DAS STERBENDE HEIMATDORF(von Bergmann P. Mudrick, Grube Erika 1927)
Noch träumst du still in deiner Abgeschiedenheit,
umrankt von Wiesen, Wäldern, Wasserläufen;
und silbergraue, strohgedeckte Scheunen grüßen,
noch ist in dir Zufriedenheit.
Noch schießen Schwalben zwitschernd durch das Tor;
und liegt der kühle Schatten alter Linden auf den Häusern.
Das Sensendengeln klingt durch deine abendliche Stille;
vertraute alte Klänge schmeicheln sich ins Ohr.
Noch schwanken schwerbelad’ne Erntewagen heim.
Die Rinder von der Weide heimwärts kehren.
Und abends nach des Tages heißer Arbeit,
erklingt von Mädchenlippen alter, schöner Lieder Reim.
Noch ist bei dir die Nacht tiefdunkel, schweigend;
und alles schläft, für neues Müh’n sich stärkend.
Das Käuzchen in dem alten Scheunengiebel ruft.
Der Wächter macht die Runde, mit Hornruf uns die Stunde zeigend.
Noch singt die Lerche über Roggenbreiten;
vom Wald der Specht und Kuckuck ruft.
Der Kiebitz gaukelt über saft’ge Wiesen,
und Sonntags, über’s Feld hörst du den den Herrgott schreiten.
Doch bald wird all die Stille, Schönheit schwinden.
Hörst du, Freund Hein, dies Aechzen, Klirren, Pfeifen.
das immer näher, immer näher rückt?
Das ist dein Tod! – und bald mußt du verschwinden.
Mit Eisenschritten wird die Neuzeit dich zertreten;
wird Tag und Nacht ihr ehern Lied erklingen.
Und wo sonst Ruhe, Friede herrschte,
wird niemand mehr um eine gute Ernte beten.
Wo du noch stehst, - dich alte Linden schirmen,
sind saft’ge Wiesen, grüne Aecker dehnen;
wo all die Poesie des alten Dorfes,
wird grauer, öder Sand sich türmen.
Und manchen drückt das Weinen in der Kehle,
sieht er das Dorf verschwinden, - seine Heimat.
Die Stätte seines Werdens, seiner Jugend;
da er sein Bestes lassen muß, - die Seele.
	
		
				
			
 
					
		
		
		
