„Der Volksmund hatte herausgefunden, dass die DDR ein >BERGSTAAT< gewesen sei: „Ein ENGPASS reihte sich an den nächsten.“
In der Tat war der ALLTAG IN DER DDR durch immerwährende VERSORGUNGSPROBLEME gekennzeichnet. Es betraf LEBENSMITTEL, MÖBEL, KLEIDUNG ebenso wie FAHRZEUGE, URLAUSBPLÄTZE oder UNTERHALTUNGSELEKTRONIK. Nein, hungern musste niemand, frieren auch nicht, KARTOFFELN & BROT gab es immer, SOMMERSCHUHE waren im Winter, WINTERSCHUHE im Sommer zu haben. Aber wer den besonderen Pfiff suchte, die STIEFEL mit dem hohen Absatz, die modische BLUSE, den erlesenen LEDERSESSEL, das besondere Stück FLEISCH oder den frischen FISCH, die saftige SÜDFRUCHT oder den ausländischen COGNAC, der konnte bei der vergeblichen Suche leicht verzweifeln.
Es waren oft die tausend kleinen Dinge, derer man nicht habhaft werden konnte: der kleine STAHLNAGEL, die besondere SCHRAUBE, das MESSINGSCHARNIER, der DRUCKSPÜLER für die Toilette und so weiter und so fort. Sehr viel Zeit musste aufgewendet werden, um solchem Mangel abzuhelfen.“ (Diese Fakten zur
MANGELWIRTSCHAFT in der ehemaligen DDR entnahm ich dem > online-Wissenspool / Alltag in der DDR<.)
Kurios war, dass die Bevölkerung parallel zu dieser „Wirtschaftsform“ eine ausgefeilte
>BESCHAFFUNGSSTRATEGIE< entwickelt hatte, die folgendermaßen funktionierte:
Das äußerst seltene
SCHWEINEFILET, die knappe
RAUFASERTAPETE oder die wie Goldstaub gehandelte
AUSPUFFANLAGE für den Trabi lagerten in den entsprechenden Verkaufseinrichtungen zumeist
UNTER‘M LADENTISCH, weshalb sich das Verkaufspersonal, um diese zu verkaufen, erst einmal bücken musste, wodurch
MANGELWARE ZU BÜCKWARE mutierte.
Deren Verteilung wiederum vollzog sich u.a. in der sehr populären & allerorts praktizierten
>NACHBARSCHAFTSHILFE<:
Die
FLEISCHVERKÄUFERIN brauchte dringend einige Rollen Raufasertapete, der
ANGESTELLTE im Malergeschäft suchte für das bevorstehende Familienfest ein prächtiges Stück Fleisch.
Beide hatten sich schon im Vorfeld gegenseitig versichert, an einander zu denken, falls die Mangelware irgendwann eintreffen sollte. Auch der
VERKÄUFER der Auspuffanlage konnte sich nach Belieben in dieses Beziehungsgeflecht einbringen. In die sprichwörtliche „Röhre“ schauten nur jene, die nichts wirklich Gesuchtes anzubieten hatten.
Erstaunlicherweise erzeugte der
MANGEL nicht in erster Linie
EGOISMUS, allenfalls
GRUPPEN-EGOISMUS. Stieß man beim
EINKAUFSBUMMEL unerwartet auf ein Angebot länger vermisster Waren, griff man zu – ob nun für den Eigenbedarf oder zur Hortung, oder eben zur Versorgung der Nachbarn, Freunde und Bekannten, die zur gleichen Zeit nicht vor Ort sein konnten. Dieses
MITDENKEN beruhte auf
GEGENSEITIGKEIT und machte die oft frustrierend verlaufende
JAGD NACH MANGELARE etwas erträglicher. Im Gegensatz zur
ELLBOGENGESELLSCHAFT im „Westen“ existierte in der DDR eine Gesellschaft der
GEGENSEITIGEN HILFE, des „sich unter die Arme Greifens“. Ging man in die Stadt, musste man stets genug
GELD, und vor allem ausreichend
>FALLS-BEUTEL<, Transportmittel in Form von Netzen oder Stoffbeuteln, bei sich haben, um gegebenenfalls „zuschlagen“ zu können,
FALLS es irgendwann, ~wo, ~etwas überraschenderweise zu kaufen gab.
Durch stetig steigende
LÖHNE bei gleichbleibenden, weil subventionierten
PREISEN für Miete, Grundnahrungsmittel und einfachen Konsumgütern hatten viele Haushalte erhebliche
ERSPARNISSE, jedoch gab es schlicht & einfach zu wenig
HOCHWERTIGE WAREN im Angebot.
Wer als
SENFTENBERGER nun höhere Ansprüche stellte, fand aber mitunter den gewünschten Artikel auch im
EXQUISIT-LADEN bzw. DELIKAT-LADENdie im Dok.film zu sehen waren.
Ersterer hatte
TEXTILWAREN, d.h. Ober- und Unterbekleidung, Feinstrumpfhosen, sowie
SCHUHE, Accessoires & Kosmetika im Sortiment, letzterer dagegen ausschließlich
LEBENS~ & GENUSSMITTEL – selbige auch durch Unterlaufen der politisch gewollten Preisstabilität bei Nahrungsmitteln. So verschwanden in den späten 1970/80er Jahren einige Produkte aus den herkömmlichen Geschäften, um kurze Zeit später, mit zumeist geänderten Verpackung und höheren Preisen, im
DELIKAT wieder auf den Markt zu kommen.
