Neues 346 - 2018-10-28

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Matthias
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Neues 346 - 2018-10-28

Beitragvon Matthias » Sa 27. Okt 2018, 09:56

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Harald
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Re: Neues 346 - 2018-10-28

Beitragvon Harald » Sa 27. Okt 2018, 14:51

Spitz-Buben_resize.jpg

Während der Grundschulzeit wurden wir von unseren Lehrern hin und wieder als LAUSBUBEN, LAUSEJUNGEN oder gar LAUSEBENGEL bezeichnet. Grund dafür waren unsere „ideenreichen Einfälle“, die sogenannten LAUSBUBENSTREICHE, die sich gegen zu strenge Erwachsene richteten, mitunter auch riskant waren, jedoch zumeist gut und schadlos für die Beteiligten ausgingen.
Dagegen steht der nach 1900 im >Senftenberger Anzeiger< oft verwendete Ausdruck >SPITZBUBE< umgangssprachlich für einen überaus schlauen Kleinkriminellen oder gerissenen Gauner, „welcher frech und scheu zugleich blickt, und dabei mit List zu stehlen weiß“.
Der „SPITZBUBE“ geht zurück auf den im Bauernkrieg umherziehenden, „spießtragenden Landsknecht“ (Spitzknecht),
der allerdings schon damals als „übler Maulheld, Spieler und Galgenvogel“ galt.

spiessgeselle_resize.jpg

Speziell im Mittelalter waren viele TASCHENDIEBE, sogenannte >BEUTELSCHNEIDER<, auf Marktplätzen, Straßen und Gassen unterwegs,
die im Gedränge den Passanten die am Gürtel befestigten Geldbeutel samt Inhalt abschnitten.
Der im o.g. Lokalblatt vermeldete alltägliche >SPITZBUBE< aber wurde schon um 1830 wie folgt beschrieben:

„Der SPITZBUBE ist ein Betrüger, der die Leute sehenden Auges hinter‘s Licht führt, ihnen mit allerhand Gaukeleien und Possen das Geld aus der Tasche lockt.
ER ist zwar gefährlich, allerdings nicht dem RÄUBER bzw. STRASSENRÄUBER gleich, denn ihm gilt bei seinen Diebereien und Betrügereien zwar die HABE, nicht aber das LEBEN. ER fasst nie den Vorsatz zu morden. Während sich RÄUBER auf WAFFEN (Messer, Dolch, Pistole) & WERKZEUGE (Nachschlüssel, Dietrich, Brecheisen) verlassen, die sie bei sich führen, ist beim SPITZBUBE alles auf seinen KOPF berechnet. Allein unterwegs sind seine Diebstähle nur unbedeutend, dagegen zeigt er in Begleitung von SPIESSGESELLEN einen großen Aufwand von Scharfsinn und wohl durchdachten Plänen.
SPITZBUBEN unterscheiden sich von gewöhnlichen DIEBEN & RÄUBERN auch noch dadurch, dass ihre Taten selten in der Dunkelheit,
dafür meist tagsüber in Form von Laden~, Markt~ und Gelegenheitsdiebstählen in Gasthäusern & Privatwohnungen geschehen..."


wie die folgenden Beispiele aus dem >Senftenberger Anzeiger< von 1910 beweisen:

logo_resize.jpg

8. März 1910:
„In den letzten Tagen sind uns eine Reihe von Fällen bekannt geworden, wo Leuten das PORTEMONNAIE oder die GELDBÖRSE mit Inhalt abhandengekommen ist. Durch die plötzliche Häufung der Fälle und die durchweg hohen Beträge, um die es sich handelt, möchten wir fast mit Sicherheit annehmen, daß hier TASCHENDIEBE bei der Arbeit gewesen sind, zumal sich ja zur Zeit der Markttage oft derartiges GESINDEL einfindet. Also Vorsicht !

25. März 1910:
„Ein jugendlicher SPITZBUBE hatte es auf Handwagen abgesehen, die vor Geschäftshäusern standen und deren Besitzer in die Geschäfte Einkäufe besorgen gingen. Diesen Augenblick benutzte der 13jährige Bursche und fuhr die Wagen nach der elterlichen Behausung.
… Den auf dem Wagen liegenden Ueberrock hat der Junge in ein Kellerloch des Konsumgebäudes gesteckt, wo er auch gefunden wurde.
Der Handwagenspezialist dürfte sehr bald in Fürsorgeerziehung abfahren.“

