KREISHAUS im DUBINAWEG in SFB. „Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst“ – diesen gut gemeinten Rat gibt man Freunden gern, bevor die sich mit einem Anliegen an eine Behörde wenden.
Auch mich beschlich jedes Mal, wenn ich zum „Rat des Kreises“ in dieses imposante Gebäude am Dubinaweg bestellt wurde, ein recht mulmiges Gefühl. Ich war mir oft keiner Schuld bewusst, hatte auch meist ein reines Gewissen – und musste dann zu allem Überfluss auch noch den schwer zu findenden Hintereingang benutzen, weil das große Eingangsportal mit der Freitreppe für den „Normalbürger“ tabu war. Ich bin mir sicher, dass es vielen ähnlich erging und dass man wohlweislich Amtsgerichte, Finanz~ & Arbeitsämter und andere Behörden nur deshalb in gewaltigen Gebäuden mit massiven Mauern, schweren Türen und hohen Fenstern unterbringt, damit man sich schon beim Eintritt als kleiner und armseliger Bittsteller vorkommen darf.
1924 öffneten sich erstmals die Türen des damaligen „Bergbauhauses“ und die Räume wurden von verschiedenen Bergbauvereinen und einem „Braunkohlenmuseum“ gemietet.
Einst sprachen hier Bergleute bei der Rechtsberatungsstelle vor, beantragten Wohnraum in den Bergbausiedlungen oder gaben Anzeigen in der Werkszeitung „Der Niederlausitzer Braunkohlenbergmann“ auf.
Diesen speziellen
>BERGBAUJAHREN< ist mein heutiger Kommentar gewidmet:
Der mir noch aus
>BIRKCHEN-Zeiten< bekannte, nunmehr als Standort-Referent Senftenberg der BTU tätige
Ralf-Peter Witzmann hatte sich nach der Wende (27.7.1991) in einer LR-Kolumne mit der sinnlosen Zerstörung alter Bergbau-Symbole, wie dem oben abgebildeten
STEINERNEN BERGMANN, auseinandergesetzt:
„Es war einmal ein BERGMANN, der trug eine UNIFORM mit vielen KNÖPFEN. Seinen breiten GÜRTEL zierte eine prächtige SCHNALLE, die jedoch nicht einmal bei herrlichstem Sonnenschein metallen glänzte. Denn alles an dem MANNE – selbst der FEDERBUSCH auf seiner MÜTZE – war aus ROTBRAUNER ZIEGELSTEINMASSE gebrannt. In einem BERGARBEITERORT stand er gleich gegenüber den rauchenden SCHLOTEN einer BRIKETTFABRIK in einer Mauernische und hielt mit Stolz eine BERGPARTE in der rechten Hand.
Von seinem SOCKEL wachte er über die ganze Straße mit den kleinen Häusern, die aus ähnlichem Material wie er gefertigt waren, mit den FAMILIEN der BERGLEUTE & FABRIKARBEITER, die darin wohnten und in den VORGÄRTEN Kartoffeln & Bohnen anbauten. Jahrein, jahraus vermochten ihm weder grimmige KÄLTE, noch sengende HITZE oder gar der unablässig auf ihn niedergehende feine KOHLENSTAUB etwas anzuhaben. Vor seinen Augen war ein stetes KOMMEN & GEHEN. Täglich dreimal mussten ARBEITER zur SCHICHT oder machten sich erschöpft auf den NACHHAUSEWEG. FRAUEN trugen mehr oder minder gefüllte EINKAUFSTASCHEN und KINDER ihre SCHULMAPPEN an ihm vorbei…
Und dann kamen die >VANDALEN<. In einer finsteren Nacht gingen schwere metallene SCHLÄGE auf seinen rechten UNTERARM nieder, SPLITTER flogen umher. Dann entrissen ihm zwei MÄNNER die BERGPARTE, und mit ihr auch die HAND, die sie fest umklammert hielt. „Jetzt schlagen wir ihm noch den KOPF ab“, sagte der eine Unhold, „den verkaufen wir für schönes GELD.“ Gesagt, getan – danach verschwanden sie in der Dunkelheit und zurückblieb blieb der verstümmelte, um das ZEICHEN seines BERUFES beraubte STEINERNE BERGMANN…" Wenn die
FABRIKSIRENE laut ertönte, wurden die
MASCHINEN zum Stillstand gebracht und das
WERKZEUG aus der Hand gelegt. Kurz darauf öffneten sich die
FABRIKTORE und schütteten eine große Schar „Arbeitsmüder“ aus, die in beschleunigtem Tempo nach Hause eilten, denn die
SEHNSUCHT nach Weib & Kind, nach gedecktem Abendbrottisch, nach der gemütlichen Ofenecke beflügelten den Schritt. Wie
GLÜHWÜRMCHEN leuchteten auf allen, vom
