Wenn in früheren Zeiten der Winter nahte, fanden sich all die Menschen, welche der Sommer mit seinen schönen Tagen verstreut und getrennt hatte, wieder in den traulichen ABENDZIRKELN zusammen. Es begannen wieder die traditionellen KONZERTE, die BÄLLE der zahlreichen Vereine und alle möglichen KRÄNZCHEN. Bei letzteren trafen sich kleinere Gruppen weiblicher Personen regelmäßig zum Unterhalten, Kaffeetrinken, Handarbeiten u.a. Beschäftigungen. Ähnliche Zusammenkünfte bei Kaffee & Kuchen haben sich bis heute erhalten. Der Begriff BALL tritt heutzutage allerdings seltener, meist nur mit dem OPERNBALL ins Rampenlicht.
In dem Journal >Passauer Flora< entdeckte ich die folgende überaus interessante & amüsante Kolumne zur Frage:
WAS IST EIN BALL ?
"Ein
BALL ist eine lebendige
GALLERIE süßer Jünglinge; eine
ARENA, wo gegenseitig um den Preis der Liebe gekämpft wird; eine
INDUSTRIEHALLE, wo besorgte Mütter ihre heiratsfähigen Töchter ausstellen. Ein
BALLSAAL ist das
OBSERVATORIUM heirathslustiger junger Männer - um die Sterne in der Nähe zu beobachten, denen sie bisher nur auf ihren Bahnen gefolgt, welche sich auf die Umlaufszeit eines Promenadenspaziergangs erstrecken.
Ein
BALLSAAL ist die
BÖRSE, wo Seufzer und schmachtende Blicke den Kourszettel bilden, und einen Wechsel nach Sicht auf das Herz verlangen.
Ein
BALLSAAL ist ein
KOMEDIENHAUS, wo Alles erste Liebhaber und Liebhaberinnen spielen will, und nur die Nebenbuhler das Fach der Intriguants übernehmen. Ein
BALLSAAL ist der
FETTE BODEN, wo der Wirth des Hauses seine Pachternte hält, wo die Modistinnen in Flor kommen, und Handschuhmachern so wie Musikern ihr Waizen blüht.
Ein
BALL ist der Ort, wo Tänzer und Kourmacher erste Violine spielen, wo der Frack nach mancher stillen Woche seine Auferstehung feiert, und Glanzstiefeln wie Glacéhandschuhe ihre ursprüngliche Bestimmung erkennen.
Oftmals ist der
TANZ hierbei nur
NEBENSACHE;
man sucht seine Person oder das neue
BALLKLEID geltend zu machen;
man geht auf Eroberungen aus.
Welch ein wichtiger Abend für die Zierlinge und Modepuppen !
Welche Rüstungen vorher im Garderobezimmer !
Ein solch
KABINET ist eine Kultivirungs-Anstalt eingegangener Locken,
verwelkter Vatermörder und zerstörter Toupets. Hier waltet für den Glacéhandschuh die ausgedehnteste Preßfreiheit; hier werden mit den Mänteln, Gallochen und Ueberziehern die Tagessorgen abgelegt; hier wird die böse Laune mit dem Hut an den Nagel gehangen.
Ha ! Welche Revue im Saale. Das Guckglas in's Auge gekniffen, wandern sie auf und ab, den Klaque unterm Arm.
Gegenseitige Vorstellungen und Engagieren zum Tanz mit Redensarten, wo der Geist in spanische Stiefeln eingeschnürt ist.
Im
GARDEROBEZIMMER, heute das Vaterland der Haarbürsten und Kämme, wird das Drängen immer ärger. Am Spiegel entsteht ein Kampf, als wenn derjenige, der zuerst hineinblickt, eine Frau mit 80,000 Thalern bekommen sollte.
Der Instrumentensturm rauscht auf.
Polonaise, Walzer u.s.w. Wie sie dahinwogen, Auge in Auge, Herz an Herz ! Ein Meer der Freude schlägt über sie zusammen; es ist ein Rasen durch den Saal - die Wange glüht - und ungestüm pocht das Herz.
Wie anders die Mädchen, die - sitzen geblieben.
Sie sind die Saalleiste des Balles. Neid und Ingrimm thront auf dem Gesicht. Das Wort
VERSCHMÄHUNG faßt ihre ganze Seele.
Damit sie nicht vereinzelt dasitzen, so rücken sie zusammen, und wenn sie bisher sich spinnefeind waren. Das
SITZENBLEIBEN führt zur Gleichheit, und löst allen Standesunterschied.
Der
TANZ ist beendigt. Die Herren führen ihre Damen zurück. - Pause - Erfrischungen, Abkühlungen. Die Ritter vom Tanze stecken die Köpfe zusammen, und tauschen ihre Meinungen aus. Da heißt es:
'Hast du die Blaue gesehen ? ein famoses Mädchen !'
Ein anderer ruft: 'Na, die Blonde, die kann mir gestohlen werden ! mit der kommt man nicht vom Flecke, die hängt sich wie Blei an Einen an.'
Am Ende des Saales predigt eine Mutter in ihre Tochter hinein
'daß sie mit ihrem Tänzer so nachlässig umgegangen !'
'Mehr Leben, mehr Feuer !'
Da erhebt sich die Tochter und sagt:
'Er ist ja, wie ich höre, ein Ehemann. Ich werde mir doch für einen verheiratheten Mann die Locken nicht austanzen !'
Da, Polka, Polka !
Wild über einander stürzen sie hinein in die
TONSCHLACHT.
Ein
BALL währt 6 bis 7 Stunden. Die
VORBEREITUNGEN vorher nehmen 3 Tage in Anspruch; in der
ERINNERUNG aber lebt er fort ganze Monde, und manche daselbst geschlossene Bekanntschaft wird zu einer Verbindung, bis - gar der Tod den Kehraus tanzt..."
Besser, finde ich, kann man den
>BALL VON ANNO DUNNEMALS<
nicht erklären.
Mit dem OPERNBALL allerdings, auf dem sich vor allem die DebütantInnen und anschließend die Gäste - die Damen im großen, langen Abendkleid, die Herren im schwarzen Frack - zur Schau stellen, hatte also der einstige BALL in >MICHAELS BALLSAAL< nichts gemein.
Unheimlich schön muss es aber gewesen sein, oder ? 