Kampf auch ganz bestimmte Rituale ab, um der kleinen
kämpfenden Schar Mut zu machen. Eine Geschichte wurde dann auch immer erzählt, nämlich
von Radbot. Er war ein slawischer Fürst ganz weit weg von hier in Friesland, ganz hoch im
Norden an der Mündung des Rheins. Er hatte unzählige Schlachten siegreich geschlagen.
Wenn wir so einen Radbot hätten wie die Friesen da, würden wir jeden Angreifer in die
Flucht schlagen.
Zum Glück wurden wir aber in meiner Zeit noch nicht oft angegriffen.
In unserer Rundwallanlage standen viele kleine Häuser, so sechs bis acht Meter lang. Meist
wurden sie aber nur als Lagerplatz genutzt. Und mittendrin in der Rundburg, stand das
Prachtstück der Anlage, eine große wunderschöne Linde.
Großvater sagte, dass einige sagen, das ist wie der Thingplatz bei den Germanen. Dort wird
Gericht gehalten, oder über Streitigkeiten untereinander durch die Ältesten des Dorfes
entschieden, oder ganz wichtige Angelegenheiten besprochen. Mein Stamm nannte diesen Ort
in unserer Sprache aber Komorrow, was Kammer, oder auch, Gerichtsplatz bedeutet.
Aber das war mir nicht ganz so wichtig, wenn ich nur einen Platz im Schatten der Linde
erhalten konnte. Und es duftete hier auch immer herrlich, ganz besonders während der Blüte.
Und, wenn die Sonnenstrahlen durch das Blätterdacht schienen, malte ich mir viele kleine
Lutkis und Gespenster aus, die ich glaubte, dort zu sehen. Diese geheimnisvollen Wesen sind
ein fester Bestandteil der slawischen Sagenwelt. Sie sind klein, denn lutk bedeutet kleiner
Mensch. Wir vertrugen uns und halfen einander.
Eigentlich waren wir nur selten in unserer Ringwallanlage. Neben der Funktion als
Gerichtsplatz diente sie in Friedenszeiten nur als Lager. Aber, wenn unser Dorf mal von
einem anderen Stamm angegriffen wurde, dann diente uns der Rundwall als Schutz.
Ich fand ihn riesig und beeindruckend. Er war gut 50 Meter im Durchmesser, naja, und eher
eine Eiform als ein Kreis. Aber das lag an der Gegend hier. Es gab nicht viel festen Boden.
Meine Heimat war sehr nass. Moore und Sümpfe entstehen, dass wusste meine Schwester,
wenn das abgestorbenes Pflanzenmaterial in der Erde nicht so schnell verrottet, wie das
nachwachsende Grünzeug wächst. Sümpfe gibt es viel an Seeufern und Flussniederungen mit
stark schlammigen Böden und stehendem Wasser. Im Gegensatz zum Moor bildet sich im
Sumpf kein Torf, da die organische Substanz durch gelegentliches Austrocknen vollständig
abgebaut wird. Im Sumpf wachsen keine Bäume, aber gelegentlich gibt es Wiesen oder
Gebüsche.
Auch wachsen im Sumpf sehr viele besondere Pflanzen, die es sonst nirgendwo
gibt. Am bekanntesten ist wohl das Schilfrohr. Es gibt auch sehr schöne Blumen wie etwa die
Sumpf-Schwertlilie, den Sumpf-Storchschnabel und viele andere. Der Sumpf ist urtümlich
und allgegenwärtig und wurde immer als gefährlich und undurchdringlich angesehen. Der
Sauerstoffmangel in einem Sumpf soll Halluzinationen verursachen. Bei uns gab es viele
Mythen von Sumpfmonstern. Im Moor dagegen kann sich abgestorbenes Pflanzenmaterial
wie Laub am Boden nicht mehr genug zersetzen, da die für Zersetzung wichtige Luft durch
das Wasser verdrängt worden ist. Im Moor entsteht deshalb Torf.
