Seit Beginn des 20. Jahrhundert fielen dem deutschen Braunkohlenbergbau insgesamt 312 Siedlungen zum Opfer,
110.000 Einwohner wurden dabei gegen ihren Willen umgesiedelt.
Auch HÖRLITZ erging es so...
Die anfangs sehr emotional, mit dem Argument der "Heimatliebe" geführte Revolte der Dorfbewohner wich alsbald aber einem vehement geführten "Pokerspiel", welches sich im Briefwechsel zwischen Hörlitzern und der ILSE AG. widerspiegelte. Dabei ging es nicht nur um das Aushandeln möglichst hoher Grundstückspreise, sondern vor allem auch um die umfassende Modernisierung des von der Devastierung nicht betroffenen Ortsteils HÖRLITZ - FLUR. Und so sorgte das Sponsoring der ILSE schließlich für eine "traumhafte Umgestaltung des Ortsbildes", wozu neben dem schon erwähnten Kleinpflaster auf Straßen & Gehsteigen auch der Bau von Wohngebäuden, der neuen Volksschule sowie des schmucken RATHAUSES gehörte.
Nun aber mal schön der Reihe nach:
ALLES NEU MACHT...DIE ILSE
Laut Protokoll vom 22. August 1935 im >NIEDERSCHRIFTENBUCH des Gemeindeschulzen zu Hörlitz< wurden zum bevorstehenden RATHAUSNEUBAU folgende Beschlüsse gefasst:
"Der Bürgermeister gibt bekannt, daß inzwischen ein Teil der Kostenanschläge eingegangen ist. Nach einem vorläufigen Überschlag würden die Baukosten ca. 28200,- RM betragen.
Für den Bau stehen aber nur der Kassenbestand vom Vorjahr mit 23.444,07 RM sowie die Einsparung vom diesjährigen Titel mit 4.000,- RM zur Verfügung.
Die Bauunternehmer Richter, Elert, Sauer und Bauer sind nochmals zur Abgabe eines schlüsselfertigen Angebotes aufgefordert worden.
Danach beträgt der Festpreis von
Elert = 27.300.- RM
Bauer = 27.400,- RM
Sauer = 28.000,- RM
Richter = 28.500,- RM
Die Gemeinderäte schlagen vor, den Bau nicht schlüsselfertig zu vergeben. Es wird daher vorgeschlagen, die Arbeiten einzeln zu vergeben und zwar sollen die Unternehmer einen Preisnachlaß von je 4% geben, damit man auf den vorhandenen Betrag von 27.444,07 RM
kommt. Der Bau wäre auch damit sichergestellt."
Da HÖRLITZ keine Schulden machen wollte, wurde also wieder mal gepokert und nach eingehender Besprechung mit den Gemeinderäten der GEMEINDEBAU wie folgt vergeben:
MAURER~ & ZIMMERARBEITEN:
an Herrn Erich Richter in Zschipkau zum KAP von 18.192,38 RM
DACHDECKERARBEITEN:an Herrn Beutler in Ruhland zum KAP von 1.609,55 RM
BE~ & ENTWÄSSERUNG / HEIZUNG:an Herrn Pohling Ruhland zum KAP von 3,534,11 RM
KLEMPNERARBEITEN:an Herrn Rothe Senftenberg zum KAP von 415,40 RM,
wenn sich die Unternehmer entschließen, auf die Endsumme ihrer Kostenanschläge um 4% herunterzugehen.
Tischlerarbeiten, Lichtinstallation, Malerarbeiten werden später vergeben.
Kurz darauf gab es noch den Zusatz:
"Der Elektromeister Stumpler Hörlitz erhält die Elektro-Installationsarbeiten für den
RATHAUSBAU im Preise von 675 RM inkl. der noch zu legenden Erdkabel."
Nach einer ausgedehnten Winterpause wurden am 9. März 1936 die bereits angekündigten restlichen Arbeiten zum RATHAUSBAU wie folgt vergeben:
TISCHLERARBEITEN: Tischler Alfred Punde Hörlitz, Innentüren
Tischler Majewski Buchwäldchen, sämtliche restlichen Arbeiten.