		
	  Ende 1969, als ich zum letzten Mal dort weilte, bot das kleine Dörfchen 
SAUO einen sehr traurigen Anblick. Leergezogene Siedlungshäuser, teilweise schon Ruinen, kündeten von der Inanspruchnahme durch den 1958 aufgeschlossenen und nun langsam vorrückenden 
TAGEBAU MEURO, dem neben 
SAUO auch Teile von 
HÖRLITZ-FLUR & SENFTENBERG-WEST, sowie die Ortschaften 
RAUNO, REPPIST, ANNA-MATHILDE & BÜCKGEN weichen mussten.
SAUO war bis dato ein gut funktionierendes Dorf mit Schule, Kirche, Post, Feuerwehrdepot und Gemeindebüro, in dem am 19. September 1966 die verbindliche Mitteilung hineinflatterte, 
„dass der Ort Sauo überbaggert werden muss, da die Kohlenvorräte unter der Ortslage von bester Qualität sind.“ Damit war das Schicksal der Dorfbewohner besiegelt. Noch bevor aber Anfang der 1970er Jahre alles in einem großen schwarzen Tagebauloch verschwand, fanden sich rührige, sehr heimatverbundene Leute, allen voran die drei verdienstvollen 
HEIMATFORSCHER, die historisches Bild~ & Faktenmaterial zusammentrugen und ihre oft persönlich gefärbten Erinnerungen an ihr 
HEIMATDORF, welches sich je 1,2 km von Meuro bzw. Senftenberg-West, 1,6, km von Drochow, 2 km von Freienhufen und 2,1 km von Jüttendorf befand, für die Nachwelt aufschrieben.
Dabei konnte längst nicht 
ALLES, eventuell 
VIELES, zumindest 
EINIGES an wertvollen Fakten aus dem kollektiven Gedächtnis der ehemaligen Dorfbewohner bewahrt werden. Vielerorts kamen allerdings die 
RATSCHLÄGE, die schon 1910 im >Senftenberger Anzeiger< veröffentlicht wurden, für die Heimatforschung zu spät. Blindwütiger und  voreiliger Abriss, planlose Bilderstürmerei, Zerstörungswahn in Unkenntnis des historischen Wertes waren das Resultat, mit dem Heimatforscher heute zurechtkommen müssen:  
 PFLEGE DER LÄNDLICHEN HEIMATKUNDE (1910) „Bedauerlicherweise ist unserer rastlos hastenden Zeit das kostbare Erbe unserer Vorfahren, das 
ECHT VOLKSTÜMLICHE, manche sinnigschöne 
VÄTERSITTE, mancher kulturhistorisch denkwürdige 
VOLKSBRAUCH immer mehr in den Hintergrund getreten.
Das festlich bewegte Bild der urgemütlichen 
ROCKENSTUBEN, und die markanten Gestalten der 
VOLKSSÄNGER mit ihrem unerschöpflichen Liederborne auf vielen Veranstaltungen gehören der Vergangenheit an.
Alles Eigentümliche, wie die frühere bäuerliche 
BAUWEISE, die 
EINRICHTUNG, die 
TRACHTEN verschwinden langsam aber unwiederbringlich von der Bildfläche. Solchergestalt erscheint die 
LÄNDLICHE HEIMATFORSCHUNG von größter Wichtigkeit.
Kein 
HEIMATFREUND möge es verabsäumen, gelegentlich bei vertrauenswürdigen Personen auf dem Lande nach häuslichen 
BRÄUCHEN & SITTEN, wie sie früher bei Familienereignissen, Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen, bei den kirchlichen Festen üblich waren, zu forschen. Man sammle ferner alte 
VOLKSLIEDER, INSCHRIFTEN an Häusern, Grabsteinen, 
ORTS~ & FLURNAMEN, man erkunde die üblichen 
SPIELE, die 
VOLKSKÜCHE, die volkstümlichen 
TIER~ & PFLANZENNAMEN, die 
VOLKSHEILMITTELKUNDE, die bäuerliche 
KUNST, die Art der Gastfreundschaft. Auch der ländliche 
ABERGLAUBE, die durch mündliche Überlieferung erhalten gebliebenen 
MÄRCHEN, SAGEN & FABELN bilden noch vielfach ungehobene Schätze der ländlichen Heimatforschung.“
Die oben erwähnten 
FLURNAMEN von 
SAUO, die mit Sicherheit nur eingeschworenen 
„SAU’SCHEN“ bekannt sein dürften, 
haben wir von der in Sauo gebürtigen Ärztin 
Frau Dr. Irene Uhlmann bekommen:
Da wir uns gerade in der 
ERNTEZEIT befinden, sollen zwei Beiträge aus dem >Senftenberger Anzeiger< zum einstigen 
DORFLEBEN meinen heutigen Kommentar beschließen:
ERNTEDANKFEST IM KOHLENREVIER (1932)
(von Pastor Rother aus SFB II)
„Es ist schwer, in der Senftenberger Gegend 
ERNTEDANKFEST zu feiern, in der Gegend, in der der Bagger wohl seine Schaufeln mit dem Erdgut der 
KOHLE füllt, wo aber sonst die großen, spärlich aufgeforsteten 
KIPPEN und die schwarzen 
GRUBEN den Landschaftseindruck bestimmen. Und abgesehen von den paar 
BAUERN, die auf der ehemals eigenen Scholle, die sie verkauften, jetzt als Pächter sitzen, gibt’s nur ein paar, gibt’s fast nur solche, die höchstens ein kleines 
OBST~ oder GEMÜSEGÄRTCHEN haben und 
FRÜCHTE ernten mit kohlenstaubeingefressener Kruste.
Man kann es verstehen, wenn so mancher Arbeiter, der mit dem Lohn für drei Schichten nach Hause kommt, und mancher Arbeitslose, dessen Abendmahlzeit tagaus, tagein aus 
KARTOFFELN mit LEINÖL besteht, verbittert, höhnisch sagt: 
‚Erntedankfest, laß die Reichen feiern!‘Und doch sind die 
KIRCHEN voll am 
ERNTEDANKFEST von Menschen, die etwas zu danken haben, und sind die Altäre beladen mit 
GARBEN & FRÜCHTEN aus Feld und Garten, die nachher an die ärmsten und kinderreichsten Familien vergeben werden. Christliche Landleute kommen zum Pfarrer und sagen: 
‚Zwar drücken uns die Abgaben hart, aber die Ernte war zufriedenstellend, hier bringen wir Ihnen ein paar Zentner Kartoffeln und Roggen, 
geben Sie den Armen davon und nennen Sie unsern Namen nicht dabei…“ 
FEIERSTUNDE IM DORF (1939) „Das Abendrot stand leuchtend am Himmel. Ein leichter Luftzug machte sich fühlbar. Die Kronen der Kiefern, die bis an den Dorfausgang heranreichten, 
wiegten sich hin und her und verursachten ein eigentümliches Rauschen. Die letzten 
BAUERN kamen mit schweren Schritten von ihren Feldern. 
Schon traten die ersten Sterne aus der Dämmerung. Nachdem das 
ABENDBROT verzehrt war, setzten sich die 
ÄLTEREN LEUTE vor ihre Haustür 
und erzählten sich vom 
WETTER, von der 
ERNTE und anderen Dingen. Die 
JUGEND versammelte sich von altersher auf dem 
DORFPLATZ. 
Ueberall stand, wie mit großen Buchstaben geschrieben, das Wort: 
FEIERABEND !Auf dem 
DORFPLATZ unter der alten 
LINDE ging es heute hoch her. Die Dorfjugend versuchte mit allen Mitteln, ihren fleißigen Erntehelfern einen schönen Abend erleben zu lassen. Alte 
VOLKSLIEDER wurden gesungen. Ihr hervorragendes Können bewiesen die Burschen und Mädchen in 
BAUERNTÄNZEN. 
Nach diesen musikalischen Darbietungen ergriff der Ortsbauernführer, der selbst mit Leib und Seele Bauer war, das Wort und gab den Jungen ein anschauliches Bild 
von der Geschichte des deutschen Bauernstandes und ermahnte sie, immer die harten Fäuste der Bauern zu achten.
Aus diesem Abend wurde eine 
FEIERSTUNDE, wie sie die Jungen noch nie so tief empfunden hatten. 
Der Mond brach durch die dichten Zweige der 
DORFLINDE. Im Norden trat das Sternenbild des großen Bären heraus. 
Vom 
DORFTEICH drang das Gequake der Frösche. Hin und wieder huschte eine Fledermaus vorbei.
Die nächtliche 
FEIERSTUNDE fand ihren würdigen Abschluß durch eine 
ALTE VOLKSWEISE. 
Wie ein Schwur wurde dieses 
LIED von allen gesungen. Vom Walde ertönte es wider und klang wie ein Vermächtnis:
KEIN SCHÖNER LAND IN DIESER ZEIT,
als hier das unsre weit und breit,
wo wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit.