Dem alten WITZ folgend:
„Treffen sich DREI DEUTSCHE, gründen sie einen VEREIN“ war in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in
SENFTENBERG das deutsche
VEREINSLEBEN im Anmarsch, denn
„wer in DEUTSCHLAND zu Hause ist, kommt um VEREINE nicht herum.“ Neu im vielfältigen
VEREINSANGEBOT war allerdings
der sogenannte
VERSCHÖNERUNGSVEREIN,
der am 3. März 1896 von 70 Sympathisanten aus der Taufe gehoben wurde, welche sich speziell der
LANDSCHAFTSGESTALTUNG verschrieben hatten.
Die hierzu benötigten
GELDMITTEL wurden zum geringeren Teil aus
MITGLIEDSBEITRÄGEN bestritten, während größere Summen durch
PRIVATSPENDEN beigesteuert wurden. Letztere ließen sich sehr gut requirieren, da es sich bei den
VEREINSMITGLIEDERN, deren Zahl sich in kürzester Zeit verdoppelte, überwiegend um prominente städtische
GESCHÄFTSLEUTE handelte, die ihren weitreichenden Einfluss geltend machten. Die nachfolgende, in
SÜTTERLIN geschriebene
MITGLIEDERLISTE der „Creme de la Creme“ habe ich dem
PROTOKOLLBUCH des Vereins entnommen:
Mit 2-monatiger Verspätung wurde am 9. Mai im >Senftenberger Anzeiger< den Senftenberger Bürgern der
„TÄTIGKEITSBEREICH“ des neugegründeten
VEREINS einschließlich der wichtigsten
VORHABEN – Bepflanzung des Volksparks, Bau von Holzbrücken & Aufstellung diverser Sitzbänke für Spaziergänger, sowie Bau von Aussichtsplattformen – vorgestellt.
Senftenberg, 9. Mai 1896„In der am Abend des 6. Mai im >Müller’s Vereinssaal< stattgehabten, nicht sehr zahlreich besuchten VERSAMMLUNG des hiesigen, jetzt auf ca. 150 Mitglieder angewachsenen VERSCHÖNERUNGS-VEREINS wurde bei dem Bericht über die bisherige TÄTIGKEIT vom stellv. Vorsitzenden Herrn P. J u r i s c h mitgetheilt, daß zunächst am Fuße des äußeren Schloßwalls ein PROMENADENWEG und auf die Bastionen FUSSWEGE hergestellt und der WALL mit Sträuchern und sonstigen Anlagen verschönert worden sei. Der DAMM am AMTSTEICH habe eine KASTANIEN-ALLEE erhalten, ebenso seien an der Südseite der KIRCHE in geeigneten Ecken ANLAGEN angebracht worden.
Zu den ANPFLANZUNGEN seien über 1200 STRÄUCHER & BÄUME erforderlich gewesen, wovon an 300 der Verein geschenkt erhalten habe (vom Kunstgärtner N e u m a n n allein an die 100). Vorläufig sei die Aufstellung von 4 eisernen und 1 HOLZBANK geplant, ferner empfehle sich eine RUNDBANK um die große EICHE am AMTSTEICH, die Sicherung der ANLAGEN an der KIRCHE durch mit Bandeisen verbundene PFÄHLE und die Befestigung der PROMENADENWEGE am SCHLOSSWALL durch Beschüttung mit KIES oder dergl.
Die beschlossene doppelreihige LINDENALLEE auf dem Buchwalder STEINDAMM sei für den Verein nicht ausführbar, da dieselbe eine sehr erhebliche AUFSCHÜTTUNG erfordern würde…Nachdem der Kassierer Herr Kaufmann R. G u t m a n n den KASSENBERICHT erstattet hatte, welcher eine EINNAHME von ca. 527 Mk., eine AUSGABE von ca. 176 Mk. und einen BESTAND von ca. 351 Mk. ergab (wovon aber noch an 190 Mk. RECHNUNGEN zu begleichen sind), wurden die VORSCHLÄGE des Vorstandes bezüglich Beschaffung von SITZBÄNKEN & Mehrung der ANLAGEN an der KIRCHE genehmigt und ferner beschlossen, daß die PROMENADE am WALL zunächst mit vom hiesigen BAHNHOFE zu beziehende STEINKOHLENSCHLACKE überbreitet werden soll.
– Alles in Allem genommen hat der VEREIN in der kurzen Zeit seines Bestehens eine sehr rege THÄTIGKEIT entfaltet und wäre wünschenswerth, wenn seinen Zwecken allseitig weitere FÖRDERUNG zu Theil würde.“ Nicht nur in
SENFTENBERG gab es auch eine Vielzahl an
KRITIKERN, die argwöhnisch auf die enormen
ANSTRENGUNGEN der
VERSCHÖNERUNGSVEREINE blickten, die sich wiederum mit entschuldigenden
ARGUMENTEN, wie
„Alljährlich bedarf es neuer Anstrengung und Opfer, um die angelegten Wege, die errichteten Pavillons, Tische und Bänke vor der Zerstörungswuth der Elemente, bösen Jahreszeiten, Thiere und Buben zu schützen.“ zur Wehr setzten, was besonders gegen notorische
„SCHWARZMALER“ äußerst schwer fiel, die sich folgendermaßen positionierten:
„Der VERSCHÖNERUNGSVEREIN hat sich lange mit der Anlage von schotterigen PROMENADENWEGEN und der Aufstellung braungestrichener BÄNKE aus HOLZ & EISEN, die in der Rückwand Inschrift & Jahreszahl trugen und mit poetischen NAMEN, wie „Waldfrieden“, „Adlersruh“ usw. getauft waren, beschäftigt.
