Wenn mein seliger Großvater sich einmal monatlich zum
FRISEUR aufmachte, verabschiedete er sich von seiner Frau mit einem fröhlichen
"Ich muss mal wieder zum SCHABER !"
Außer dieser, speziell bei den "alten Herren" beliebten Bezeichnung "erfreuten" sich die
BARBIERE, wie andere Berufe und Handwerke auch,
einer Vielzahl von
Schimpf~. Spott~ und Scherznamen:
Doktor Kratzbart / Verschönerungsrat & ~kommissar ;
Bartscherer / ~schaber / ~vertilger / ~künstler /
~philosoph / ~fuchs / ~kratzer / ~putzer ;
Rüsselputzer & ~schaber / Schnutenwischer & ~feger /
Stoppelsucher / Schaumritter & ~schläger / Kotlettenkünstler ;
Als Verhohnepiepelung von "Herr der Heerscharen" hieß man ihn
"Herr der Haarscheren" und seinen Lehrling "Schaumstudent".
Der berühmte deutsche Humorist & Satiriker Adolf Glaßbrenner läßt den Berliner Barbier Schneppke von sich sagen:
"Ich bin Doctor der heiligen Barbierkunst und Ritter des scharfen Messers erster Klasse mit Schale ! Ich führe den Pinsel mit ebenso jroßer Geschicklichkeit wie Raphael, und ich bin der klügste Diplomat, denn ich jehe den Leuten um den Bart, mache ihnen was weiß, schmiere sie an und nehme ihnen alles vor dem Munde weg !"
Spaß beiseite ! Wir wollen beiden Berufsgruppen mal etwas auf den (historischen) Zahn fühlen und nutzen hierzu Fakten aus dem Lexikon
>Gründliche Darstellung der Künste & Gewerbe< von 1823:
BADER
hießen ursprünglich die Inhaber von
BADSTUBEN.
Das warme
BADEN war im Mittelalter eine in Deutschland allgemein verbreitete Sitte, und man benutzte den Besuch einer
BADSTUBE, um überhaupt mancherlei körperliche Säuberungen, Abnehmen oder Stutzen des Bartes, Verschneiden der Haare und der Nägel u. dgl., vornehmen zu lassen. Es geschah dies in den Städten ein~ bis zweimal die Woche, meist des Sonnabends. Die
BADEKNECHTE reinigten den Körper ihrer Gäste in jeder Beziehung. Sie griffen auch in das ärztliche Gebiet ein, indem sie wenigstens Hautkrankheiten und offene Schäden behandelten. Später zogen sie auch mit ins Feld, wo sie sich mit dem Bartscheren - daher
FELDSCHER(ER) - und der Pflege der Verwundeten abgaben, und beide Beschäftigungen betrieben sie auch nach Rückkehr in die friedlichen Verhältnisse.
Es entwickelte sich in dieser Weise die besondere Zunft der
BARBIERE
welche mit den eigentlichen
BADERN in Bezug auf die Pflege des Bartes in Konkurrenz trat und sich das Vorrecht errang, auch außerhalb der
BARBIERSTUBE barbieren zu dürfen, während die
BADER damit auf ihre
BADSTUBE beschränkt blieben. Nach und nach schmolzen aber beide Gewerbe zusammen.
Das
BADEWESEN aus früherer Zeit hörte auf, als der Gebrauch von Leinenhemden aufkam. So wurden die
BADER zu
BARBIEREN.
Beide Gewerbe galten allerdings im Mittelalter als anrüchig, weil man Dienste, die sie für Geld am Körper anderer Menschen verrichteten, als unehrenhaft und sklavisch ansah.
Diese Anrüchigkeit verlor sich spätestens, als die
BARBIERE zunehmend auch als
CHIRURGEN auftraten und sich der Behandlung von Wunden und äußeren Schäden sowie dem Schröpfen und Aderlassen zuwandten, wobei aber immer noch das
BARBIEREN, sowohl in den eigenen
BARBIERSTUBEN als in den Wohnungen der Kunden, eine einträgliche Seite ihres Gewerbes blieb.
