Neues 297 - 2017-10-15

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Matthias
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Neues 297 - 2017-10-15

Beitragvon Matthias » Sa 14. Okt 2017, 08:06

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Harald
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Re: Neues 297 - 2017-10-15

Beitragvon Harald » Mo 16. Okt 2017, 13:25

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Im Jahre 1925 erschien im >Senftenberger Anzeiger< ein in BRIEFFORM verfasster Artikel unter der Überschrift:

DAS SENFTENBERG DER ZUKUNFT

Datiert war der „BRIEF“ vom 1. Juli 2200 und geschrieben hatte ihn ein gewisser PAUL DROGAN, von Beruf Rangiermeister, der damals in der Senftenberger FELDSTRASSE 1a sein Zuhause und sicher auch dort seine ZUKUNFTSVISIONEN hatte. Er teilte diese nunmehr sehr detailliert seinem imaginären „Freund Peter in Pittsburgh“ mit, einem gebürtigen Senftenberger, der scheinbar nach den USA ausgewandert war.
Für uns heute ist daher sehr spannend zu betrachten, wie sich die Menschen früher die ferne Zukunft vorgestellt haben.
Für den größeren Teil des vorigen Jahrhunderts markierte das Jahr 2000 den Kulminationspunkt aller Science-Fiction-Phantasien; die Chiffre "2000" stand symbolhaft für die Welt der Zukunft. Als wir sie dann miterleben durften, fiel die Realität allerdings ein wenig anders aus als die Zukunft, die unsere Altvorderen erwartet hatten.
Paul Drogan hat sich wohl gerade deshalb bis ins Jahr 2200 Zeit lassen wollen, um die von ihm geplanten technischen Neuerungen in unserer Heimatstadt zu bestaunen.
Seine Zukunftsprognosen von einst entfalten immerhin, obwohl wir sie leider nicht mehr erleben werden, einen eigentümlichen Charme.
Und nun: "Zurücklehnen und lesend SENFTENBERGS ZUKUNFT genießen !“

„Lieber Peter, Du batest mich, Dir in ausführlicher Weise etwas von unserer HEIMATSTADT SENFTENBERG zu erzählen.
Diesen Wunsch kann ich Dir mit Freude erfüllen…
Bis gestern war ich verreist. Ungefähr um 12 Uhr mittags kehrte ich zurück.
Unser BAHNHOF hat jetzt 48 Bahnsteige. Ein riesiges Menschengedränge herrscht in der Vorhalle und auf den Bahnsteigen. Man muß sich mühsam einen Weg durch die Menge bahnen. Alles hetzt und rennt. Keiner kennt die Ruhe, die wir früher hatten.
Auf dem riesigen PLATZE VOR DEM BAHNHOF halten unübersehbare Reihen kleiner AUTOS. Sie warten auf ihre Fahrgäste. Nach Eingang eines Zuges bleibt fast kein Auto unbesetzt. Am meisten wird Dich interessieren,
daß wir zu unsern bestehenden 4 STRASSENBAHNLINIEN noch 2 neue hinzubekommen haben.
Man unterscheidet jetzt folgende STRECKEN:

Bahnhof – Hosena / Bahnhof – Lautawerk / Stadtteil Ilse – Stadtteil Marga /
Bahnhof – Petershain / Bahnhof – Senftenberg 2 / Senftenberg 2 – Sallgast.

Die WAGEN unserer Straßenbahn machen einen netten Eindruck. Sie sind ganz in hellgrün gehalten und mit dunkelblauen Kanten verziert. An den Seiten erglänzt das Senftenberger STADTWAPPEN, das am Abend besonders elektrisch beleuchtet wird. Die Führer der Wagen, von denen stets zwei zusammenhängen, und die stets überfüllt sind, sind biedere, nüchterne Leute. Auffallenderweise tragen sie alle Vollbärte.

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Die Hupen der Autos, die Glocken der Straßenbahn, dazu die vielen tausend Stimmen der Menschen, das alles erzeugt einen ohrenbetäubenden Lärm vor dem BAHNHOF, sodaß Du Dein Städtchen von damals nicht wiedererkennen würdest.
Da ich noch zwei Stunden Zeit habe, pilgere ich hinüber zum prachtvollen EXZELSIOR-HOTEL. Dieses ist das schönste und größte der Niederlausitz und erhebt sich dort, wo einst das HOTEL BARANIUS gestanden haben soll.
Der Prachtbau ist 6 Stockwerke hoch und hat zirka 1500 Zimmer. Seine gewaltige Fassade zieren zwei steinerne Löwen. Dieses Hotel hat mehrere große Bäder, eine eigene Druckerei, ein Café und einen geräumigen Radiosaal.
Ich lasse mich hinter einer Glasveranda nieder und betrachte bei einer Tasse Mokka das kribbelnde Leben auf dem BAHNHOFSPLATZ und in der BAHNHOFSTRASSE.
Sie ist immer noch die schönste Straße Senftenbergs und wie alle andern Straßen asphaltiert. Hohe, alte Lindenbäume werfen in der Mittagshitze einen wohltuenden Schatten. Den Fahrdamm durchziehen 3 Straßenbahngleise und in der Mitte ist Platz für Droschken und Autos. An den Seiten haben wir die Fußgängerwege.
An beiden Seiten der BAHNHOFSTRASSE erhebt sich Geschäftshaus an Geschäftshaus, Hotel an Hotel, Bank an Bank. Darunter auch ein schönes Gebäude der MORGAN-BANK, in deren Besitz die Aktien der gesamten Niederlausitzer Braunkohlenindustrie sind.
Wir sehen glänzende Läden mit den kostbarsten Erzeugnissen aus Braunkohle.
Die Ufa hat vor 10 Jahren hier ein prachtvolles LICHTSPIELHAUS gebaut. Dieses faßte damals 3500 Personen, heute bereits 4500. Inzwischen ist es aber wieder zu klein geworden und man beschäftigt sich z.Zt. mit Anbauplänen.
Du entsinnst Dich sicher noch des alten HAUPTGRABENS, der aus dem LAUGK kam, und dessen Lauf die BAHNHOFSTRASSE kreuzte. Das Wasser ist hier verschwunden. An seine Stelle sind GLEISE getreten. Die Straße überbrückt hier eine elektrische FÖRDERBAHN, welche die im Laugk gewonnenen braunen Schätze mit Sturmeseile nach dem Stadtteil SENFTENBERG 2 befördert.
Es ist ein schönes, belebtes Bild: Oben die STRASSENBAHNEN und AUTOS und unter der BRÜCKE die sauberen, blitzesschnell vorbeisausenden ZÜGE der elektrischen KOHLENBAHN

