DIE LINDE ALS GASTHOFSNAME
Von den Bäumen, die dem heimischen Boden Schatten spenden, ist die
LINDE eine der schönsten. In Stammesumfang und Höhe kaum hinter der Eiche zurückbleibend, übertrifft sie dieselbe im Reichtum an Verästelung & Verzweigung sowie durch die Fülle ihrer blätterdichten weiten Krone. In der Ehre, welche ein hohes Alter gewährt, wird sie von keinem anderen deutschen Baum übertroffen.
Man gibt ihr eine Lebensdauer von 800 bis 1000 Jahren.
Es ist aber nicht der Marktwert, der die
LINDE dem Menschen so nahebrachte:
Früchte trägt sie nicht, Tischler & Zimmermann haben für sie nur geringe Verwendung und selbst als Feuerungsmaterial leistet sie wenig. Nur die Schnitzer liebten von jeher das weiche, weiße Holz ihres Stammes; weil daraus viele Heiligenstatuen geschnitzt wurden, galt es lange als „lignum sacrum“ (lat. „heiliges Holz")
Viele ältere deutsche
GASTHÖFE führen den Namen
"Zur Linde" oder
"Zu den drei Linden", auch schon mal
"Zu den sieben Linden" - und in Lübbenau gibt es sogar einen
"Gasthof zur grünen Linde" !
(Ich wusste bislang nicht, dass es auch andersfarbige Linden gibt !)
Der Name weist auf ein hohes Alter und somit unmittelbar auf den alten
GÖTTERGLAUBEN hin, dessen Überreste den deutschen Sitten & Bräuchen noch immer anhaften.
Hierzu las ich in dem Buch >Der Waldcultus< (1869) folgendes:
"Uralt ist die Verehrung des "Baumes der Wohnlichkeit", wie die LINDE, im Gegensatz zur EICHE, welche die Zurückgezogenheit liebt und nur unter ihresgleichen leben will. mit Recht genannt worden ist. Die EICHE, der knorrige "Alte vom Berge", ist der Typus des Männlichen, Kernigen, die LINDE des Milden, Weichen, Weiblichen.
Als liebevolle, theilnehmende Freundin schließt sie sich den Ansiedlungen der Menschen an, als heilige Hüterin überschattet sie das Haus, nur selten vereinigt sie sich mit einigen Schwestern zu einer Gruppe, noch seltener bildet sie einen Wald..."
Viele Weiler, Dörfer, Ortschaften, Burgen, Städte, Klöster & Wallfahrtsorte verdanken der
LINDE ihre Entstehung z.B. Linz, Lindenburg, Hohenlinden, Lindau, Lindenthal usw.
Auch Leipzig heißt eigentlich "Lindenstadt",
nach dem slawischen Wort 'lipa" = die Linde.
Auch weibliche Vornamen wie Dietlinde, Rosalinde oder Sieglinde gehen darauf zurück und viele Familien entlehnten ihre Namen der
LINDE, wie Lindner, zur bzw. von der Linden oder der im Volksmund sehr populäre, imaginäre "Bauer Lindemann". Sogar der unvergessene Humorist Loriot verpasste in einem Sketch seinem glücklichen Lotto-Gewinner, warum auch immer, den Namen "Erwin Lindemann".
Die
LINDE ist auch die Wächterin der Friedhöfe. Fast in jedem Dorf steht oder stand am Eingange des Kirchhofs eine
LINDE, unter deren weittragenden Ästen sich die Gemeindemitglieder zu versammeln pflegten, wenn etwas bekannt gemacht werden sollte. Diese Zusammenkünfte fanden kurz vor und nach dem Abendläuten der Kirchenglocken statt und wurden speziell von den männlichen Dorfbewohnern eifrig besucht und dienten dem Besprechen der Tages-Begebenheiten.
Unendlich viel - Friedliches wie Blutiges - wissen diese
LINDEN zu erzählen. Ihr Laubdach überschattete die unter ihnen aufgestellten Zeichen der Götter, sie lauschten den geheimen Beratungen der freien Männer, an ihnen hingen sie ihre Schilde auf und gaben den Beifall dadurch zu erkennen, dass sie die Schilde aneinander schlugen.
Unter der
LINDE fanden Gerichtsversammlungen statt, schloss man Trauungen und Verträge, die man durch Aufdrücken des Daumens auf den Baumstamm besiegelte.
Doch auch festlicher Jubel herrschte unter dem Baum:
am Maiabend versammelten sich die jungen Burschen & Mädchen zum Tanz unter der Dorflinde - mancherorts noch heute.
Auch im
ABERGLAUBEN spielte die
LINDE eine wichtige Rolle:
Mit Lindenholz wurden Kräuter ausgegraben, welche gegen angezauberte Krankheiten helfen sollten. Streute man Lindenasche auf die Äcker, so verschwand das Ungeziefer. Die
LINDE sollte vor Blitzschlag schützen, band man Lindenbast auf die Brust, war man vor Zauberei geschützt und schlug man verhextes Vieh mit Lindenruten,
so traf man gleichzeitig auch die böse Hexe.
Als die heidnischen
GÖTTER dem eindringenden Christentum weichen mussten, wurde der Baum der Mutter Gottes geweiht. Die Ersetzung des "Götterkults" durch den "Mariendienst" beruht in der Lausitz auf der Legende von einem Rittersmann, dem auf der Jagd eine weiße Frau erschien, welche in einer
LINDE verschwand. Aus einer Höhlung des Baumes, umrahmt von den grünen Blättern und duftenden Blüten, leuchtete dem nähertretenden Ritter das Bild der Gottesmutter, der sog. "Maria fusca" = braune Maria, entgegen.
Derartige scheinbare "Wunder" gab es auch an anderen Orten, wo sich bald darauf an den
"HEILIGEN LINDEN" Kapellen erhoben, die dann Ziel von Wallfahrten wurden. In der Nähe dieser kleinen Kapellen oder Kirchen entstanden HERBERGEN, aus denen im Mittelalter die
GASTHÖFE wurden. Diese standen zumeist auch unter dem Laubdach einer riesigen
LINDE. Der Name des geliebten Baumes ging auf das Haus, das er beschützte, über und bot den Gläubigen die "nötige leibliche Erquickung". Die "heiligen Zahlen" 3 und 7 in den Linden-Gasthöfen deuten also auf eine Zeit hin, in welcher die
LINDE als "heiliger Baum" verehrt wurde.
Da ich den Humor besonders liebe, vor allem in der Literatur, verdient eine unbedingte Erwähnung auf jeden Fall die
LINDE,
welche zu Mölln das Grab Till Eulenspiegels beschattet...
Zum Schluss noch ein gereimtes Verslein von mir, dass den Nerv von einst treffen soll,
als in
BUCHWALDE bei den
3 LINDEN noch richtig was los war:
Ich kehre immer gerne ein als Gast im Haus >Drei Linden<
man kann dort allzeit guten Trank und liebe Freunde finden.
Vor'm Haus die alten Linden blühn, verbreiten stille Kunde:
"Bleib jung wie wir und sorg dich nicht so sehr um Tag und Stunde !"
Im hohen Ast die Amsel singt, ich pfeif auf alle Sorgen,
Hab' ich kein Geld, die Wirtin wird mir heut noch einmal borgen...