Bis zum Jahre 1910 war das
AMTSGERICHT in den
RÄUMEN des alten
SCHLOSSES untergebracht. Wegen der sich immer mehr häufenden Bevölkerung des Amtsgerichtsbezirkes und der damit verbundenen gesteigerten Amtshandlungen war
DAS ALTE SCHLOSS ALS GERICHTSGEBÄUDE zu eng geworden. Darum hat der Staat ein
NEUES PRACHTVOLLES AMTSGERICHTSGEBÄUDE für den Kostenpreis von 500 000 Mark errichten lassen und im Jahre 1910 der Benutzung übergeben.
Schon im ersten Jahr seines Bestehens standen über 200 Personen vor den Schranken des neuen Gerichts, darunter wegen…
Trunkenheit…47 / Bettelns…46 / Verübung groben Unfugs…25 / Diebstahls & Einbruch…22 / Vagabundierens & Landstreichens …16 / nächtlicher Ruhestörung…11 / Hausfriedensbruchs & Bedrohung…6 / Sachbeschädigung, Beleidigung & Betrug…je 5 !
Das am 1. Mai eingeweihte
AMTSGERICHTSGEBÄUDE wurde im >Senftenberger Anzeiger< wie folgt beschrieben:
„Der BAU, welcher drei abgetrennte HÖFE umschließt, wurde von Herrn Regierungs-Baumeister F i e h n geleitet & allen Erfordernissen der Neuzeit entsprechend ausgeführt . Als ZIERDE DER STADT bietet vor allem der das Hauptgebäude krönende TURM eine prächtige AUSSICHT über Stadt & Umgebung. Sämtliche SCHREIBSTUBEN sind hell und gut ventiliert, nur der SCHÖFFENGERICHTSSAAL, zu dessen ZUHÖRERRAUM ein besonderer Eingang links vor dem ENTREE hinaufführt, hätte unseres Erachtens erheblich größer sein können; auch weisen die RÄUME recht gediegene AUSSTATTUNG auf, wie auch beide GEBÄUDE mit CENTRALHEIZUNGS-Anlagen versehen sind. Bis auf das GEFÄNGNISGEBÄUDE sind nahezu alle RÄUME besetzt. Später wird auch die Zahl der GEFÄNGNIS-INSASSEN über 60 betragen.“Im
>ORBIS PICTUS<, einem 1658 in Nürnberg erschienenen und in Europa vom 17. bis zum 19. Jahrhundert weit verbreiteten JUGEND~ & SCHULBUCH, erklärt der Lehrer & Theologe JOHANN AMOS COMENIUS seinen Schülern >DIE SICHTBARE WELT<. Bei meinen RECHERCHEN ist es auch für mich zu einem ständigen Begleiter geworden.
In diesem recht umfangreichen Werk, das als eines der ersten multimedialen UNTERRICHTSMATERIALIEN und als Vorläufer des modernen BILDLEXIKONS angesehen werden kann, beschreibt er u.a. auch
DAS EHRWÜRDIGE GERICHT & die von ihm auferlegten
LEIBESSTRAFENSchon unsere Altvorderen wappneten sich mit guten
RATSCHLÄGEN, bevor sie vor die
„SCHRANKEN DES GERICHTS“ traten, denn sie wussten:
„Mancher meynt, er schafft es mit dem maull – und ist seyn schädel leer wie eyn taube nuß.“Eingedenk dieser weisen Worte, veröffentlichte der >Senftenberger Anzeiger< die folgenden
„10 GEBOTE FÜR SOLCHE, DIE ZUM GERICHT GEHEN“
- die bis heute nichts an AKTUALITÄT eingebüßt haben:
(1) Laufe nicht ohne weiteres zu Gericht, sondern überlege genau, ob du nicht den STREIT durch eine AUSSPRACHE oder durch einen VERGLEICH erledigen kannst;
denn das Gericht nimmt dir stets viel Zeit weg und bereitet dir oft Unannehmlichkeiten, auch wenn du den Prozeß gewinnst.
(2) Vergiß nicht die nötigen UNTERLAGEN (Urkunden, Quittungen, Briefe, Rechnungen, Verträge usw.) mitzunehmen, sonst könntest du den Gang oder die Fahrt umsonst gemacht haben.
Ohne Unterlagen kann der Tatbestand deiner Klage nicht erschöpfend aufgenommen werden.
(3) Vergiß nicht bei ANTRAG auf Einstellung der Zwangsvollstreckung mit der Interventionsklage das Pfändungsprotokoll mitzunehmen.
(4) Willst du eine KLAGE wegen BELEIDIGUNG oder SACHBESCHÄDIGUNG anstrengen, eine sog. PRIVATKLAGE, vergiß nicht, das ZEUGNIS über den erfolglos verlaufenden Sühneversuch beim Schiedsmann mitzunehmen.
(5) Hast du einen PROZESS beim Gericht anhängig, notiere dir das AKTENZEICHEN, damit die AKTEN schneller ermittelt werden können. Wer die SCHRIFTSTÜCKE mit dem AKTENZEICHEN vergisst, läuft Gefahr,
daß er oft nach langem Warten ohne die gewünschte Auskunft wieder nach Hause gehen muß.
(6) Verschiebe den GANG ZUM GERICHT nicht auf eine letzte Stunde des Tages. Je früher du hingehst, desto besser, und du sparst Zeit.
(7) Versieh dich für den Gang zum Gericht mit GELD, um gleich notwendige GEBÜHREN oder Vorschüsse zahlen zu können. Solltest du zur ZAHLUNG außerstande sein,
so schaffe dir vorher beim Wohlfahrtsamt einen ARMENSCHEIN.
(8) Vergiß nicht, derjenigen PERSON eine SCHRIFTLICHE VOLLMACHT mitzugeben, die für dich einen TERMIN wahrnehmen soll, falls du an dem Tage verhindert bist.
(9) Bei FRISTEN & EILSACHEN warte nicht bis zum letzten Augenblick. Eine VERSÄUMUNG hat oft zur Folge, daß die Einlegung eines Rechtsmittels unmöglich wird.
Der Gang ist sonst vergeblich, und der Prozeß kann durch ein Versäumnisurteil für dich verloren gehen.
(10)
RICHTE DICH in Rechsstreitigkeiten
NICHT NACH DEM GESUNDEN MENSCHENVERSTAND, SONDERN NACH DEN GESETZBÜCHERN. Prüfe vor Eingehen eines Prozesses, ob du im umgekehrten Fall nicht ebenso handeln würdest wie jetzt dein Gegner. Bei Beachtung dieses Gebotes ließen sich sehr viele Prozesse ersparen!“
IM LETZTEN GEBOT steht es also schwarz auf weiß, und wir wundern uns heutzutage immer noch bzw. meist schon gar nicht mehr darüber,
welche teils „recht seltsamen & unverständlichen“
URTEILE vor Gericht gefällt werden.
Mit gesundem Menschenverstand ist eben nicht alles erklärbar. Auch auf ein schon uraltes, langzeitlich bewährtes „sprichwörtliches Gebot“ können die Gerichte bislang noch nicht verzichten:
„DIE KLEINEN FÄNGT MAN – DIE GROSSEN LÄSST MAN LAUFEN“Diese Erkenntnis gab es nämlich schon im mittelalterlichen Senftenberg. Damals sprach man sie so aus:
„Die kleinen dieb man henken thut – vorn großen zeucht man ab den hut.“