"Der BARBIERER lernt den Bart mit Leichtigkeit abnehmen, und hat hierzu ein gutes BARBIERMESSER, welches auf dem STREICHLEDER gewetzt wird, ein BARBIERBECKEN, eine BARBIERFLASCHE, SEIFE, ein kleines SEIFENBECKEN und BARTTUCH nötig; das alles trägt er, wenn er ausgeht,
an mehreren Orten in seinem BARBIERBEUTEL oder SCHERSACK,
unter dem Arm. Außerdem hat er auch gemeiniglich BINDE~ und ADERLASSZEUG bei sich; denn er darf in Deutschland CHIRURGIE treiben.
Er lernt 3 und mehrere Jahre gegen Lehrgeld; empfängt auf der Wanderschaft eine Wegzehrung und muß sich bei seiner Niederlassung der Prüfung seiner chirurgischen Kenntnisse bei einem medizinischen Collegium oder Physikus unterwerfen,
wohl auch tätige Beweise seiner Geschicklichkeit geben."
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Am 28.10.1908 veröffentlichte der >Senftenberger Anzeiger< einen geharnischten
PROTEST der
BARBIER~, FRISEUR~ und PERÜCKENMACHER - INNUNG aus dem Calauer Kreise
gegen den Verfasser der "Schmährede", welche einleitend vom Administrator zitiert wurde:
"Im besagten Artikel befaßt sich ein Dr. E.M. Thomas mit der
HYGIENE DER BARBIERSTUBE. Wir wollen dem Herrn ruhig seine Artikel schreiben lassen, wenn derselbe aber nur eine kleine Ahnung von unserem Beruf hätte,
könnte er mit ruhigem Gewissen solche Falsifikate nie zusammenschreiben.
Von dem ganzen Artikel wollen wir nur 3 Punkte kurz hervorheben:
(1) die Flechtenübertragung durch Barbiere
(2) die Sauberkeit in den Geschäften
(3) die Bezahlung für die Arbeit.
(1) Es ist Mode geworden, wenn ein mit einer FLECHTE behafteter zu einem Arzt kommt, ist dessen erste Frage:
'Wo lassen sie sich rasieren ?'
Es ist damit erledigt, der Patient erhält ein Heilmittel und weiß nun, wo die Flechte herstammt...Die meisten FLECHTEN entstehen durch Unsauberkeit des Betreffenden selbst, durch Kratzen bei juckender Haut, oder Abratzen eines Pickels. Ein Sündenbock muß aber sein und da haben sich die Behörden, Publikum usw. gerade das BARBIERGESCHÄFT ausgesucht.
(2) Jeder FRISEUR wird auf die größte Sauberkeit selbst halten, will er ein Geschäft machen, da braucht das schon sowieso schwer kämpfende Gewerbe keine besonderen Vorschriften, wodurch das Publikum nur mißtrauisch gemacht wird. Im Eisenbahnwagen IV.Klasse gab es solche, in den Schulen kann man trotz größter Sauberkeit solche auflesen, warum nur bloß im FRISEURGESCHÄFT ?
Jeder Kunde soll eine frisch gewaschene SERVIETTE erhalten. Sauberkeit ist geboten,...aber soll auch der Kunde, welcher aus der Fabrik oder Kohlengrube das Geschäft betritt, eine solche erhalten ?
Da muß sich doch der Kunde selbst vorher säubern und dann erst ein Geschäft betreten.
(3) Wir lesen überall, daß die PREISE erhöht werden, bei Doktoren, Rechtsanwälten, Fleischern, Bäckern, kurzum in jedem Geschäft. Kommt aber mal der FRISEUR mit 5 Pfg. Aufschlag, o weh, gleich werden Messer angeschafft und den Kindern selbst die Haare geschnitten.
Die Inhaber der FRISEURGESCHÄFTE sollen nichts nehmen.
Sie sollen nur nichtangebrachte und unnötige Vorschriften ausführen und sich von Herren in den Zeitungen beschimpfen lassen, welche absolut von unserm Gewerbe nichts verstehen."
Auf dem Foto ist über der Eingangstür ein
BARBIERBECKEN als
ZUNFTZEICHEN zu sehen.
Dieses Becken war gewöhnlich aus Messing, diente zum Einseifen beim Barbieren und hatte deshalb am Rand einen Ausschnitt für das Kinn.
In Ermangelung eines echten Helms hatte übrigens
DON QUIJOTE,
der "Ritter von der traurigen Gestalt", solch ein Barbierbecken einfach zum Ritterhelm umfunktioniert...Tja, Ideen muss man haben...!
