Neues 233 - 2016-06-19

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Matthias
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Neues 233 - 2016-06-19

Beitragvon Matthias » Sa 18. Jun 2016, 11:17

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Harald
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Re: Neues 233 - 2016-06-19

Beitragvon Harald » So 19. Jun 2016, 10:18

Rauno_resize.jpg
"Aus den Erinnerungen eines alten Rauno'ers"
"Geschichtsbild des untergegangenen Dorfes Rauno"
"Es war einmal..."
"Aus der Jugendzeit..." (Erinnerungen eines alten Rauno'ers)
"Am Raunoer Windmühlenweg"
"Volkstypen und Originale im alten Rauno"

So überschrieben ehemalige Bewohner des Dorfes RAUNO ihre Erinnerungen an die alte Heimat, die in den Beilagen >Aus der Heimat - für die Heimat< des >Senftenberger Anzeiger< veröffentlicht wurden. Obwohl noch andere Orte (oder Teile davon), z.B. Sauo, Hörlitz, Sedlitz, Reppist, Bückgen, dem heranrückenden Tagebau zum Opfer fielen, bemerkte ich bei der Lektüre der Erinnerungen, dass die RAUNO'ER offensichtlich eine sehr innige Heimatliebe entwickelt hatten, was sicherlich auch den dort tätigen Lehrern Paulitz, Glienke u.a. zu verdanken ist.
Ein sehr eifriger, und vor allem detailreicher Erzähler war ein gewisser
F. von ARTUS ,
der fernab der Heimat in Frankfurt /a. Main seinen Erinnerungen (1928) an RAUNO nachhing:

ES WAR EINMAL

"Es ist kein MÄRCHEN, es ist reine verbürgte TATSACHE, dort, wo sich die Chaussee von Senftenberg nach Altdöbern hinzieht, auf der einst in grauen Zeiten die knarrenden, schwer beladenen Wagen der Kaufleute sich langsam vorwärts bewegten, gibt es eine WEGKREUZUNG.
Geht man von SENFTENBERG kommend die kreuzende Landstraße links ab, so kommt man nach SAUO, geht man dagegen rechts ab, so kommt man - - - so kam man nach einem friedlich daliegenden Dörfchen, in Vorzeiten vielfach

RAUNOW, später RAUNO
genannt.

Heute kommt man nicht mehr in jenes Dörfchen, man blickt in kraterartige schwarze Schlünde, in denen das Dörfchen versunken zu sein scheint; der Pflug des Landmanns zieht keine Furche mehr, das Dengeln der Sensen ist verklungen und der frohe Gesang der Schnitter und der Erntemädchen, die die goldgelben Garben aufrafften, ist längst verstummt, an ihre Stelle ist das Gedröhn gigantischer Bagger und das schrille Pfeifen der Lokomotiven getreten, schweißtriefende Menschen verrichten stumm ihre schwere Arbeit. Mußte das so kommen ?

Umgeben war das Dörfchen von fruchtbaren Feldern, blühenden Wiesen und schönen, wenn auch sehr ausgedehnten Wäldern, ein munteres Bächlein durchfloß dasselbe, parallel mit der Landstraße rieselte es dahin, um den Enten und Gänsen als Tummelplatz zu dienen. Beim Austritt aus dem Dörfchen verbreitete es sich und unterhalb der Zahnschen Kolonie nahm es, durch die ihm zufließenden Wiesenwässer an Breite zu, es durchfloß die mit düsteren Tannen bewachsene Schuga, um weiter unten das Räderwerk der Richter~ und der Roikmühle zu nutzbringender Arbeit anzutreiben.
In lauen Sommernächten herrschte in diesem Tale eine feierliche Stille...
Die kleinen rauchenden Häuschen hatten nichts pomphaftes an sich, das Innere derselben war schlicht und einfach wie auch die Bewohner derselben, sie waren freundlich und fleißig, und vor sehr, sehr langer Zeit, als die Großmutter noch die Krinoline trug, beherrschten sie die wendische Sprache noch recht gut, später starb auch diese wie so vieles andere aus.
War der Daseinskampf dieser Menschen auch kein leichter, in ihrer Mitte wohnte die Zufriedenheit und der rechte, ungekünstelte Frohsinn und sie feierten ihre FESTE wie sie fielen:

Geburt-Hochzeit-Tod.jpg

Schon die GEBURT eines neuen Erdenbürgers war ein Fest, denn kurze Zeit nach derselben bereitete man sich auf die KINDTAUFE vor, es wurden die 'PATEN gebeten', die Zahl derselben richtete sich ganz nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kindtaufvater, es gab Kinder, die deren bis zu zehn hatten. Am Tage der TAUFE erschienen sie alle, nahmen an der kirchlichen Feier teil, ein jeder brachte seinen PATENBRIEF, in dem sich in der Regel ein Taler befand.
Während der FAMILIENFEIER stellte die Hebamme eine Schüssel mit Wasser auf einen Stuhl und jeder der Gäste warf einige Münzen in dasselbe, bei keiner Kindtaufe fehlte der Pfarrer und der Kantor.
Wurde das Kind älter und die OSTERN kamen, so besuchte es der Reihe nach seine Paten, um die OSTEREIER und die PATENSEMMEL in Empfang zu nehmen; wer viele Paten hatte, der konnte den Henkelkorb oder gar die Kiepe mitnehmen.
So wuchsen wir Kinder heran und kamen wir in die SCHULE, so bekamen wir am ersten Tage vom Herrn Lehrer die große ZUCKERTÜTE; alle glaubten wir, daß dieselbe ein Geschenk des Lehrers sei, dem war aber nicht so, die gute Mutter hatte dieselbe in Senftenberg in Grubanns Papierhandlung gekauft und in Rauno beim Bäckermeister Otto oder beim Kaufmann Klemm füllen lassen.