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Leben im Frühmittelalter bei Senftenberg
Darbot der Lusitzi, einem Stamm der Slawen
eine Geschichte, nicht nur für Kinder, von Christian Hübner
Es ist die Zeit um 850 u.Z. in der der zwölfjährige Darbot uns hier beschreibt, wie er und
seine Familie hier gelebt haben. In einer Gegend, die einmal den Namen seines Stammes
tragen wird.
Er weiß noch aus Erzählungen, dass einst vor langer Zeit, es soll um 700 u.Z. gewesen sein,
größere und kleinere Stammesverbände seiner slawischen Vorfahren sehr lange gewandert
sind, um dann in dieser fast menschenleeren Gegend heimisch zu werden. Noch viel früher
siedelten hier schon einmal germanische Stämme, die aber schon seit Jahrhunderten wieder
fortgezogen sind. Die Gegend hier war also fast nicht mehr bewohnt.
Woher seine Vorfahren genau kamen, ist nicht überliefert. Diese Region der slawischen
Stämme lag in Osteuropa und umfasste Teile des heutigen Polens, der Ukraine und
Weißrusslands. Sie siedelten in einem breiten Gebiet von der Ostsee bis zur Karpatenregion
und weiter nach Osten.
Die genauen Gründe für die Auswanderung der Lusitzi und anderer
slawischer Stämme aus ihrer ursprünglichen Region zwischen der Weichsel und dem Dnepr
sind nicht eindeutig dokumentiert und können durch verschiedene Faktoren beeinflusst
worden sein, wie Druck von anderen Gruppen und politische Konflikte, Ressourcenmangel
(Ackerböden nicht mehr fruchtbar, Vernässung) Bevölkerungswachstum, auch
Klimaveränderungen.
Es war die Zeit, die man später die „Völkerwanderung“ nennen wird. Was die Sprache
betrifft, wird angenommen, dass die Lusitzi eine westslawische Sprache gesprochen haben.
Westslawisch ist eine Untergruppe der slawischen Sprachen, zu der auch das Polnische,
Tschechische und Sorbische gehören. Leider gibt es keine schriftlichen Dokumente aus der
Zeit der Lusitzi, die ihre Sprache direkt repräsentieren. Aber es gab so viele Dialekte im
Slawischen, dass sich oft Nachbarn nicht verstanden.
Die slawischen Völker, einschließlich der Sorben, neigten dazu, ihre Geschichte und
kulturelle Überlieferung in erster Linie mündlich zu überliefern. Mündliche Traditionen in
Geschichten und Liedern wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie waren
immer eine wichtige Quelle für Wissen und kulturelle Identität.
Die Lausitz war damals eine sehr unwirtliche Gegend. Fast Urwald und von sehr vielen
Sümpfen und Mooren geprägt. Der Spreewald war mehr als doppelt so groß wie heute. Um
hier zu siedeln, musste also erstmal Wald gerodet werden. Es zeigte sich aber, dass der Boden
als Ackerboden geeignet war. So ließen sich in der Regel größere Familienverbände an einer
Stelle nieder und bauten Unterkünfte und betrieben Ackerbau. Andere Stammesverbände
siedelten wieder an einer anderen Stelle.
Sie könnten Venceslav (Ruhm des Volkes), oder Volodomir (Herrscher des Friedens), oder
Pritbor (der Krieger), oder Radoslav (der Freude Ruhm), oder Bogdan (Gottes Gabe)
geheißen haben. Oder als Frau Radmila, Dobrawa, oder Zlata (die Strahlende), Milena (die
Sanfte), oder auch Vlasta (die Mächtige). Wir wissen es nicht mehr. Altslawische Namen
tragen eine faszinierende Geschichte in sich.
Sie gehörten womöglich zu den Stammesverbänden der Lusitzi (Lusici), Daleminzer, Dossanen, Heveller, oder Milzenern.
