Am 13. Januar 1928 traf sich der Senftenberger
VEREIN FÜR HEIMATPFLEGE,
zu einem sehr anregenden
VORTRAG über die
FARBE IM STADTBILD
Der Redner bezeichnete es als Aufgabe des Vereins, zu diesem Problem und dieser Bewegung Stellung zu nehmen und den Behörden Anregungen zu an sich notwendigen Besserungen zu geben.
Er merkte sehr kritisch an, dass die Freude an der FARBE im Laufe der letzten Jahrhunderte verloren gegangen sei.
Angesichts der FARBIGKEIT in alten deutschen Kleinstädten hegt man allerdings Zweifel am angeblichen Jahrhunderte währenden "Verlust der Farbe".
Bevor wir erfahren, was der Redner damals zur
FARBE IN SENFTENBERGS STADTBILD ausführte, gestatten wir uns einen kleinen Ausflug in die
HISTORIE:
In der Zeit des Absolutismus gab es Kleinstaaten, in denen alle Gebäude in einem einheitlichen Farbton gestrichen werden mussten. Lediglich das Schloss des Landesherren hob sich durch einen
ANDERSFARBIGEN Anstrich oder die Verwendung eines
FARBIGEN Steines von den Gebäuden der Untertanen ab.
Bis in das 18 Jahrhundert hinein wurden Kultbauten und Verwaltungsgebäude in Stein errichtet - Wohnbauten dagegen vornehmlich in Fachwerk, vorwiegend in den preußischen Staatsfarben
SCHWARZ/WEISS gestrichen.
In der Zeit der Romanik - um 1840 - erfolgte eine starke Hinwendung zur Natur. Das wirkte sich auch in der Baugestaltung aus. 1835 war erstmals ein Ziegelsteingebäude, die Bauakademie in Berlin, unverputzt gelassen worden. Dies war ein epochales Ereignis, das sehr bald Schule machte.
Nunmehr galten Fachwerkbauten in Deutschland als "Arme-Leute-Häuser", ja als altmodisch. Stein- und Materialsichtigkeit waren modern. Folglich wurden viele Fachwerkhäuser mit Putz versehen und in einem
STEINFARBTON gestrichen.
Zu Beginn des Historismus - ab ca. 1860 - wurden fast nur noch Natursteinbauten oder verputzte und mit Stuck versehene Gebäude errichtet. Schon Ende der 1890er Jahre wurde darüber geklagt, dass die Städte
GRAU und trist seien. Mehr Farbe sollte diesem Missstand abhelfen und schon nach 1900 wurde immer häufiger von
STARKFARBIGEN Gebäudeanstrichen berichtet.
Zunächst von allen bewundert, kommentierte man sehr bald auch in recht kritischem Ton:
"Für den Anstrich der Außenfronten dürfen keine stark blendenden, die Augen empfindlich belästigenden FARBEN verwendet werden."
Bereits um 1910 ging die Begeisterung für den
FARBIGEN Hausanstrich in Deutschland zurück. Interessanterweise wurde die Begrünung der Gebäude zu dieser Zeit stark propagiert.
Dass die Gebäude zwischen 1900 und dem Ausbruch des
1. Weltkrieges nur
EINFARBIG waren, lässt sich aus den Schwarz-Weiß-Fotos der damaligen Zeit ableiten. Danach gab es sowohl insgesamt
HELLE als auch insgesamt
DUNKLE Gebäude. Weiterhin kamen Häuser mit
DUNKLEN Wandflächen und
HELLEM Stuck und in umgekehrte Gestaltung vor.
Die
GEBÄUDEFARBIGKEITEN auf Ansichtskarten sind nur bedingt aussagefähig, da bei diesen Abbildungen die malerische Darstellung meist gegenüber der dokumentarischen dominierte. Auch bei Fotografien wurde häufig nachkoloriert.
Nach den Wirren der Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre setzte 1920 erneut eine Farbbewegung in der Architektur ein. Den zeitgenössischen Abbildungen zufolge waren die frühen Gebäudefassungen sehr
VIELFARBIG.
Insgesamt müssen die Städte damals nämlich sehr trist ausgesehen haben,
und die Armut war groß in Deutschland. So wurde
FARBE als ein relativ preiswertes und dennoch wirkungsvolles Mittel zur optischen Stadtverbesserung angesehen.
Wesentlich wahrscheinlicher ist allerdings, dass ob der starken Schmutzbelastung in den Innenstädten des Reviers ein
FARBIGER Anstrich für sinnlos gehalten wurden.