MALERARBEITEN:Malermeister Seidel Hörlitz, Ober~ und Dachgeschoß, Treppenhaus, Außenanstriche,
BE~ & ENTWÄSSERUNGSARBEITEN:Firma Paul Pohling = 2045 RM
WARMWASSERHEIZUNG:Paul Pohling = 1489,10 RM
SCHLOSSERARBEITEN:Schmiedemeister Lehmann = 210,- RM
EINFRIEDUNGSARBEITEN:Bauunternehmer Richter = ca. 1000,- RM
GLASERARBEITEN:Glasermeister Weikat Calau = 50,75 RM
Dann muss aber alles zügig vorangegangen sein,
denn nachdem am 2. Juli 1936 ein Beschluss über die MÖBLIERUNG der Amtsräume erging...:
"Der Gemeinderat stimmt dem Angebot der Firma Hinz, Berlin, zu.
Die Kosten für die Einrichtung betragen 2.700,00 RM.
Die Lieferung erfolgt frachtfrei."
...konnte man schon einen Monat später, am 6. August 1936
die Bürgersprechstunden verkünden:"Nachdem am vergangenen Sonnabend der Umzug des Gemeindebüros nach dem neuen
RATHAUSE erfolgt ist, sind die Sprechstunden für den öffentlichen Verkehr auf die Vormittagsstunden von 9 - 12 täglich festgelegt worden. Am Dienstag und Freitag nachmittag ist das Büro geöffnet von 3.30 bis 4.30 Uhr für diejenigen, denen es nicht möglich ist, in den Vormittagsstunden zu erscheinen."
Am 11. August 1936 fand dann die erste Gemeinderatssitzung im Sitzungszimmer (zugleich Standesamt) des neuen RATHAUSES statt. Vor Eintritt in die Tagesordnung erfolgte die Besichtigung der neuen Amtsräume und Wohnungen durch die Gemeinderäte. und Pg. Herzing äußerte sich anerkennend:
"In diesem Bau sind ausreichende, gesunde und dem Zweck entsprechende Räume geschaffen worden."
und forderte alle Gemeinderäte nochmals auf, "die Arbeiten in den Sitzungen zum Wohle der Gemeinde und des deutschen Vaterlandes zu leisten."
Abschließend wurde nur noch das ehemalige Gemeindebüro abgewickelt und der neue Bürgermeister willkommen geheißen:
14. August 1936:
"Die freigewordenen Wohnungen Horst-Wessel-Straße 1 (Altes Gemeindebüro) und die damalige Wohnung (2. Baracke) des Gemeindedieners Günther werden an die Familien Richard Beyer und Robert Proske vergeben."
10. Oktober 1936:
"Der Kreisbeauftragte gibt im Auftrage der Partei bekannt, daß der frühere Bürgermeister der Gemeinde Naundorf als Bürgermeister der Gemeinde Hörliz vorgesehen ist, weil die Gemeinde Naundorf ab 1. Oktober d. J. mit Zschornegosda zu einer neuen Gemeinde Schwarzheide zusammengelegt worden ist.
Die Gemeinderäte sind einstimmig für den Vorschlag ROICK und haben Einwendungen gegen die Berufung nicht zu machen."
29. Oktober 1936:
"Die Wohnung des Bürgermeisters im
BÜRGERMEISTERAMT ist mit 65 RM zu vermieten. Außerdem ist zu erwägen, 2 Zimmer zum Preis von 25 RM abzutrennen und weiter zu vermieten, Dadurch würde die Miete für den Bürgermeister nur 40 RM betragen. Der Gemeinderat beabsichtigt die Hauptsatzung dahin abzuändern, daß dem Bürgermeister zusätzlich ein Wohnungszuschuß von 25 RM monatlich gewährt wird.
Nach Rücksprache mit dem Bürgermeister wird von einer Abtrennung der 2 Zimmer abgesehen."
Also: Ende gut - alles gut.
Eine große EINWEIHUNGSFEIER gab es zwar nicht, eher ein fast unbemerktes HINÜBERGLEITEN von der Baracke zum Ziegelbau,
aber das Amtsgebäude war immer einer Zierde des Ortes.
Auffällig an der ganzen Sache ist nur, dass man während der Planungs~ & Bauphase nur vom RATHAUS, und erst ganz zum Schluss erst vom BÜRGERMEISTERAMT sprach. Sicherlich war bis dato das Sgrafitto des Senftenberger Künstlers Günter Wendt am Eingangsportal noch nicht zu bewundern...Überraschung !!!
Die deplatzierte Anbringung der LATERNE stammt ganz sicher von einem Kunstbanausen !
P.S.
Für alle Häuslebauer noch der Umrechnungskurs:
1 Reichsmark (1924–1936) = 3,32 Euro