Als also Darbots Vorfahren sich entschlossen hier zu siedeln war es keine leichte, aber eine
machbare Aufgabe. Und in dieser menschenleeren Gegend gab es auch nur selten Feinde. Sie
siedelten in sogenannten Runddörfern. Lockere kleinere Siedlungshäuser für 10 – 20
Bewohner, aus Holz und Lehm um meist einen Platz in der Mitte, der der Dorfplatz war. Und
in Stammesgruppen von gut 200 Personen.
Familien mit vielen Kindern waren üblich, da Kinder in agrarischen Gesellschaften als
Arbeitskraft auf dem Hof benötigt wurden. Die Sterblichkeitsrate von Säuglingen und
Kindern war jedoch hoch, und viele Kinder starben in jungen Jahren. Es war daher notwendig,
viele Kinder zu haben, um sicherzustellen, dass einige von ihnen das Erwachsenenalter
erreichten. Es wird angenommen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung wahrscheinlich
unter 40 Jahren lag, aber es gab wahrscheinlich auch Menschen, die das Alter von 60 oder 70
Jahren erreichten. So lebten sie friedlich in dieser abgeschiedenen Gegend und gingen ihrem
schweren Tagwerk nach.
Und so tauchen wir ein in das Leben unseres kleinen Helden Darbot, der erst 12 Jahre
war, einen acht Jahre älteren Bruder und viele weitere Geschwister hatte, und lassen ihn
erzählen aus seinem Leben das erst rund 150 Jahre nach der Einwanderung seiner Vorfahren
begann. Wir befinden uns also jetzt etwa um 850 u.Z.
Wenn mein Vater von seinem Acker sprach, leuchteten seine Augen. Er war so stolz darauf.
Dann erzählte er von Getreide, das er Einkorn, Emmer, Dinkel, oder auch Spelz nannte.
Insbesondere baute er aber Roggen an, seltener Gerste und Hirse, im Regelfall Rispenhirse.
und Hafer. Beim Spelzgetreide sind, die das Korn umschließenden Spelzen, mehr oder
weniger fest mit diesem verwachsen. Beim Nacktgetreide dagegen liegen sie lose an und
fallen beim Drusch ab. Der Vorteil des Spelzgetreides, betonte Vater, liegt aber darin, dass es
eine primitive Lagerung auch in unseren Erdgruben in den Häusern besser verträgt, diese mit
Flechtwerk ausgekleidete Speichergruben dienen zur Aufnahme von Getreidevorräten. Einige
Häuser hatten auch fest eigebaute Lehmwannen als Getreidespeicher genutzt. Allerdings
müssen die Körner vor dem Mahlen in einem Gerbgang entspelzt werden, dass musste Mutter
dann oft machen.
Aber Roggen war unser Hauptgetreide im Frühmittelalter. Er wuchs auch auf unseren kargen,
mageren Böden und konnte für die Frühjahraussaat auch gut über den Winter gebracht
werden. Einkorn zeichnet sich durch seine charakteristischen langen, schlanken Ähren aus
und hat nur eine einzelne Kornreihen. Einkorn hat eine niedrigere Ertragskapazität, wusste er.
Dennoch lag der Durchschnittsertrag beim zwei- bis dreifachen der Aussaat.
Das war mir eigentlich zu viel, was ich mir da merken sollte, mir schwirrte der Kopf. Vater
erzählte noch vom fortwährenden Wechsel der Grundstücke, die als Acker genutzt wurden,
weil nach zwei Jahren der Boden keine Kraft mehr hat und Ruhe brauchte. Die unregelmäßige
Folge von Bau- und Brachejahren war bei uns noch typisch, Das leuchtete mir ein, denn,
wenn unser Acker wieder mal gewechselt wurde, kam Vater immer später nach Hause weil er
weiter laufen mußte.
Bei uns im Dorf gab es nur ganz wenige Ochsen, die den Pflug ziehen konnten. Meist wurden
die starken Tiere auch im Wald eingesetzt, um abgehackte Bäume zu ziehen. Also haben die
Männer selbst den Pflug gezogen. Einer zog, ein anderer drückte den hölzernen Pflug in die
Erde. Das führte dazu, dass der Acker eigentlich nur kreuz- und quer eingeritzt wurde und
nicht umgewühlt. Nur ein Bauer in unserem Dorf hatte schon einen doppelscharigen Pflug. Im
Dorf gab es zu meiner Zeit auch nur ein Pferd, das war sehr wertvoll.