Denn
FARBE und Gerüstaufbau kosteten auch schon damals ziemlich viel Geld.
Ende der 20er Jahre die
FARBANWENDUNG in der Architektur zurück.
BUNTE Farben wurden als ein Stück Romantik abgelehnt. Einzige
BAUFARBE war
WEISS:
Ab den 30er Jahren setzte eine große Begeisterung für
GRAU ein.
GRAU galt als der Ausdruck der gemeinschaftsbildenden Kraft im Menschen, als die symbolische Farbe des Städters im Gegensatz zum Bauern, als die Farbe der großen Arbeit, als die Lieblingsfarbe der Architektur. Auch Denkmalpfleger waren der Meinung, dass insbesondere für die älteren Gebäude ein lichtes bis mittleres GRAU die einzig richtige Farbe sei.
Sehr DUNKELGRAUE bis SCHWARZE Gebäudeanstriche, insbesondere in den Industriegebieten, gehen auf einen Erlass der 1930er Jahre zurück. Danach sollten vor allem große Mietwohnhäuser sehr DUNKEL gestrichen werden, damit sie im Kriegsfalle nicht so schnell aus der Luft ausfindig gemacht werden könnten.
Nun ja, und
WELCHE FARBEN schlug nun der Referent, Lehrer Reinecke, für Senftenberg vor ?
Der >Senftenberger Anzeiger< berichtete davon:
"Die FARBE IM STADTBILD sei für Senftenberg von ausschlaggebender Bedeutung. Hier seien Unterlassungen wieder gut zu machen.
Man müsse sich davor hüten, Farben zu gebrauchen, die zu extrem wirken. Farbenharmonie ergebe sich nur bei Anwendung gedämpfter Farben. Grelle Farben seien geeignet, das Stadtbild zu zerreißen.
Die Farbe müsse der Form des Gebäudes und der sozialen Stellung des Bewohners Rechnung tragen.
Das Stadtbild müsse außerdem zu den Monumentalbauten abgestimmt werden. Es sei Sache der Architekten, den richtigen Farbton zu treffen.
Die Farbe sei vielfach das Bestimmende, dann nämlich, wenn sie die Form zu heben imstande ist..
Der Redner streifte noch kurz den Ziegelbau mit seiner natürlichen Farbgebung und das Terranova-Trockenmörtelverfahren, wodurch unschöne Fassaden ein besseres Aussehen gewinnen, und schloß mit dem Wunsche, daß es gelingen möge, in Senftenberg das gesamte Stadtbild durch Farbgebung zu heben. Hierbei müßte das Gute aus der neuen Bewegung mit dem guten Alten verquickt werden.
Dr. Lehmann dankte dem Redner für seine wertvollen und anregenden Ausführungen. Architekt Vogel - Grube Marga unterstrich das Bekenntnis zur Farbe als Fachmann und Mensch. Der Verein habe an der Frage nicht nur das größte Interesse, sondern auch Pflichten.
Die großen Aufgaben seien erkannt. Das Gebiet der Farbengebung sei zwar neu, das dürfe aber nicht davon abschrecken, sich damit zu befassen. Wenn der Individualität kein allzu großer Zwang angetan werden, könne sie sich in der farbigen Gestaltung des Stadtbildes nur vorteilhaft betätigen. Dem Stadtbauamt wäre unbeschadet aller Anregungen des Heimatpflegevereins die letzte Entscheidung zu überlassen. Bürgermeister Seedorf erkannte an, daß es in dieser Beziehung in Senftenberg mager aussehe. Ein gewisser behördlicher Zwang werde unvermeidlich sein. Auch die Kommission gegen Verunstaltung des Stadtbildes könne auf diesem Gebiete tätig werden.
Lehrer Reinecke begrüßte in seinem Schlußworte, daß hier behördlicherseits offenbar keine Abneigung gegen die Bewegung bestehe. Dr. Lehmann gab dem Wunsch Ausdruck, daß nicht nur von obrigkeitswegen manches geschehen möge, sondern daß die hier gewonnenen Anregungen in die Stadt hinaustönen möchten.
Er regte an, daß vom Leiter des Stadtbauamtes oder von Baufachleuten im Verein ein Vortrag über die Ausgestaltung des Stadtbildes in baulicher Hinsicht gehalten wird."
Entscheiden Sie nun selbst, ob unsere Heimatstadt
BUNT ist !
Ich würde sagen: Na ja, auf diesem
AQUARELL schon, aber...