Es gibt sehr unterschiedliche
ZEITANGABEN zum erstmaligen Auftauchen der
LADENKETTEN im DDR-Stadtbild.
Als ziemlich sicher gilt das Jahr 1962 für die Gründung der
>EXQUISITLÄDEN<, im Volksmund kurz
„Ex“ genannt.
Hier konnte der Wunsch nach dem besonderen
SCHUH aus Italien oder nach einem
KLEID, dessen Schnitt eleganter war als die
MASSENWARE aus der volkseigenen Bekleidungsindustrie, in Erfüllung gehen – vorausgesetzt man war bereit und in der Lage, einen hohen Geldbetrag zu investieren.
Bei der
>EXQUISITWARE< wurde allerdings bewusst auf
QUALITÄT geachtet. 30 Modedesigner entwarfen für jede Saison eine Kollektion und stellten sie zur Leipziger Messe vor. Die dafür benötigten
STOFFE kamen zumeist aus dem westlichen Ausland.
Die
MUSTERMODELLE wurden strengen Tests auf Tragfähigkeit, Sitz und Passform unterworfen, bevor sie in geringer Stückzahl am Band produziert wurden. Über die in den
LÄDEN angebotenen Produkte machte aber bald das
GERÜCHT die Runde, dass die
EXQUISIT-WAREN nur billige westliche
MASSENPRODUKTE wären, die überteuert auf den ostdeutschen Markt gebracht wurden, worauf man die Ladenkette im Volksmund als
„UWUBUs“ („Ulbricht‘s Wucherbuden“) verspottete.
Für das
>DELIKAT<, in der Umgangssprache
„Deli“ oder in Anlehnung an die Exquisit-Läden
„Fress-Ex“ genannt,
reicht die Gründungszeit in verschiedenen Quellen
von: …die ersten gab es so ab ca. Mitte der sechziger Jahre / …im Jahr 1966 wurde das Einkaufsangebot der DDR um die Delikat-Ladenkette ergänzt / …seit 1976 / …entstanden ab ca. 1977 / …seit 1978 in Großstädten / …seit ca. Ende der 1970er Jahre... bis zu…Anfang der 80er Jahre.
Wie dem auch sei – Ende der 1980er Jahre gab es rund
25 000 DELIKATLÄDEN, die sich als
>Einzelhandelsgeschäfte für Lebensmittel des gehobenen Bedarfs< definierten.
Das
SORTIMENT bestand hauptsächlich aus Nahrungs~ und Genussmitteln, überwiegend aus DDR-Produktion, darunter Exportartikel und andere selten erhältliche Waren in West-Aufmachung bzw. umetikettiert und bis zum Ende der DDR auch West-Marken, die in der DDR häufig in Form der Gestattungsproduktion hergestellt wurden.
Höhere Preise und aufwendiger gestaltete Verpackung sollten eine, jedoch nicht existente, höhere Qualität vortäuschen.
Im
SORTIMENT fand man Vieles, was das
FEINSCHMECKER-HERZ begehrte und man in den Regalen anderer Geschäfte vergeblich suchte, z.B.
KONSERVEN mit Ananas, Pfirsichen oder Mandarinen, hochwertige
ALKOHOLIKA aus westlicher und heimischer Produktion, edle
SCHOKOLADEN oder seltene Fleisch~ und Wursterzeugnisse in Dosen und nicht zu vergessen – den schokoladigen Brotaufstrich “
NUDOSSI”.
Allerdings waren die
PREISE sehr hoch, so dass die Produkte nicht für jeden erschwinglich waren. Eine Dose Ananasstückchen, die in der Bundesrepublik bereits für 1 DM erhältlich war, kostete in der DDR 8 M.
Den größten Umsatz erzielte das legendäre Instantpulver
TRINK-FIX in Dosen (9 Mark), die auch noch leer auf Küchenschränken einen „dekorativen Platz“ belegen durften…
Weitere interessante
INFORMATIONEN zum >DELIKATLADEN<, z.B. über das Geheimnis der
>SCHLAGSCHAUM< - Produktion, können auf
VIDEO bei
https://www.facebook.com/mdr/videos/trink-fix-schlag-fit-co-aus-dem-fress-ex-speisen-wie-im/1535066456570952/angeschaut werden.
Abschließend noch eine Anmerkung zur
SENKRECHT-REKLAME „DELIKA…“ (letzter Buchstabe abgefallen oder entwendet?) in der „engen Bahnhofstraße“ (Foto links):
Das war keine
DELIKATLADEN, sondern eine
VERKAUFSSTELLE für Fleisch & Wurstwaren, die der PGH „Delikat“ angehörte.
An
FLEISCH~ & WURSTWAREN mangelte es in der DDR nicht – im Gegenteil: es wurde viel zu viel davon verzehrt, was eine allgemeine ungesunde Ernährung zur Folge hatte.
AUFSCHNITT gehörte zum Wochenendeinkauf,
BOCKWURST wurde flächendeckend in Kiosken angeboten, wogegen sich für
ROULADEN, KOTELETTS & STEAKS Warteschlangen bildeten, weil eben auch höherwertiges Fleisch verhältnismäßig billig war, was der
WESTBESUCH neidvoll anerkennen musste.
Fazit:
Mit der Einführung von EXQUISIT & DELIKAT konnte die Behauptung aufrechterhalten werden, dass die WAREN DES TÄGLICHEN BEDARFS vom Preis her stabil blieben, LUXUS aber schon immer etwas teurer gewesen sei… 