Bei der Aussaat der Körner mussten wir alle dann helfen. Ein großes Tuch vor den Bauch
gebunden, in dem die Körner waren und dann wurde mit großem ausgestrecktem Arm die
Saat auf dem Acker verteilt. War aber auch anstrengend, denn wir waren abends oftmals noch
nicht fertig. Und wenn die Sonne schien, hatten wir alle einen Sonnenbrand.
Und, weil es in unserer Lausitz immer gut regnete, sprießte das Getreide schon recht bald.
Aber nicht nur das Getreide sprießte. Wenn wir eine gute Ernte haben wollten, mussten wir
also immer wieder aufs Feld und das Unkraut mit der Holzhacke zerstören, denn die Kraft der
Erde sollte ja in unser Getreide gehe, dass wir für das Brot brauchten.
Bei der Ernte wurde jede Hand gebraucht, die ganze Familie war von früh bis spät auf dem
Acker. Und dann halfen sich alle im Dorf auch gegenseitig. Die Frauen und Männer schnitten
in gebückter Haltung mit der Sichel das leuchtende Getreide, unseren Schatz. Dann mussten
aber noch die Körner aus den Ähren raus. Und das war für uns Kinder damals immer ein
Spaß. Die großen Bullen, auch die Schafe und Ziegen wurden immer wieder über das
Getreide getrieben, um die Körner auszutreten, denn einen einteiligen Dreschsparren hatten
nur einige im Dorf.
Vom Frühjahr bis zum Herbst waren alle auf den Feldern, um unser Überleben zu sichern.
Doch wehe die Stürme wüteten zu heftig, oder es regnete über Wochen hintereinander, dann
verdarb das Getreide schon auf dem Acker und wir mussten im Winter hungern.
Gut, wenn es dann wenigstens eine gute Ernte beim Obst gegeben hatte. Bei uns im
Frühmittelalter waren Apfel- und Streuobstwiesen von großer Bedeutung. Diese alten
Obstbäume prägten das Landschaftsbild und erfreuten die Menschen durch ihre Blütenpracht.
Sie dienten nicht nur als Rückzugsgebiete für viele Tiere, sondern lieferten auch Tafelobst
sowie Rohstoffe für die Verarbeitung zu Saft, Most und Edelbrand. Unsere Äpfel, Birnen und
Pflaumen waren allerdings sehr klein und nicht sehr ertragreich und manche Sorte war sehr
sauer. Auch ließen sie sich nicht lange lagern.
Manchmal beneidete ich meine Mutter und meine Schwestern. Während ich mit meinem
großen Bruder und meinem Vater auf dem Feld, oder im Wald war, durften sie zu Hause am
Webstuhl sitzen und Nachschub für unsere zerschlissenen Sachen fertigen.
Unser traditioneller Webstuhl hatte senkrecht gespannte Kettfäden, sie waren oben und unten an
einem Tuchbaum befestigt und unten hingen Gewichte dran, meist Steine, damit die Fäden
straff blieben. Viel Zeit brauchte es ein Tuch zu weben, aber es entstanden große Gewebe.
Als meine Schwester einmal lange krank war, brachte Mutter mir auch das Weben bei.
Da merkte ich, dass das auch eine schwere Arbeit war. Ständig tief sitzen und den Rücken krumm
machen. Und meine Augen taten weh von dem wenigen Licht, das durch die offenen Löcher
in der Wand kam. Die Finger taten mir auch weh. Und, wenn Mutter wieder Essen kochen
musste, war der ganze Raum voller Qualm und ich stank selbst. Da war es doch was anderes,
immer an der frischen Luft zu arbeiten.
Wir Slawen waren berühmt dafür viele Götter zu verehren. Wer viele Götter hat, kann auch
oft feiern, das verstand ich.
