Auf der Suche nach konkreten Angaben zum
SENFTENBERGER AMTSGERICHT
wurde ich in der
>ZEITSCHRIFT FÜR BAUWESEN< des Jahres 1912 fündig.
Aus dem aufgelisteten Zahlenmaterial geht z.B. hervor, dass von 1908 bis 1910 gebaut wurde, die Grundfläche 1440 m², der Gesamtrauminhalt 21026 m³ betrug, und die veranschlagten Baukosten von 470 Tausend um rund 15000 Mark unterboten wurden. Wo gibt es das heute noch ?
Äußerst interessant allerdings, für ev. geplante Fluchtversuche, war die Raumverteilung in den einzelnen Etagen des Gerichtsgebäudes.
Im
GRUNDRISS sind neben dem
TRESOR (1), den
"SCHAFZELLEN" (2) [kurioser Schreibfehler, aber die dort schlafenden Insassen waren natürlich die sprichwörtlichen "schwarzen Schafe"] und dem
VERNEHMUNGSRAUM (3) folgende Räumlichkeiten, getrennt nach Amtsgericht
(AG) und Gefängnistrakt
(G), aufgelistet:
KELLER
Baderaum, 2 Räume für Brennstoffe, 2 Heizräume, Rollkammer, Tischlerwerkstatt, Vorratskammer,
2 Waschküchen, Arrestzellen, Pfandkammer;
1. STOCK
AG: Amtsanwalt, 2 Amtsräume, Bücherei, Bote, Gemeinschaftsraum,
3 Räume des Katasteramts, 2 Richter, Saal, Wärter;
G: Aufseher, Gemeinschaftszelle, 3 Schlafzellen, 2 Spülzellen, 10 Zellen;
2. STOCK
AG: Amtsraum, Bote, Beratungszimmer, 4 Räume der Gerichtsschreiberei,
4 Richterzimmer, Schreibraum, Sitzungssaal, Wärter;
G: 3 Schlafzellen, Gemeinschaftszelle, Spülzelle,13 Zellen;
3. STOCK
G: Arbeitsraum, Betsaal, 3 Schlafzellen, Spülzelle, 4 Zellen;
4. STOCK
Bodenräume
Zur
BESICHTIGUNG des am 1. Mai bezogenen neuen
AMTSGERICHTS hatten sich am 27. Mai 1910 die Magistrats-Mitglieder und Stadtverordneten fast vollzählig eingefunden, um die beiden
GEBÄUDE in fast allen ihren Teilen zu besichtigen und auch den das
HAUPTGEBÄUDE krönenden
TURM, welcher eine prächtige Aussicht über Stadt und Umgegend bot, zu besteigen.
Sämtliche
SCHREIBSTUBEN wurden von den Besuchern als hell und gut ventiliert befunden, nur der
SCHÖFFENGERICHTS-SAAL, zu dessen
ZUHÖRERRAUM ein besonderer
EINGANG links vor dem
ENTREE hinaufführte, hätte wohl erheblich größer sein können, merkte man kritisch an. Dafür lobte man aber die recht gediegene Ausstattung der Räume, wie auch die in beiden Gebäuden installierten
"Centralheizungs-Anlagen". Bis auf das
GEFÄNGNISGEBÄUDE waren die Räume nahezu alle schon besetzt. Für das Gefängnis prognostizierte man die Zahl der Insassen auf über 60 und damit sich jene nicht gleich mit dem Schmieden von Fluchtplänen beschäftigten, umschloss der Bau drei abgetrennte
HÖFE, deren Überwindung nicht ganz einfach gewesen sein dürfte...
Die hier einsitzenden Übeltäter waren aber scheinbar friedlich gestimmt, wie aus einer am 19.3.1919 geschriebenen Postkarte hervorgeht:
"Mein liebes Frauchen ! Eben wollte ich Dir meine gebrauchte Wäsche schicken, aber die kl. Kiste wird noch gar nicht voll. Hemden habe ich ja noch 3, Strümpfe auch 4 Paar reine. Das einzige was Du mir mitschicken könntest, das wären einige Taschentücher.
Ich werde also mit dem Schicken noch bis zum ersten warten, wenn ich fortmachen sollte, habe ich dann nicht so viel zu tragen.
Es grüßt Dich herzlich Dein Alfred."
Ich glaube nicht, dass Alfred vorhatte, aus den Taschentüchern ein Seil zu knüpfen, obwohl das "fortmachen" und "nicht so viel zu tragen" schon gewisse Verdachtsmomente in sich barg...