Krumme WEGE führten durch die RASENPLÄTZE, die als WIESEN gedacht waren, und darauf standen als NACHAHMUNG eines WALDES einige BÜSCHE traurig in einer DRAHTUMZÄUNUNG herum. Vor lauter VERSCHÖNERUNG wird der VOLKSPARK alsbald so HÄSSLICH sein, daß er für erholungsbedürftige Seelen keinen erquicklichen AUFENTHALT mehr bietet…“Dies beweisen die nachfolgenden zwei
FOTOS sehr deutlich, nämlich in Form von
VERSCHANDELUNGEN DER NATUR durch sogenannte „Schilderwälder“:
Dabei hatten zu damaliger Zeit
ALLE VERSCHÖNERUNGSVEREINE mit
VORURTEILEN zu kämpfen, wie nachfolgend zu lesen:
„Daß der MENSCH die NATUR verschönern könne, ist ein anmaßender Gedanke. Die NATURSCHÖNHEIT ist etwas für sich, DAS, was der MENSCH hinzutut,
ist etwas anderes, fremdes. Gewöhnlich beschränkt sich der >VERSCHÖNERUNGSVEREIN< der NATUR gegenüber auf die Anlegung von WEGEN, die Anbringung von BÄNKEN, WEGWEISERN, SCHUTZZÄUNEN gegen das Herabfallen von Kindern oder Betrunkenen. Er errichtet aber, bei Vermehrung seiner finanziellen Mittel, auch TRINKBUDEN & WIRTSHÄUSER.
Er macht für die Masse den NATURGENUSS zugänglicher und sorgt für die größere BEQUEMLICHKEIT der Naturbummler, wobei aber die SCHÖNHEIT & GRÖSSE der NATUR oft verliert.“ Doch
SENFTENBERGS VERSCHÖNERUNGS – PIONIERE ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, verfolgten weiterhin ihre Ziele, wie die
VORHABEN von
1898 beweisen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich alle
VEREINSMITGLIEDER auch den überaus kritischen, populärwissenschaftlicher
BEITRAG aus dem oben eingeblendeten
BÜCHLEIN zu Herzen nahmen, da er viel
WAHRES enthielt:
DER VERSCHÖNERUNGSVEREIN
„Der >VERSCHÖNERUNGSVEREIN< hat seinen wahren Platz in unseren STÄDTEN, wo er allerdings den kräftigeren Namen >VEREIN ZUR BEKÄMFUNG DES HÄSSLICHEN< annehmen sollte.
Wie man die NATUR zu verschönern sucht, indem man menschliche WERKE in sie hineinstellt, so glaubt man für die VERSCHÖNERUNG DER STÄDTE alles gethan zu haben, wenn man auf ihren PLÄTZEN & WÄLLEN ein bisschen NATUR nachbildet, in die man BÄNKE für Kindermädchen & Bummler und womöglich noch ein paar BEDÜRFNISANSTALTEN hineinstellt.
Ein grünes RASENVIERECK mit staubigen BLUMEN im Kreuzungspunkt schnurgerader STRASSEN mit unabsehbaren, kaum unterscheidbaren HÄUSERREIHEN mag ‚hygienisch‘ wünschenswert sein, schön ist es nicht. An einem Ende etwas derartiges schaffen und am andern eine alte FASSADE zerstören, ein altes THOR abtragen, und dafür einen neuen riesigen BAU errichten, kann man das >VERSCHÖNERUNG< nennen ? Im besten Fall ist es eine ärmliche FLICKSCHUSTEREI…
Die Arbeitswilligkeit des >VERSCHÖNERUNGSVEREINS< soll nicht in Zweifel gezogen werden. Es muss sogar anerkannt werden, dass er berufen ist, wichtige Kulturaufgaben zu lösen. Das ZIEL seiner TÄTIGKEIT sollte aber die ERHALTUNG DES BESTEHENDEN sein, die PFLEGE der heimatlichen & bodenständigen Art. Der VEREIN sollte sich als verständiger HÜTER des übernommenen SCHATZES an Natur~ & Lebensformen (Tracht, Sitte, Hausbau, Straßen, Gassen, Plätze, Kirchen, Friedhöfe usw.) verstehen, weil die WEISHEIT & LIEBE früherer Geschlechter daran hängt.“
Woran es lag, dass der VERSCHÖNERUNGSVEREIN SENFTENBERG nach knapp 30 Jahren „von der Bildfläche verschwand“,
entnehmen wir leidvoll den RANDBEMERKUNGEN des damaligen Bürgermeisters Albert S e e d o r f :