Unsere Feste und Rituale waren fest verwurzelt. Wir hatten sogar zweimal, im Frühjahr und
im Herbst ein Ahnenfest. Wir glauben nämlich, dass unsere Ahnen wiedergeboren werden
und nach ihrem Tod als Domowniki auch weiterhin bei uns zu Hause wohnen. Natürlich nur
in unserer Vorstellung, denn alle meine Ahnen hätten bestimmt nicht in unsere kleine Hütte
gepasst.
Bei den Festen ehren wir unsere Verstorbenen, versammeln uns auf den Grabhügeln und
zünden Kerzen und Lichter an damit wir unsere Ahnen erwärmen und ihnen den Weg zeigen.
Bei den Totenmahlzeiten essen alle gemeinsam und gedenken der Toten. Diese Feiern finde
ich immer sehr spannend, denn dann werden viele Geschichten aus dem Leben des
Verstorbenen erzählt. Wir wollen damit die Erinnerung an unsere Ahnen lebendig halten.
Überhaupt haben wir eine enge Verbindung zu unseren Vorfahren und zur Natur.
Wir Slawen haben auch kleine heilige Wälder, in denen unsere Schamanen versuchen mit den
Verstorbenen in Kontakt zu kommen, damit wir von ihrer Weisheit lernen können. Das
geschieht meistens Ende November. Hier gibt es Steinkreise auf der Erde, die darf man nicht
betreten. Hier werden auch von unseren Ältesten wichtige Entscheidungen getroffen.
Wenn unsere Liebsten gestorben sind, werden sie oft in einem Sarg oder einer Truhe beerdig.
Viele Grabbeigaben sind es aber meist nicht. Manchmal sind es persönliche Gegenstände,
oder Werkzeuge oder Schmuck.
Aber ich habe auch schon gehört, dass man einen
Verstorbenen auch nach seinem Tod auf einem zeremoniellen Scheiterhaufen verbrennt, dann
wird seine Asche nach zwei Tagen fein säuberlich aussortiert und in einer Urne bestattet.
Unsere Friedhöfe sind wunderschön geschmückt mit Holzpfählen mit magischen Zeichen und
Runen und mit bemalten Steinen.
Unser wichtigstes Heiligtum hier in unserer Gegend hatten wir auf dem Koschenberg.
Der Koschenberg war wie riesiger Stein in der Gegend und für uns sehr imposant, weil er mal 176
Meter hoch war. Unsere Kultstätte war ganz oben und von unten nicht zu sehen, weil da ein
dichter Wald war. Zu den Zeremonien durften nur bestimmte Leute aus unserem Dorf
mitgehen. Und es wird erzählt, dass es eine Sage in der slawische Naturmystik von „der
blauen Blume“ dort gibt. Aber darüber darf ich nicht weiter mit euch sprechen.
Nun ist es aber schon lange nicht mehr so friedlich und einsam in unserer Gegend, wie bei
meinen Vorfahren noch. Immer öfter gibt es Streit mit anderen Dörfern und ab und an
kommen sogar völlig Fremde und überfallen unser Dorf. Wenn die Männer unseres Dorfes
dann auf den weit weg liegenden Feldern sind, können die Räuber leicht unser Dorf
überfallen.
Wir haben die Zeit um 850 u.Z. in der ich lebe. Meine Vorfahren haben also gut 200 Jahre
ohne „Burg“ hier im Laugk gelebt. Doch jetzt haben die Ältesten beschlossen das zu tun, was
schon andere unserer slawischen Stammesverbände getan haben, eine Rund- oder Ringburg
zu bauen zu unserem Schutz.
Sie wird ganz in der Nähe unseres Dorfes gebaut, geschützt durch die undurchdringlichen
Wälder und unsere vielen Sümpfe und ist nur durch einen gut zu verteidigenden Zugang zu
erreichen.
