Dem Nestor des
>HEIMATVEREIN HÖRLITZ<, Herrn
DIETMAR SEIDEL, verdankt die Nachwelt eine Reihe historischer Ausblicke auf Straßen, Gebäude & vielfach längst verschwundene Sehenswürdigkeiten der Orte Hörlitz und Senftenberg 2,
die er als Farb-Dias in den 1960er Jahren produzierte.
So auch diesen
"Blick vom Wasserturm auf den Ort Senftenberg 2", welcher der Ansicht auf Matthias' Wunschlisten-Postkarte sehr nahe kommt.
Ich möchte allerdings die hier als Faksimile eingebundene
>BETRIEBSORDNUNG<
speziell unter dem Blickwinkel der einstigen "Kumpels" von
MEUROSTOLLN betrachten. Grund dafür ist vor allem die Tatsache,
dass von der einstigen Brikettfabrik nur noch eine mit Gras und Sträuchern bewachsene Ebene übrig geblieben ist und ich darüber hinaus mit der Aufzählung der vielen Berufsbezeichnungen ein Andenken an die fleißigen Bergleute bewahren möchte.

"In der BRIKETTFABRIK MEUROSTOLLN wird die
(A) durchlaufende SCHICHT: von 8 Stunden und zwar
1. Schicht von 6 - 14 Uhr
2. Schicht von 14 - 22 Uhr
3. Schicht von 22 - 6 Uhr
verfahren von:
Betriebsaufsehern, Zentralmaschinisten, Heizern, Speisern, Pumpen~ und Enteisenungswärtern, Kesselbandwärtern, Bunker~ & Naßdienst,
Kohlenboden~ & Zellenfilterbedienung, Apparat~, Ofen~ & Kühlhausbedienung, Brikettprüfer, Weichensteller, Lokführer & Rangierer,
Trommelsieb~ & Schneckenwärter und Kühlrinnenbedienung.
Für das VERLADEPERSONAL gelten die gleichen Schichtzeiten bei gegenseitiger Ablösung in den Pausen.
Schichtzeit der ASCHEFAHRER von 5 - 13 Uhr.
(B) Die Schichtzeit von 8½ Stunden umfaßt eine reine Arbeitszeit von
8 Stunden und ½ Stunde Pause.
Schichtbeginn 6 - 14,30 Uhr / Pause von 9,30 - 10 Uhr
Soweit 2. und 3. Schicht verfahren wird, gelten folgende Zeiten:
2. Schicht von 14,30 - 23 Uhr / Pause von 18 - 18,30 Uhr
3. Schicht von 21,30 - 6 Uhr / Pause von 1 - 1,30 Uhr.
Vorstehende Regelung unter (B) gilt für:
Schleifer, Formleger, die Belegschaften der Werkstätten. sämtliche sonstigen Hand~ und Facharbeiter, Kehrer, Badewärter, Pförtner, Boten, Reinemachefrauen, Hof~ und alle sonstigen Nebenarbeiten.
Die Gefolgschaftsmitglieder haben die für den Beginn und die Beendigung der Arbeit festgesetzten Zeiten pünktlich einzuhalten und diese Zeit nur für die Erfüllung der betrieblichen Aufgaben zu verwenden.
Die Arbeiter sind verpflichtet, sich bei Beginn der Arbeit anzumelden und nach Beendigung der Arbeit abzumelden. Die AN~ und ABMELDUNG erfolgt entweder durch Verlesen, durch Marken oder ähnliche Kontrolleinrichtungen. Jeder Arbeiter hat die eingeführte Kontrolleinrichtung zu benutzen."
Beim Durchlesen dieser
BETRIEBSORDNUNG sind mir einige Fakten besonders aufgefallen:
(1) Aus der "Belegschaft" wurde nach 1933 die "Gefolgschaft", aus dem "Werkdirektor" der "Führer" und den "Arbeitern" die "Gefolgschaftsmitglieder. Dem Bergmannsgruß >Glück auf< wurde das unvermeidliche >Heil Hitler< hinzugefügt.
(2) Erstaunlich ist die große Anzahl von
TÄTIGKEITSBEREICHEN in der
BRIKETTFABRIK gewesen, wobei man offensichtlich sehr gern mit den Begriffen "BEDIENUNG" und "WÄRTER" jonglierte. Mein Opa wäre demzufolge zu damaliger Zeit ein OFENBEDIENER gewesen.
Nach 1945 wurde er dann zum OFEN~ bzw. TROCKENWÄRTER.
(3) Weniger überraschte mich die
SCHICHTZEIT, denn sie wurde auch nach dem Krieg in gleicher Weise verfahren. Die Anmeldung zur Arbeit erfolgte an der Hauptwache, zur Kontrolle wurden an einem schwarzen Brett angebrachte Aluminium-Marken verwendet.
(4) Letztlich amüsierte mich ein wenig die Aussage, dass
"die Arbeitszeit nur für die Erfüllung der betrieblichen Aufgaben zu verwenden sei".
Ich weiß nämlich, dass mein Opa in der Nachtschicht auch schon mal die Zeit fand, für unseren Haushalt aus Alu-Blechen Milchkannen, Töpfe und Wannen "zu schmieden", die später auch in der Nachbarschaft sehr begehrt waren. Diese hochgradige "Ausnutzung der Arbeitszeit" hatte sich offensichtlich unter der Bezeichnung "pfuschen" ebenfalls in die DDR-Zeit hinübergerettet.
P.S. Herrn
WÜNNENBERG. dem sog.
>FÜHRER< von
MEUROSTOLLN,
wurde eine Straße in Senftenberg 2 gewidmet,
in deren Häuschen der
SENFTENBERGER KOHLENWERKE,
wie nicht anders zu erwarten,
damals fast ausschließlich Meurostollner
>FÜHRERPERSONAL< siedelte...