"MEIN LIEBER FREUND & KUPFERSTECHER!"
WILHELM DILICH (1571-1650) war ein deutscher Baumeister, Ingenieur, Holzschneider, Kupferstecher, Zeichner, Topograph und Militärschriftsteller. Er selbst bezeichnete sich als „Geographus und Historicus“.
Sein Sohn
JOHANN WILHELM DILICH (1600-1657) war als Ingenieur und Stadtbaumeister tätig. Er überlebte seinen rüstigen Vater nur um bescheidene 7 Jahre, führte aber ein von ihm begonnenes Werk weiter, was in einem Buchtitel wohlweislich vermerkt wurde:
>Peribologia oder Bericht Wilhelmi Dilichij Hist:
Von Vestungsgebewen Vieler orter, vermehrett wie auch mit gebürenden grundt und auffrissen versehen und publicirett durch Johannem Wilhelmum Dilichium, Frankfurt 1640<
Interessant daran ist, dass der Filius es schaffte, dieses Monumentalwerk (immerhin 1175 Seiten) über den
FESTUNGSBAU so ganz nebenbei als
SCHULBUCH für
REALSCHULEN fit zu machen, was natürlich für dessen Verkauf sehr förderlich war.
Wie aber, mein lieber Freund und Kupferstecher, möchte man fragen, geht das zusammen -
Militärbauten und Schule ?
Das hängt damit zusammen, dass man schon im Mittelalter Ansätze einer "realen Bildung" vorfand, man neben die "Sprachbemeisterung" die "Sachbemeisterung" (Erfahrung durch eigener Hände Arbeit) setzte.
Über die Umwandlung der
LATEINSCHULEN in sogenannte
RITTERAKADEMIEN bis hin zu
TRIVIALSCHULEN, in denen "Realien" bereits in Fächern unterrichtet wurden, führte der Weg zur praktisch orientierten
REALSCHULE und mitnichten zur Einführung des o.g. Buches.
"Man erinnert wohl bedächtig, daß man dieses Werk nicht für geübte und erfahrne Officiers und Ingenieurs geschrieben habe, sondern daß man es selbst nur für die ersten Grund-Linien der Kriegs-Bau-Kunst halte, welches hauptsächlich für die studirende Jugend auf Schulen aufgesetzet sey. Auf der hiesigen Real-Schule haben von der ersten Anlegung an bis jetzo, sich eine gute Anzahl Scholaren von Adel befunden, welche theils nach ihrer Lust und Neigung, theils auf Befehl und Ordre ihrer Eltern und Oberen, in die Kriegs-Dienste gehen wollen und mußten.
Deswegen hat der Herr Ober-Consistorial-Rath, als Director dieser Anstalten, die Einrichtung gemachet, daß die Scholaren auch in der Kriegs-Bau-Kunst können unterwiesen werden. Nur fehlte zu solcher Unterweisung ein zur Erreichung des vorgesetzten Zweckes dienliches Buch. Diesem Mangel solte abgeholfen werden. Hieraus ist klar, daß diese Blätter hauptsächlich zum Gebrauche der hiesigen Real-Schule verfertiget worden..."
Um nun Eltern & Schüler gleichermaßen für den
FESTUNGSBAU zu motivieren,
griff
DILICH erst mal tief in die
>MENSCHHEITSGESCHICHTE< hinein:
"Dann als die Menschen erstlich durch Ungelegenheit der Luft, der Winde, Kälte, Hitze und Regen verursachet, anfangs Hütten, danach Häuser zur Wohnung zu erbauen, aber hierumb für boßhaffter Menschen Überfall nicht gesichert waren, haben sie ... der sache weiter nachgesonnen, und die Wohnungen mit starcken Pfälen und Zaunwerck umbgeben, und sich als umb etwas gesichert.
Wann aber diese Bevestigung noch nicht genugsamb, grossen Gewalt auffzuhalten und zu verhindern, hat man das Maurwerck erfunden.
Damit aber dasselbe in desto stärckere defension [Verteidigung] gesetzt werden möchte, seynd folgendes die Thürme runder~ und viereckiger Form angeordnet, von denselben besagte Mauren desto füglicher zu bestreichen [überwachen].
Auß dieser Invention [Erfindung] seynd darnach erwachsen die BOLLWERCKE..."
Und nun legten besagte
"SCHOLAREN" [Schüler] sich so richtig ins Zeug, denn Malen und Zeichnen gehörte wohl schon immer zu den beliebtesten Tätigkeiten von Schülern. Allerdings fielen darunter eher ungelenke Kritzeleien in Heften und auf Schulbänken als das exakte "technische Zeichnen" auf dem Reißbrett.
Was hier wie
MANDALAS, also zum Ausmalen bestimmte figurale oder geometrische Schaubilder, aussieht, sind Elemente von
GRUNDRISSEN der verschiedenen Festungsbauten:
Hierzu waren allerdings spezielle
FÄHIGKEITEN & FERTIGKEITEN notwendig, die zeitlos, einst von
DILICH propagiert, noch heute Bestand haben. Er schrieb:
Folgende kurze allgemeine
REGELN BEY DEM ZEICHNEN
werden nicht ganz unnöthig seyn:
(1) Reine, wohlgewaschene, leichte Hände, scharfsichtige Augen, Gedult und Anhalten über der Arbeit, Behutsamkeit und Vorsichtigkeit,
sind alles nöthige Stück beym Zeichnen.
(2) Ueber den Riß muß allezeit ein anderes Papier liegen, darauf die Arme ruhen, wenn man zeichnet; so wird der Riß desto reiner bleiben.
(3) Tinte, Tusche, Farben, Wasser etc. müssen an einem sichern Ort stehen, daß sie nicht den Riß besudeln und verderben.
(4) Man muß alle Linien erst mit Bleystift zeichnen, ehe man sie mit Tusche ausziehet. Der Bleystift soll von der besten Güte und Art seyn.
(5) Für das zerstechen, zerlöchern, zerreißen, zerkratzen, radiren bey den Rissen, muß man sich auf das äuserste hüten.
(6) Nicht jedermann soll über den Riß kommen, oder ihn in die Hände nehmen und betasten können, weil er gar leicht Schmutz und Flecken bekommet.
(7) Bey dem Ausziehen mit Tusche und Farben, ist Vorsichtigkeit höchst nöthig, daß man keine falsche Linien ziehe oder Klecks mache.
(8) Zu einem jeden Riß soll ein Maaßstab kommen.
(9) Eine wohlausgedachte Cortouche giebt dem Riß eine feine Zierde.
Auch muß eine starke Rand-Linie um den Riß gezogen werden.
Daneben gab es in diesem
BUCH Aufgaben zur
GEOGRAPHIE
(Finden eines geeigneten Platzes für die Befestigung),
MATHEMATIK (Berechnungen zum Bau der einzelnen Einrichtungen),
PHYSIK (Anwendung von Lehrsätzen & Grundregeln),
FREMDSPRACHENUNTERRICHT (lateinische & französische Bezeichnungen der Fachbegriffe) und natürlich auch in puncto
MUTTERSPRACHE - nämlich dem "Auswendiglernen" diverser Wortlisten, wie hier der 66 verschiedenen
>INSTRUMENTE, MACHINEN & KRIEGSGERÄTHE
bey Schanzen, Minen und Belagerungen<:
Tja, was sagte schon der große Feldherr
NAPOLEON über das Auswendiglernen ?
"EIN KOPF OHNE GEDÄCHTNIS IST EINE FESTUNG OHNE BESATZUNG."