Die 50er-Jahre waren in der DDR eine widersprüchliche Zeit. Einerseits übte das Regime Druck auf die Bevölkerung aus. Andererseits gab es Hoffnung auf die Entwicklung eines "neuen Menschen".
So sollten Arbeiter zugleich Kulturschaffende sein und nach dem Konzept des
"Bitterfelder Wegs", den Spitzbart Walter Ulbricht lauthals proklamierte, ihre Erlebnisse literarisch verarbeiten.
„Greif zur Feder, Kumpel !“ hieß die zündende Losung, und geliefert werden sollte u.a. auch "Spannendes" aus dem Tagebau und der Brikettfabrik. So wurden aus künstlerisch interessierten Arbeitern "Stoßarbeiter der Literatur".
Etwas vollkommen Neues war dies mitnichten, denn in meinen zurückliegenden Kommentaren streute ich auch Gedichte von Bergleuten ein, die sich bereits in den 1920/30er Jahren als Reimeschmied versuchten.
Heute stelle ich allen Lyrik-Freunden den Bergmann
Paul Noack, E-Lokführer im Neuaufschluß Anna-Süd der Niederlausitzer Kohlenwerke (Schipkau)vor, dessen „Werk“ sehr treffsicher die Entstehung der Braunkohle beschreibt.
Es wurde 1939 in der Beilage >Aus der Heimat - für die Heimat< zum >Senftenberger Anzeiger< veröffentlicht:
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DIE LAUSITZ – DAS LAND DER KOHLESinnend stand ich oft schon auf der Grube Sohle;
Aufmerksam betrachte ich die schwarze, braune Kohle.
Und die Gedanken stürmten fragen auf mich ein:
„Wie mag dies alles einstmals hier gewesen sein ?“
Wieviel Millionen Jahre sind wohl schon verronnen,
seit der Kohle Werden einstmals hat begonnen.
Wie oft erlebte die Natur ihr Stirb und Werde,
ehe entstanden diese Massen torfig-schwarzer Erde.
Manch unergründliches Geheimnis schließt wohl noch die Kohle ein.
Das Kohlenholz, was mögen das für Bäume einst gewesen sein ?
Waren es Sumpfzypressen oder Zedern, engumschlungen von Lianen,
unter denen wandelten der Vorsintflut-Urahnen ?
Lebte das Mammut hier in dunklen Urwaldgründen ?
Waren gar zwischen Sumpf und Moor die Saurier zu finden ?
Oder was gab es sonst wohl noch in diesem Urwaldhain,
in dem ein unerschöpflich Wachstum muß gewesen sein ?
So könnt man an die graue Vorzeit stellen ungezählte Fragen,
doch Antwort drauf läßt sich heut wohl nur noch mutmaßlich sagen.
Was nun die wärmende Gewalt der Sonne wachsen ließ,
verbrauchten wohl die Menschen nicht dereinst im Paradies.
Sie waren ihrer wenig, noch konnten all dies nicht fassen;
So häuften die Vorräte sich zu ungeheuren Massen.
Der Weltenschöpfer, der dies sah, sprach weise und in Ruh:
„Ich brauch’s für eine spät’re Zeit, vorläufig deck ich’s zu.“
Und alles auf der Erde rund, was es in Fülle gab,
fand seiner Zeit, man weiß nicht wie, urplötzlich dann sein Grab.
Das einst blühend fruchtbare Land ward Gletschereis und Meer,
von Norden wandert Stein und Sand in Massen drüber her.
Im unendlichen Zeitenraum ging manch Jahrtausend hin,
im Erdenschoß die Kohle ward’, wie’s lang im Schöpfers Sinn,
bis er dann zur gegeb’nen Zeit sich fühlte wohl bewogen –
zu brauchen wieder dieses Land – hat’s Meer zurückgezogen.
Noch Sumpf und Moor, viel Stein und Sand, begann ein neues Werde,
die Sonn’ schien wärmend drauf herab, bald grünt die neue Erde.
Auf kargem Boden Heidekraut und Kiefernwuchs entstanden,
bis schließlich eines schönen Tag’s die Menschen hierher fanden.
Sie machten urbar dieses Land, um sich drauf zu ernähren,
auf weiten Flächen standen bald Getreide, – reife Aehren.
So bildet sich der Bauernstand, ein arbeitsam Geschlecht,
sie trieben Vieh~ und Landwirtschaft, lebten naturgerecht.
Der Schöpfer war zufried’nen Sinns, ließ zahlreich sie vermehren,
doch eines Tag’s begannen sie, der Arbeit zu entbehren.
Das lag nun nicht in seinem Plan, er dachte drüber nach,
wozu liegt in der Erde Schoß die Kohle wohl noch brach ?
Er stattet nun den Menschen aus mit Mut, Geist und Verstand,
so daß den Weg zur Tiefe er, zur Kohle nunmehr fand.
Und Schätze, die Jahrtausend lang in Heimaterdes – Tiefen
Aus einer fernen, fernen Zeit, vergessen ruhig schliefen,
die macht der Mensch nun nutzbar sich, holt sie ans Tageslicht,
ob Tag, ob Nacht, früh oder spät, verfährt er seine Schicht.
Schaut man heut ins Lausitzer Land, unseren Bergbaurevieren,
so sieht man auf der Grube Grund, gleich Urwaldriesentieren,
Bagger, Maschinen, Großraumbahn wohl um die Wette streiten,
der Heimaterde Kohlenschatz in Massen fortzuleiten.
Und freudig und zufrieden schafft im Arbeitsgleichtakt Mann für Mann.
Schön, daß dies heut ein jeder wieder darf und kann:
Eine schöne Lektion zur
ERDGESCHICHTE, finde ich - und ganz ohne außerordentlichen, staatlich verordneten Aufruf an den Kumpel Paul Noack, "zur Feder zu greifen"...