Bei der Suche nach einem geeigneten Platz hatten einige Männer im Wald einen leichten
Hügel erkannt und meinten, dass es ganz früher schonmal eine Burg hier gegeben haben
muss, aber das soll schon sehr lange her gewesen sein.
Es wurde also eine Fluchtburg gebaut.
Wenn die Zeit friedlich ist, leben wir in unserem Dorf, bei Gefahr ziehen wir mit unseren Habseligkeiten
in die Rundburg. Nur unser liebes Vieh tut mir dann immer leid, es passt nicht viel hier rein,
wenn unser Dorf mit gut 200 Menschen sich hier verschanzen muss.
Unsere slawischen Burgen wurden oft als Befestigungsanlagen mit
Schutzfunktionen gegen äußere Angriffe errichtet, das wusste ich von meinem älteren Bruder.
Aber unsere Ringwallanlage sollte nicht so groß werden wie die in Raddusch, wir waren ja
nur ein kleines Dorf. Dort hatte mein Bruder bei der Errichtung mitgeholfen und so ganz viele
Ideen mitgebracht.
Und da ich ja schon ein großer Junge bin durfte ich beim Bau unserer Burg mithelfen, kann
Euch also davon erzählen.
Als erstes wurde der Wald für diese Stelle durch Brand gerodet. Nachdem auf diese Weise
das Gelände von Vegetation befreit war, wurde der Wall angelegt. Der Untergrund aus
Schwemmsand und teilweise darüberliegenden Schlickschichten wurde planiert, die
Schlickschichten zum Teil abgetragen. Da wir um unsere Burganlage einen Wassergraben
ziehen wollten wurde erstmal mit den Holzspaten eine breite Rinne ringsherum ausgegraben.
Tief sollte sie auch noch sein.
Also wurden die Erdmassen mehrmals von tief unten über Stufen nach oben geschippt.
Und damit der Aushub auch was Nützliches hatte wurde er als
Basis der Fluchtburg eingeebnet und erhöhte damit auf wundersame Weise unsere
Burganlage. Wir konnten also dadurch auch weiter ins Land schauen. Auf der so vorbereiteten
Wallbasis wurden Reihen von zugespitzten Pfählen und Bohlen eingerammt.
Auf die Innenseite der Palisaden kam dann noch ein Wehrgang von dem wir die Burg besser
verteidigen konnten. Und draußen gleich vor dem Wall war der Wassergraben. Und mein
Bruder hatte dann die Idee vor den Wassergraben noch eine Palisadenwand zu setzen. Unsere
Ältesten waren begeistert.
Hatte ich Euch gesagt, was Palisaden sind? Also, dass sind diese Pfähle. Baumstämme aus
dem Wald. Aber schon ein wenig dickere, so 30 bis 40 cm im Durchmesser und über 4 Meter
lang. Damit die keiner so leicht überklettern kann wurden sie oben angespitzt. Und die haben
wir genagelt oder zusammengebunden damit sie sich gegenseitig stützen.
Es gab auch einige Brunnen in unserer Burg. Wir konnten ja nie wissen, wie lange wir uns
verstecken mussten. Die Brunnen waren sehr tief. Dafür brauchten sie kleine Leute, wie mich,
die unten die Eimer mit Sand füllten, bis wir an das saubere Grundwasser kamen. Das Wasser
aus dem Brunnen schmeckte viel besser als das aus den Bächen.
Und, wenn dann doch mal unser Dorf angegriffen wurde, hatten wir tapfere Männer, die auch
mit Waffen umgehen konnten. Leider nie so gut wie die Angreifer, weil sie ja eigentlich nur
Bauern und Handwerker waren. Wir hatten einschneidige Schwerter und Speere. Und
natürlich den Bogen mit Pfeilen für den Fernkampf. Diese waren in der Regel aus Holz und
Sehnen gefertigt.
Aber auch Äxte, ganz schön schwere Stücke, und Keulen. Aber die wurden nur selten
geworfen, weil sie einfach zu wertvoll waren. Und zum Schutz der kämpfenden Männer
hatten diese meist runde Schilde aus Holz.