21. März 1910:
„Ein recht unliebsamer Besuch wurde einem Hausbesitzer in Senftenberg II abgestattet, denn SPITZBUBEN hatten die Rauchkammer erbrochen und Schinken, Speck etc. im Werte von ca. 120 Mark daraus gestohlen…Frauen hatten den Mann beobachtet, als er eine große Speckseite verstecken wollte. Diese Wahrnehmung wurde gemeldet und als sich der SPITZBUBE nun verraten sah, räumte er denn Einbruchsdiebstahl ein. Er wird jetzt für längere Zeit den Speck~, Schinken~ und Wurstgenuß entbehren müssen, denn diese Gerichte stehen sicher nicht auf der Speisekarte der Gefängnisse.“

26. Mai 1910:
„Gestern wurden 4 Knaben gelegentlich des Wochenmarktes beobachtet, als sie sich dicht an Damen herandrängten und TASCHENSPIELERKUNSTSTÜCKE versuchten. Eine Frau steckte ein Portemonnaie zu sich und begab sich in die Nähe der Jungens.
Plötzlich bemerkte sie eine Hand in ihrer Tasche und sich umdrehend, sah sie den jungen SPITZBUBEN weglaufen, packte aber sehr schnell den Anderen, und brachte ihn zur Polizei. Dort räumte der Junge diesen und mehrere an früheren Markttagen hier vorgenommene Taschendiebstähle, bei welchen recht erhebliche Beute gemacht wurde, ein. Ungebrannte Asche [eine Tracht Prügel] wäre das Beste für solche Taten.

10. Juli 1910:
„Einen guten Fang machte gestern die hiesige Polizei, indem sie einen wegen verschiedener Delikte, Fahrraddiebstahl, Zechprellerei etc. brieflich gesuchten SPITZBUBEN, gerade als er wieder abrücken wollte, festnehmen konnte. Er hat seiner Quartierwirtin aus Jüttendorf gestern eine Taschenuhr mit Kette und eine Mundharmonika gestohlen, ebenso versucht, in einen Schrank mit Nachschlüssel einzudringen und daraus das dort verwahrte Geld zu stehlen. Glücklicherweise ist ihm aber dies nicht gelungen. Der Verhaftete wurde dem Königlichen Gerichtsgefängnis überliefert und kann nun dort Rückblick auf seine verübten Straftaten in Muße halten.

22. Juli 1910:
„Heute wurde ein länger schon gesuchter SPITZBUBE nach Nr. Sicher gebracht, der neben Diebstahl auch noch wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs usw. einige Konten zu begleichen hat.
Derselbe heißt B a r o n , ist aber allerdings keiner, sondern baronisierte nur, bis der Steckbrief zu seinem Verderben wurde.
Damit der SPITZBUBE sich bei der jetzt anhaltenden Nässe nicht die Füße erkältet, erhielt er freies Unterkommen im Gerichtsgefängnis.

23. Juli 1910:
„In vergangener Nacht sind SPITZBUBEN in den Kaufladen des Kaufmanns Lieske in Senftenberg II eingebrochen und haben reichlich Beute gemacht.
Mehrere Pfund Schlackwurst, ca. 5 Pfund andere Sorten Wurst, 2 Schroten Speck, Bargeld, Briefmarken, Schreibmaterialien usw. fielen den Dieben in die Hände.
Vom Hofe aus waren sie nach Eindrücken einer mit Fett beschmierten Fensterscheibe durch das aufgewirbelte Fenster eingestiegen, hatten die Wohnungstürklinke mit dem Ladentisch durch eine feste Lederschnur verbunden, um vor Ueberraschungen gesichert zu sein und konnten ungestört arbeiten. Einen sicheren Anhalt, wer die SPITZBUBEN gewesen sind, hat man noch nicht.“

Das Thema >SPITZBUBEN< scheint, wie die beiden FAKSIMILE zeigen, eine UNENDLICHE GESCHICHTE zu sein, denn was 1714 nur allgemein beklagt, dann im Jahre 1820 an insgesamt 583 konkreten PERSONEN festgemacht wurde, setzt sich bis in die heutige Zeit fort.
„Wie ein Krebsgeschwür ist mit unserem bürgerlichen Leben ein gesellschaftliches Uebel verwachsen – das GAUNERTHUM.“
konstatierte man schon 1858. Und ein Wandel zum Besseren ist nicht in Sicht – leider… :?

Notizen_resize.jpg


ÜBRIGENS: finde ich die "WEISEN RATSCHLÄGE" am ENDE der jeweiligen ZEITUNGSMELDUNG noch am schönsten ... :)


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