WERKE fortführenden
WEGEN die
LATERNEN von ganzen Reihen von
RADFAHRERN auf,
die ihren
HEIMATORTEN zustrebten. Sie alle hatten nun endlich
FEIERABEND. Womit sich einstmals die
BERGLEUTE in der
FREIZEIT beschäftigten, kann man auch in den
INSERATEN der Zeitschrift
>DER NIEDERLAUSITZER BRAUNKOHLENBERGMANN< erkennen:
Ein schöner
BRAUCH in den
BERGMANNSSIEDLUNGEN war das“ von der Bergknappenkapelle gespielte
„STÄNDCHEN“ für die
BERGLEUTE, die einen hohen Geburtstag feierten. Die
NACHBARN kamen aus ihren Häusern und traten auf die Straße oder kamen gleich in den Garten. Die Kinder drängen vorsichtig zu den Musikern hin. Im Sommer stand der Jubilar vor dem Haus, die Frau und die Kinder brachten die Schnapsflasche und die Gläser. Wenn heute irgendwo in der Stille des Abends das Bergmannslied " Glück auf, der Steiger kommt " ertönt, wird gleich die Erinnerung an diese „alte, wenn auch nicht immer schöne, Zeit“ wach. Und während aus der Direktorenvilla die auf dem teuren
KLAVIER rauf und runter geklimperte
TONLEITER zu hören war, erklangen in den Abendstunden auf den Treppenstufen oft vor irgendeinem Haus, zumeist von einem
BERGMANN gespielt, ein
>BERGMANNSKLAVIER<, wie man die
ZIEHHARMONIKA oder deren „Schwestern“
BANDONIUM & CONCERTINA würdevoll bezeichnete.
Dagegen zog es die
FRAUEN mehr zu den Zupfinstrumenten
MANDOLINE & VIOLINZITHER hin…
Wenn ich eine ZIEGE seh‘, muss ich an ZU HAUSE denken.
Höre ich das traute MÄH, kann ich mich zurückversenken
in die Zeit des BARFUSSLAUFENS.
Denke an zerriss’ne HOSEN, und zum Dank für jedes MÄH
möchte‘ ich ihren BART liebkosen.
Einst graste die BERGMANNSKUH unter Silberbirkenstämmchen.
gab uns MILCH und noch dazu um die Osterzeit ein LÄMMCHEN.
BERGLEUTE waren weitestgehend krisenfest, wenn sie ein kleines
FELD beackerten, ihr dünnbeiniges
SCHWEINCHEN fütterten und sich eine schwarz-weiß gefleckte
ZIEGE hielten, die immer „
LOTTI“ hieß. Der Name
>BERGMANNSKUH< fußt auf den Lohnverhältnissen im Bergbau des ausgehenden 19. Jh., als für den
BERGMANN eine
KUH als unerschwinglich galt. Viele
BERGLEUTE fütterten auch noch
HÜHNER u.a. Geflügel sowie
KANINCHEN. Meine Großeltern zogen jährlich zwei
OSTERHASEN groß, und über eine etwas längere Zeit auch schon mal eine "
BERGMANNSKUH"...
Jahrzehnte lang waren im
KOHLENPOTT die
TAUBEN, exotisch verbrämt
>KOHLENPOTT-FLAMINGOS< genannt, die „Rennpferde der Bergleute“ und der
TAUBENSCHLAG für sie ein Rückzugsort nach der harten Arbeit in Grube oder Fabrik. So mancher
>SPORTVOGEL<, dem es an
SCHNELLIGKEIT fehlte, war „zumeist mit einem Bein schon in der Suppe“, was medizinisch gesehen positiv war, weil
TÄUBCHENSUPPE in der Tat gegen
ERKÄLTUNG helfen soll.
Ihre
TAUBEN konnten betrachtet oder auch schon mal ganz vorsichtig berührt und gestreichelt werden. Dabei kamen
TAUBENVÄTER & GÄSTE ins Gespräch:
„Wie ist das so, wenn man aufgeregt auf die Rückkehr der „Rennpferde“ wartet? Wie findet die Taube eigentlich nach Hause? Warum brauchen die Tauben besonders gutes Futter?“ – waren die meistgestellten
FRAGEN. So entstand eine lebhafte und gesellige Atmosphäre, und
DIE ZEIT VERGING WIE IM FLUG.
Ganz persönliche
ERKENNTNISSE aus dem Mund des
TAUBENZÜCHTERS gab es zum Schluss :
„Alle Tauben werden Hans gerufen. Sie hören zwar nicht darauf, doch das ist mir völlig egal, denn ich habe das Futter, und sie werden schon kommen. Der Taubenschlag stinkt
mörderisch, und das tägliche Scheiße kratzen ist auch nicht gut für meine Gesundheit.“
Wir verlassen nunmehr die
FEIERABENDBESCHÄFTIGUNGEN DER BERGLEUTE mit folgendem
TAUBENSPRÜCHLEIN:
„Das höchste Lebensziel der Tauben
ist: Menschen den Verstand zu rauben
durch Gurren ohne Unterlass,
bis man verrückt wird. So ist das.“