Neues 128 - 2014-05-04

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Matthias
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Neues 128 - 2014-05-04

Beitragvon Matthias » So 4. Mai 2014, 08:07

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Harald
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Re: Neues 128 - 2014-05-04

Beitragvon Harald » So 4. Mai 2014, 14:10

Einweihung Schule Marga.jpg

Als im Juli 1911 die neue
SCHULE in der KOLONIE MARGA
festlich eingeweiht wurde, herrschte gewiss Einklang in der gesamten Lehrer~ & Elternschaft darüber, dass Bildung und Erziehung nunmehr wahre Höhenflüge antreten würden. Absehbar war aber auch schon, dass nicht alle SCHÜLER gewillt waren, an diesem Höhenflug teilzunehmen.
Das war vor über 100 Jahren nicht anders als heute.
Am Ende eines jeden Schuljahres gab es - früher ganz sicher mehr als heute - eine Reihe von 'Bruchlandungen', die sich in einer Nichtversetzung niederschlugen, auf welche die 'Bruchpiloten' natürlich unterschiedlich reagierten.
In einer Kolumne des >Senftenberger Anzeiger< nahm man sich dieses Themas anlässlich der Zeugnisausgabe zu Ostern 1911 recht kritisch an:

"Der Tag der Zensuren und der Versetzung, dieser Tag des Gerichts, findet unter unsern KNABEN vielfach ein schwachnerviges Geschlecht.
Wenn früher, als wir selber zur Schule gingen, einer nicht viel leistete, dann war das gewöhnlich ein wilder UNBAND; und hatte der wirklich einmal Angst vor der Bestrafung zu Hause, dann brannte er nach Hamburg durch und ging zum Heuerbaas, sich als Schiffsjungen zu verdingen.
Heute sind es die stillen BÜBCHEN, die zuweilen in der Schule nicht mitkommen. Und diese versonnenen, grüblerischen BURSCHEN, deren Ehrgefühl krankhaft entwickelt ist, springen dann nicht mitten in das heiße Leben hinein, sondern entfliehen ihm.
Wie ein Verhängnis kommt es immer vor Ostern über unser Land.
Auch diesmal wieder haben die Zeitungen aus den verschiedensten Gegenden Selbstmorde von Schülern gemeldet. Die öffentliche Meinung ist dann mit dem Urteil schnell fertig, gibt der Schule an dem Unheil schuld, wittert am Ende gar irgendwo Prügelpädagogen und schreit nach Reformen.
Reformiert haben wir wirklich genug.
Es ist einfach nicht wahr, daß es im großen und ganzen noch eine Überbürdung unserer SCHÜLER gibt, wie man sie in alten Zeiten mit Recht beklagte. Die Qual des lateinischen Aufsatzes und manches andere ist verschwunden oder gemildert, daß Maß des Memorierstoffes überall herabgesetzt, die Zahl der dem Turnen und dem Spiel gewidmeten Stunden vermehrt. Wer gerecht sein will, darf unsere Lehrerkollegien nicht verdammen.
Stücke, wie Wedekinds 'Frühlings Erwachen' sind doch Fratzen; die Wahrheit sieht ganz anders aus. In Wahrheit ist die Schule, soweit dies bei großen Klassen überhaupt möglich ist, darauf bedacht, individuell zu erziehen und auf die Psyche jedes einzelnen Schülers mit Verständnis einzugehen. Dazu gehört auch die neue Bestimmung, daß Urteile in der Rubrik 'Fleiß' nicht mehr erteilt werden dürfen, weil da allzuleicht ein Fehlurteil möglich ist:
der begabte Faulpelz erhält allzuleicht eine gute, der fleißige und gewissenhafte Minderbegabte eine schlechte Note. In neun von zehn Fällen treibt nicht schlechte Behandlung in der Schule, sondern Angst oder Scham vor dem Elternhause die Kinder in den Tod.
Da steckt die Wurzel des Übels: nicht in zu großen Anforderungen der Schule, sondern in dem Ehrgeiz und der Prügelpädagogik mancher Eltern. Leute, die selber ihren KINDERN keinerlei besondere Veranlagung vererbt haben, sondern eher das Gegenteil, sind nicht damit zufrieden, daß der Junge ebenfalls ein biederer braver Durchschnittsbürger wird, der in seinem Fach oder Handwerk vielleicht sehr gutes leistet, sondern wollen ihn durchaus in eine höhere Laufbahn hineinquälen.
Die geistige Atmosphäre des Hauses gewährt dem Schüler nicht die Unterstützung, die Kameraden bei ihren Eltern finden, trotzdem verlangt die Unvernunft von ihnen dasselbe und erklärt pathetisch, die 'Schande' sei nicht auszudenken, wenn er sitzen bleibe.
Also der JUNGE wird nicht belehrt, daß er sein eigenes Fortkommen verzögert, wenn er in der Schule zurückbleibt, sondern daß er Schmach auf seine Eltern häuft. Wird das zur fixen Idee, dann ist der Weg zur Pistole nicht mehr weit.
In einem Hause mit gesunder Pädagogik ist auch das wohl ausgeschlossen, denn da weiß der SCHÜLER noch kaum, was Selbstmord ist, aber wir haben eben zahlreiche Familien, in denen mangels sonstiger Gesprächsthemen die Skandalchronik der Zeitung das einzige ist, was auch in Gegenwart der KINDER breitgetreten wird.
Unsere HALBFLÜGGEN nehmen viel zu sehr an der Unterhaltung der Großen teil. Früher wurden die Eltern mit den Kindern wieder jung und tollten mit ihnen in Wald und Feld, heute dagegen wird die JUGEND frühzeitig alt, sitzt Sonntags mit den Alten in 'Lokalen', besucht vorzeitig das Theater - zum mindesten ein Kinotheater - und weiß im zarten Alter schon mit Dingen Bescheid, die für uns einst erst späte Offenbarung waren..."

Wie sich die Bilder gleichen:
>100 JAHRE BILDUNGSREFORMEN AM LAUFENDEN BAND< in Deutschland
und man tritt immer noch geruhsam auf der Stelle, erst recht nach der Wende.
Ich habe 40 Jahre lang an "vorderster Bildungsfront" gedient und musste in dieser Zeit vieles ausprobieren, was inkompetente Leute am "grünen Tisch" ausbaldowert hatten.
Meine "Dienstzeit" liegt gottlob hinter mir. Ich bin mir aber ziemlich sicher,
dass ein Ende der Bildungsreformversuche nicht zu befürchten ist - jedenfalls nicht mehr in diesem Jahrhundert...;-)


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