Neues 182 - 2015-06-07

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Matthias
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Neues 182 - 2015-06-07

Beitragvon Matthias » Sa 6. Jun 2015, 10:07

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Harald
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Re: Neues 182 - 2015-06-07

Beitragvon Harald » So 7. Jun 2015, 11:30

Ein
BESUCH BEIM PHOTOGRAPHEN
war früher immer etwas ganz Besonderes, und ähnelte in vielen Dingen einem Arztbesuch. Vor allem die Furcht vor dem Neuen, nicht Vorherseh~ & schwer Einschätzbaren war beiden Besuchen gemeinsam.
Der spätromantische deutsche Maler ALBERT KINDLER (1833-1876) hat dies in seinem Bild >BEIM PHOTOGRAPHEN< vortrefflich dargestellt.
Man sieht in dieser Szene ein etwas rundliches Bauernmädchen, sichtlich naiv, jedoch nicht ganz frei von einer gewissen Koketterie und daneben einen gutmütig, jedoch etwas selbstspöttisch dreinblickenden Burschen - wahrscheinlich ihr Liebhaber. Beide werden ängstlich belauert von einem seitlich verdeckt postierten Alten, während sich der Photograph in geschäftsmäßiger Gleichgültigkeit verliert, da für ihn alles schon zur Routine geworden ist.

A. Kindler_Beim Photographen_resize.jpg

Dennoch galt es gerade in jener Zeit, als fotografische Aufnahmen noch in den Kinderschuhen steckten, viele Dinge zu beachten.
Die zu porträtierenden Personen waren anfangs meist unzugänglich und misstrauisch und der Mann hinter dem geheimnisvollen Kasten musste oft sehr redegewandt sein, um sie zu etwas bewegen zu können, was sie nicht kannten und wovon sie keine Ahnung hatten. Deshalb wurde diese Möglichkeit, das EIGENE BILD kostengünstig zu erlangen, um es als "Mittel der familiären und gesellschaftlichen Kommunikation sowie als Symbol eines neuen Selbstbewusstseins" zu gebrauchen, nur sehr zögerlich angenommen. Erst mit der Zeit wurde man empfänglicher für das neue Medium, auch weil man dem fotografierten, gegenüber dem gemalten Bild ein weitaus höheres Maß an Abbildungstreue zuschrieb.
So etablierte sich mit der Erfindung des Mediums seit den 1830-er Jahren neben der PORTRÄT~ vor allem die GANZKÖRPER-PHOTOGRAPHIE zunächst unter den "gehobenen" und gegen Ende des Jahrhunderts praktisch unter allen sozialen Schichten. Sie diente ausschließlich den Ritualen der "bürgerlichen Selbstdarstellung", also der eigenen Repräsentation, wie man auch an den folgenden Aufnahmen der Senftenberger Fotografen MEYER und KÄDING erkennen kann.

Meyer & Käding_resize.jpg

Interessant ist auch die Tatsache, dass damals viele porträtierte Personen oft nicht glauben wollten, dass die Aufnahme auch wirklich von ihnen stammt.
Die Antwort des Photographen hierzu fiel schlicht, aber sehr selbstbewusst aus:
"Was tut man nicht alles aus Liebe zur Kunst, für's schöne Geschlecht und für's Geschäft !"
Natürlich wollte es jeder kleine "Foto-Fritze" in der Provinz den Großstadt-Photographen gleichtun und von seinen geehrten Kunden feine & zarte Bilder machen, nicht ohne auf das gelegentlich schwierige Unterfangen hinzuweisen - hier veröffentlicht in der Zeitschrift des Vereins zur Förderung der Photographie
>Photographische Mittheilungen< von 1872:

"Nun photographiere man einmal ein lederbraunes, angerauchtes Meerschaumgesicht, wie es die Mehrzahl der lieben Landbewohner besitzt, weich und zart ! Angeblich soll man ja wenigstens die Nase ordentlich weiß schminken, wenn man nicht die ganze Maske tauschen kann oder will, aber bei solchen braunen Gesichtern könnte man gleich weiße Ölfarbe anwenden, da nutzt Puder nichts. Oder denken Sie an einen Ostpreußen mit braunem Teint, semmelblonden Haaren & wasserblauen Augen. Da streicht nicht bloß ein einheimischer, sondern selbst manch großstädtischer Lichtkünstler die Segel. Wie viele Damen blenden durch ihre "natürlichen" Farben (die Schminke macht's auch nicht immer). Da hört man dann oft die Behauptung: 'wir sind noch nie ordentlich getroffen worden' usw. Dass es Personen in Menge giebt, welche geschaffen sind, dem Photographen seine 'silberne Kunst' zu erschweren, wissen wir (magere, halbverhungerte Gesichter, graulockige, alte Jungfernköpfe z.B.), bei solchen bleibt uns wohl nur übrig, durch irgendwelche Beleuchtungseffecte und dergleichen das PORTRÄT zu bemänteln, die Leute wollen es so ! Schwer wird dies wohl auch oft sein, aber aus vielfacher Erfahrung kann ich sagen, dass ich hierbei noch immer am besten weggekommen bin..."


Übrigens war für mich neu, dass einst sogar die FARBENLEHRE bei der s/w-Fotografie eine überaus wichtige Rolle spielte:

"Zum Photographieren ist den Damen anzurathen, dunkelbraune, dunkelgrüne, kastanienfarbige oder glatte, schwarze Kleider zu wählen, indem diese ein schönes, dunkles Bild geben, Seidenstoffe in denselben Farben stellen sich etwas lichter dar, Gelb ist entschieden zu vermeiden und ebenso blau, violett, purpur und mangolinroth, da das erste ganz schwarz und die letzteren ganz blass werden."

Man lernt eben nie aus... ;-)


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