Unsere Schamanen hielten vor dem Kampf auch ganz bestimmte Rituale ab, um der kleinen
kämpfenden Schar Mut zu machen. Eine Geschichte wurde dann auch immer erzählt, nämlich
von Radbot. Er war ein slawischer Fürst ganz weit weg von hier in Friesland, ganz hoch im
Norden an der Mündung des Rheins. Er hatte unzählige Schlachten siegreich geschlagen.
Wenn wir so einen Radbot hätten wie die Friesen da, würden wir jeden Angreifer in die
Flucht schlagen.
Zum Glück wurden wir aber in meiner Zeit noch nicht oft angegriffen.
In unserer Rundwallanlage standen viele kleine Häuser, so sechs bis acht Meter lang. Meist
wurden sie aber nur als Lagerplatz genutzt. Und mittendrin in der Rundburg, stand das
Prachtstück der Anlage, eine große wunderschöne Linde.
Großvater sagte, dass einige sagen, das ist wie der Thingplatz bei den Germanen. Dort wird
Gericht gehalten, oder über Streitigkeiten untereinander durch die Ältesten des Dorfes
entschieden, oder ganz wichtige Angelegenheiten besprochen. Mein Stamm nannte diesen Ort
in unserer Sprache aber Komorrow, was Kammer, oder auch, Gerichtsplatz bedeutet.
Aber das war mir nicht ganz so wichtig, wenn ich nur einen Platz im Schatten der Linde
erhalten konnte. Und es duftete hier auch immer herrlich, ganz besonders während der Blüte.
Und, wenn die Sonnenstrahlen durch das Blätterdacht schienen, malte ich mir viele kleine
Lutkis und Gespenster aus, die ich glaubte, dort zu sehen. Diese geheimnisvollen Wesen sind
ein fester Bestandteil der slawischen Sagenwelt. Sie sind klein, denn lutk bedeutet kleiner
Mensch. Wir vertrugen uns und halfen einander.
Eigentlich waren wir nur selten in unserer Ringwallanlage. Neben der Funktion als
Gerichtsplatz diente sie in Friedenszeiten nur als Lager. Aber, wenn unser Dorf mal von
einem anderen Stamm angegriffen wurde, dann diente uns der Rundwall als Schutz.
Ich fand ihn riesig und beeindruckend. Er war gut 50 Meter im Durchmesser, naja, und eher
eine Eiform als ein Kreis. Aber das lag an der Gegend hier. Es gab nicht viel festen Boden.
Meine Heimat war sehr nass. Moore und Sümpfe entstehen, dass wusste meine Schwester,
wenn das abgestorbenes Pflanzenmaterial in der Erde nicht so schnell verrottet, wie das
nachwachsende Grünzeug wächst. Sümpfe gibt es viel an Seeufern und Flussniederungen mit
stark schlammigen Böden und stehendem Wasser. Im Gegensatz zum Moor bildet sich im
Sumpf kein Torf, da die organische Substanz durch gelegentliches Austrocknen vollständig
abgebaut wird. Im Sumpf wachsen keine Bäume, aber gelegentlich gibt es Wiesen oder
Gebüsche.
Auch wachsen im Sumpf sehr viele besondere Pflanzen, die es sonst nirgendwo
gibt. Am bekanntesten ist wohl das Schilfrohr. Es gibt auch sehr schöne Blumen wie etwa die
Sumpf-Schwertlilie, den Sumpf-Storchschnabel und viele andere. Der Sumpf ist urtümlich
und allgegenwärtig und wurde immer als gefährlich und undurchdringlich angesehen. Der
Sauerstoffmangel in einem Sumpf soll Halluzinationen verursachen. Bei uns gab es viele
Mythen von Sumpfmonstern. Im Moor dagegen kann sich abgestorbenes Pflanzenmaterial
wie Laub am Boden nicht mehr genug zersetzen, da die für Zersetzung wichtige Luft durch
das Wasser verdrängt worden ist. Im Moor entsteht deshalb Torf.