Besonders fidel ging es bei den HOCHZEITEN zu, ihr voran ging nach alter Sitte der POLTERABEND, da kam die ganze Dorfjugend zusammen und schleppte alles schadhafte Geschirr, Teller, Tassen, Krüge und Gläser herbei und unter lautem Rufen wurde es gegen die Haustüre des Bräutigams oder der Braut geworfen, oft fand auch einmal noch ein brauchbares Stück Geschirr den Weg alles Vergänglichen und am nächsten Morgen lagen große Haufen Scherben vor der Türe.
Die Hochzeiten waren Freudenfeste, Türen und Fenster des Brauthauses wurden geschmückt, beim Verlassen der Kirche, oder, da wir in Rauno keine hatten, beim Einzug in das Dorf wurden die Hochzeitsgäste samt der Braut und dem Bräutigam mit dem Gespann durch Ueberspannen der Straße mit bunten Bändern zum Halten gezwungen und erst nachdem sie eine Anzahl Geldstücke unter die Jugend geworfen hatten, wurde der Weg freigegeben.

Zu einem traurigen Ereignis in unserer kleinen Dorfgemeinde gehörte zweifellos ein STERBEFALL, dies war um so mehr der Fall, weil die Bewohner untereinander friedlich verkehrten. Starb im alten RAUNO ein Einwohner, so ging der 'Leichenbitter' um, er machte vom Ableben kurz Mitteilung und lud zu den Beerdigungsfeierlichkeiten ein.
Am Tage der BEERDIGUNG erschien dann Kantor Paulitz mit den älteren Schülern, um den feierlichen Grabgesang anzustimmen, für diese Mühewaltung bekam dann jeder der Schüler 5 Pfennig.
In früheren Zeiten brachten wir unsere Toten nach Senftenberg, da Rauno damals noch keinen Friedhof hatte; langsam und feierlich ging es die Chaussee durch den im tiefsten Frieden ruhenden Wald dem ALTEN FRIEDHOFE zu. An Eingange rechts und links befanden sich zwei mahnende und sinnreiche Inschriften, >Was wir sind, das waren sie< und >Was sie sind, das werden wir<...
Nach Schluß der BEERDIGUNG ging es dann dem TRAUERHAUSE zu, hier ging es dann zu, daß ein Fremder glauben mußte, es handle sich um irgendeine Feier, nur um kein Begräbnis. Ich habe als Schüler von 9 Jahren einmal ein BEGRÄBNIS in Sedlitz erlebt: Neben großen Mengen Kaffee und Kuchen für die Frauen wurde Brot, Butter, Wurst und Käse, neben reichlich Schnaps auch ein Glas Bier aus der Brauerei Hänig in Senftenberg oder Zahn in Dörrwalde aufgetragen. Erst spät am Abend trennte man sich.

Interessant waren im alten RAUNO auch in früheren Zeiten die
AMTLICHEN BEKANNTMACHUNGEN. Zeitungen kannten wir damals noch wenig oder gar nicht. Die Post brachte uns der 'alte Mahlig', Senftenbergs LANDBRIEFTRÄGER. Der DORFSCHULZE bediente sich eines großen viereckigen Hammers, der aus Holz bestand; auf diesem wurde das beschriebene Blatt mit der Mitteilung aufgeheftet und ging von Haus zu Haus, ein Nachbar gab ihn dem andern. Später brachte uns der >Senftenberger Anzeiger< die Neuigkeiten und mit Sehnsucht wurde er allemal erwartet.

Wie in anderen Teilen Deutschlands, so blieb auch bei uns in RAUNO der Fortschritt nicht vor dem Dorfe stehen. Lehrer Nossagk brachte uns das erste Fahrrad, Windolfs Paul und der bei Meister Lehmann beschäftigte Schuhmacher Kretschman das zweite Hochrad; mit Staunen stierten wir die darauf Sitzenden an. Im >Gasthaus zum Rosenkranze< bei Emil Genzer wurde das erste Telephon angelegt; viele der älteren Einwohner trauten der Sache nicht recht, denn es erschien uns kaum möglich, mit jemandem sprechen zu können, den man doch nicht sehen konnte..."

Bleibt mir abschließend nur noch, einen freundschaftlichen Gruß an meinen inzwischen sehr populären Heimatforscherkollegen NORBERT JURK zu senden, in dessen Büchern natürlich RAUNO einen Spitzenplatz einnimmt - schließlich war er ja dort einmal zu Hause... ;)

Norbert Jurk_resize.jpg


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