KINO IN KRIEGSZEITEN
Wir leben mittlerweile 70 Jahre lang in Frieden und die Zahl der
ZEITZEUGEN,
die den 2. Weltkrieg bewusst miterleben mussten, wird zusehends geringer.
Der Nachkriegsgeneration wird es sicher kurios erscheinen, dass es neben dem normalen, von Entbehrungen geprägten Kriegsalltag bis kurz vor "Ultimo"
noch ein bemerkenswertes
KULTURLEBEN gab.
Nachdem 1944 sämtliche Theater geschlossen wurden, setzten die Nazis voll auf die Wirkung des Kinos. Viele Ufa-Stars standen bis zuletzt vor der Kamera, auch in der Hoffnung, einem Kriegseinsatz zu entgehen. Erst am 20. April, an Hitlers Geburtstag, ließ Goebbels alle noch laufenden Filmarbeiten im Reich einstellen. Bis dahin lief unter zum Teil abenteuerlichen und lebensbedrohlichen Umständen die NS- Filmindustrie auf vollen Touren.
Im >Senftenberger Anzeiger< von 1944 würdigte man die "tragenden Säulen des kulturellen Lebens in Zeiten des Krieges":
Theater~ & Musikleben, Konzert~ & Varieté-Veranstaltungen,
Betreuung der Verwundeten & Umquartierten...und vor allem natürlich den
FILM:
"In einer Rückschau auf das kulturelle Leben unserer Stadt darf natürlich der FILM nicht fehlen, ja in seiner Breiten~ und Tiefenwirkung verdient er vielleicht sogar, nicht zuletzt, sondern als Erstes genannt zu werden. Keine Kunstgattung spricht in gleicher Fülle zum Volk, unterschiedslos. Sie ist im besten Sinne ein Zusammenspiel aller Künste:
Landschaftliche Gründe wirken dekorativ wie Gemälde, vortreffliche Schauspielkunst wirkt unmittelbar, werden doch gerade durch den FILM unsere größten Bühnenkünstler, die sonst nur einem im Verhältnis zum Volksganzen relativ sehr kleinen Volksteil bekannt wären, im wahrsten Sinne populär.
Aber auch große und schöne Musik und herrlicher Gesang wirken in ihm wie ursprünglich. So konnte festgestellt werden, daß im Film a l l e Kunst - auch die Artistik, z.B. in >Zirkus Renz< - dem Volke nahegebracht wird..."
Um den unvermeidlichen Begleiterscheinungen wie Verdunkelungen, Fliegeralarm & Bombenhagel zu trotzen, wurden in einem Erlass vom August 1944 die Ansprüche des Theaterbesuchers bei
ABBRUCH EINER FILMVORFÜHRUNG infolge Fliegeralarms geregelt:
"Wird eine Vorstellung infolge Fliegeralarms abgebrochen, so wird der Eintrittspreis nicht zurückgezahlt. Sind bei Beginn des Alarms Kulturfilm und Wochenschau bereits vorgeführt, so wird der Besucher wegen des Ausfalls der restlichen Vorstellung nicht entschädigt.
Läuft das Programm nicht in der üblichen Reihenfolge und ist seit Beginn der Vorstellung noch keine volle Stunde verlaufen, so ist der Unternehmer verpflichtet, dem Besucher, der sich durch das Vorzeigen einer ordnungsgemäß gelösten Eintrittskarte zu der unterbrochenen Vorstellung ausweist, bis spätestens nach Ablauf einer Woche unentgeltlichen Zutritt zu einem vollen Programm nach Möglichkeit des unterbrochenen Programms zu gewähren. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht.
Bei völligem Ausfall einer Vorstellung infolge Fliegeralarms können die bereits erworbenen Eintrittskarten innerhalb drei Tagen an der Kasse gegen Eintrittskarten zu einer anderen beliebigen Vorstellung umgetauscht werden, soweit noch Karten vorhanden sind; oder gegen Erstattung des Eintrittspreises zurückgenommen werden.
Dauert der Fliegeralarm nicht länger als 2 Minuten, so ist der Unternehmer verpflichtet, den noch nicht gezeigten Teil des Programms nach einer Pause von 10 Minuten nach der Entwarnung weiter vorzuführen. Die daraus sich ergebende Verschiebung der Anfangszeit einer nachfolgenden Vorstellung darf nicht zu einer Kürzung dieser Vorstellung benutzt werden."
Großes Augenmerk legte man auf die
JUGENDLICHEN IN LICHTSPIELHÄUSERN, die schon an der Kasse auf das Jugendverbot von Filmen hingewiesen werden mussten.
Wurde dies versäumt, folgte Bestrafung für den Kinobesitzer:
"Eine Lichtspielhausbesitzerin hatte es in fahrlässiger Weise zugelassen, daß JUGENDLICHE einen jugendverbotenen Film besuchten. Sie hatte gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt, und behauptet, sie brauche nicht schon an der Kasse - sie versieht den Kassendienst selbst - die Jugendlichen nach dem Verwendungszwecke der Karten zu fragen. Es wurde ihr aber klar gemacht, daß sie ihre Sorgfalt als Kassiererin bereits darauf verwenden müsse, Jugendliche vom Besuch jugendverbotener Filme abzuhalten und sich nicht darauf zu verlassen, daß die Kartenkontrolle den Jugendlichen den Zutritt verwehre. Sie erhielt eine Geldstrafe von 300 RM."
Da es oft ein Chaos bei "jugendfreien" Filmen gab, gab das Lokalblatt
die strenge Order heraus:
JUGENDFREIE FILME SIND KEINE MÄRCHENVORSTELLUNG"Niemand wird unserer Jugend den Besuch von Filmvorstellungen, die für die Jugend freigegeben worden sind, verargen wollen, ist doch gerade der FILM zu einem hervorragenden Bildungsmittel für unsere heranwachsende Generation geworden.
Auch der Besuch eines guten Unterhaltungsfilmes soll unserer Jugend nicht verwehrt werden. Leider sind aber in der letzten Zeit einige Mißstände dadurch aufgetreten, daß sich in zunehmendem Maße auch kleine Kinder zu jugendfreien Unterhaltungsfilmen drängen, für die ihnen in den meisten Fällen jedes Verständnis fehlt. Durch ihr unruhiges Verhalten und häufiges Herauslaufen stören sie nicht nur die anderen Zuschauer, sondern nehmen auch den Erwachsenen die Plätze weg.
Hier ergeht insbesondere an die Eltern die Mahnung, Kleinkinder nicht in jugendfreie Vorstellungen mitzunehmen und erst recht nicht zu gestatten, daß sie ohne Begleitung Erwachsener die Filme besuchen.
Ein für die Jugend freigegebener Unterhaltungsfilm ist nun einmal keine Märchenvorstellung und Kinder unter 8 Jahren haben hier nichts zu suchen."
Der zusehends aussichtslos werdende Krieg brachte es mit sich, dass immer mehr Opferbereitschaft gefordert wurde, die durch Durchhalte-Filme wie "Opfergang" (1944) und "Kolberg" (1945) gefördert werden sollte. Doch dem deutschen Publikum war der
UNTERHALTUNGSFILM wichtiger als der
PROPAGANDAFILM.
Wenn er auch mit scheinbarer Harmlosigkeit vom Krieg ablenken sollte, war er doch oft den Kriegszielen dienstbar, wie "Quax, der Bruchpilot" (1941) mit Heinz Rühmann... Immer mehr rückte allerdings 1945 an Stelle der Sehnsucht nach einer Traumfrau jene nach einem baldigen Ende des Krieges - das wahrlich zum >Opfergang< werden sollte...