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Ich führe Dich nun zur BAHNHOFSTRASSE zurück.
Schrägüber vom KAUFHAUS >WALDSCHMIDT< hat Henry Ford ein >AUTOMOBIL-BUILDING< erbaut. Dieses Gebäude hat Kosten in Höhe von 4 Millionen Mark verursacht. Majestätisch erhebt es sich vor dem Eingang zum STADTZENTRUM.
Hier ist das Herz der Niederlausitzer Automobilindustrie, die ganz unter dem Einfluß von Ford steht. Hier laufen alle Fäden zusammen. Ford, der übrigens der Stadt Senftenberg ein VOLKSHAUS zum Geschenk machte, beschäftigt in diesem Hause ein Personal von 972 Köpfen. Darunter sind allein 285 Stenotypistinnen, die in der Woche bei sechsstündiger Arbeitszeit ihre 80 – 100 Mark verdienen.
Not ist hier ein unbekannter Begriff geworden…
Der regste Verkehr herrscht in der sogenannten KLEINEN BAHNHOFSTRASSE vom Kaufhaus >Waldschmidt< bis zum MARKTPLATZ. Hier ist es kaum zum Durchkommen. Wie ein schwarzer Strom drängt sich alles zusammen.
Menschen, Autos, Droschken, Straßenbahnen. Die Aussicht nach dem Himmel wird, man kann sagen, beinah versperrt durch ein dichtes Gewirr von Drähten der Radio-Antennen. Hier funkt groß und klein. Dir wird ja auch bekannt sein, daß wir das Telefon längst abgeschafft haben.
Mein lieber Peter !
Wenn Du heute unsern MARKTPLATZ betreten würdest, so brauchtest Du nicht mehr vergeblich eine zeitlang nach dem RATHAUSE zu suchen. Dieses würde Dir jetzt sofort ins Auge fallen. Wir haben ein wunderschönes neues RATHAUS bekommen. Eine breite FREITREPPE führt zu schweren, eichenen Torflügeln, vor denen zwei Portiers Wache halten. Mehrere FAHRSTÜHLE vermitteln den Verkehr zwischen den 9 Stockwerken. Im Keller des Rathauses hat die Ufa ein kleines LICHTSPIELTHEATER einbauen lassen. Hier kommen ausschließlich Kulturfilme zur Vorführung. Außerdem gibt es hier eine Bar, ein Kafé, eine Tanzdiele und ein Kabarett. Für die Leute aus den Nachbarorten, welche im Rathause geschäftlich zu tun haben, ist so während ihrer Wartezeit für Unterhaltung, Belehrung und Zerstreuung gesorgt. Natürlich ist der Zutritt überall frei. Speisen und Getränke gibt es gratis. Die Kosten trägt die Stadt…! :D

Feldstraße.jpg

Leider hat Paul Drogan nicht ahnen können, dass seine geliebte (rot gekennzeichnete) FELDSTRASSE, nördlich der EISENBAHNSTRASSE gelegen, schon bald darauf in einer Tagebaugrube verschwinden sollte. Das gleiche Schicksal ereilte die LAUSITZER~ und die LANGE STRASSE, von der nur noch das magere Endstück in Senftenberg II (heute Hörlitz) bis heute erhalten geblieben ist. Auch die ehemalige TOTZIGMÜHLE bzw. die MÜHLE, die dem WINDMÜHLENWEG seinen Namen gab, existieren nicht mehr…

Als Trostpflästerchen lasse ich unseren „Propheten“ bei passender Gelegenheit mit dem Teil II seiner futuristischen Aussichten für die Lebens~ & Arbeitswelt der Senftenberger Bürger nochmals zu Wort kommen. Also: Schön neugierig bleiben ! :?:

Zu den ILLUSTRATIONEN:
Vor 100 Jahren zeigten auch Ansichtskarten Visionen der Zukunft – praktisch „das Morgen von gestern“ – theoretisch also unsere Gegenwart, in der Stadtplanung und Verkehr zu den populärsten Themen futuristischer Fotomontagen gehörten.
Vergleicht man beide Postkarten, fällt allerdings auf, dass das Angebot an Bildelementen (heute: gifs) nicht sehr groß gewesen sein muss… ;)



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