Neues 361 - 2019-02-10

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Matthias
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Neues 361 - 2019-02-10

Beitragvon Matthias » Sa 9. Feb 2019, 08:45

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Harald
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Re: Neues 361 - 2019-02-10

Beitragvon Harald » Sa 9. Feb 2019, 13:57

Inserat Damhirsch_resize.jpg

Schon immer trat die LEBENSFREUDE DER WENDEN zu keiner Festzeit deutlicher in Erscheinung als am >ZAPUST<,
wie die wendische Bezeichnung für FASTNACHT heißt. Obwohl nicht zu vergleichen mit dem großen Umfang der „Rheinischen Fastnacht“,
ist sie jedoch in ihrer schlichten Aufmachung eine herausragende LÄNDLICHE VERGNÜGUNG,
an der auch heute noch viele Dörfer und ländlichen Gemeinden ihre Freude haben.
Dies gilt nicht nur für die DORFJUGEND, sondern auch für verheiratete Paare und sogar die ALTEN werden in den Strudel der FASTNACHT gezogen.
Es scheint so, als hätten sich die DÖRFLER im ruhigen Verlauf der Wintertage alle leiblichen und geistigen Genüsse nur für die FASTNACHT aufgespart.
JÜTTENDORF, ein Amtsdorf der Stadt SENFTENBERG , war mit seiner überwiegend wendischen Bevölkerung prädestiniert für derartige VOLKSBRÄUCHE.
Die Traditionsgaststätte >ZUM DAMHIRSCH< war das kulturelle Zentrum, von dem aus ZAMPERTOUREN gestartet
und FASTNACHTSTÄNZE organisiert wurden. Vor allem der sog. "LATSCHENBALL", zu dem alle in Filzpantoffeln bzw. Holzpantinen "antanzen" mussten,
erfreute sich großer Beliebtheit.
Sehr detailliert schildert ein gewisser EWALD MÜLLER, dem man eine sehr gute Beobachtungsgabe bescheinigen muss,
in einer Beilage zum >Senftenberger Anzeiger< aus dem Jahre 1932 die

WENDISCHE FASTNACHT

„Als bedeutendster FESTTAG bei der FASTNACHTSFEIER erscheint der 2. Tag, an dem das ZAMPERN stattfindet.
Eine Schar Kinder Minderbemittelter zieht, mit dem ‚FASTNACHTSSPIESS‘ bewaffnet, von Haus zu Haus. Dieser SPIESS besteht aus einem oben zugespitzten, mit bunten Bändern geschmückten STOCKE, an dem mehrere kreuzweise stehende Hölzer befestigt sind, oder er ist durch eine blankgeputzte HEUGABEL oder eine HARKE ersetzt. Die jugendlichen TRÄGER des Spießes singen vor den Haustüren der Bauern besondere FASTNACHTSLIEDER, um Gaben zu erlangen, die man sodann an den Spieß bindet.

fastnacht 1930_resize.jpg

Ihren besonderen UMZUG halten die Mitglieder der SPINNGESELLSCHAFTEN, Burschen und Mädchen; und das ist die eigentliche FASCHINGSPARADE.
Zur Erlangung von ESSWAREN und GELD ziehen sie mit einer meist nur aus 4 Personen bestehenden, bunt kostümierten MUSIKKAPELLE die belebte DORFSTRASSE entlang und sammeln durch Bitten und anzügliche Neckereien in KÖRBE und KOBER, was sie nur immer erlangen können.
Die männliche Jugend bindet gewöhnlich die erhaltenen Gaben, soweit es deren Beschaffenheit zuläßt, an WEIDENKNÜTTEL, von denen riemenartige Streifen spiralförmig abgelöst sind. Während des ergötzlichen UMZUGES spricht man der PALENZFLASCHE eifrig zu und bietet jedermann davon an,
natürlich, um ein GESCHENK zu erlangen.
Die BURSCHEN treten in verschiedenen VERKLEIDUNGEN und vielfach maskiert auf, als Soldaten, Schornsteinfeger, Zigeuner usw.,
oder sie stellen den SCHIMMELREITER und den EISBÄREN dar.

BAER_resize.jpg

Der ERSTE wird folgendermaßen gebildet: eine männliche Person trägt auf der Brust und auf dem Rücken mehrere, mit einem Leinentuche bedeckte Siebränder. Kopf und Hals formt man aus einem ausgestopften Frauenstrumpf oder einem mit Werg umwickelten Wockenstocke, den Schweif gleichfalls aus Werg.
Der BÄR wird veranschaulicht durch einen vollständig mit Erbsenstroh umwickelten Mann, der, an eine Kette gefesselt, tanzend und brummend seinem Führer folgt.
Mit einem Kuchenbleche, einer Gießkanne, mit Topfdeckeln und einer verstimmten Geige oder Klarinette wird die ohrenzerreißende MUSIK hergestellt,
mit der ein kläffender Hund, den man beständig auf den Bären hetzt, seine Stimme vereint.
Flüchtende Gänse, Enten und Hühner tragen durch Schreien, Quaken und Gackern zur Verstärkung dieses FASCHINGSKONZERTS bei.
Bei diesem lärmenden UMZUGE der wunderlichen Gestalten öffnen sich Tor und Tür der Hütten, und alt und jung erscheint,
um sich teilweise der seltsamen Schar anzuschließen. Mädchen und Burschen der SPINNTE vereinigen sich sodann zu einer gemeinsamen FESTLICHKEIT.
Die angesammelten GABEN werden von den Mädchen, die Eßvorräte für mehrere Tage zu beschaffen haben, zu den MAHLZEITEN verwendet.
Auch für GETRÄNKE sorgen sie. Selbst die Kosten für die TANZMUSIK werden zu Fastnachten von ihnen bestritten,
erwerben sie sich dadurch doch das RECHT, das ganze Jahr hindurch frei tanzen zu dürfen.
Gewöhnlich entnehmen sie das GELD dazu ihrer SPINNTEKASSE, die die bei Hochzeiten und Kindtaufen erzielten Einnahmen enthält.
Während die MÄDCHEN Speise und Trank beschaffen, obliegt den BURSCHEN die Sorge für das nötige Feuerungsmaterial.
Die TAFELEIEN des jugendlichen Volkes werden meist in der SPINNSTUBE selbst abgehalten, seltener im WIRTSHAUSE,
da dessen Räume von den übrigen DORFBEWOHNERN angefüllt sind.

SPINTE.jpg

Nach der MAHLZEIT führt man eigenartige GESELLSCHAFTSSPIELE auf oder läßt wendische VOLKSLIEDER erschallen, die mit ihren wehmütigen, meist in Moll gehaltenen Weisen einen nachhaltigen Eindruck auf Fremde nie verfehlen. Sodann begibt man sich zum TANZE ins WIRTSHAUS. Dort spricht man zunächst dem FREIBIER tüchtig zu, das der Jugend von den im verflossenen Jahre verheirateten WIRTEN gespendet wird,
und schwingt darauf das Tanzbein unermüdlich. Selten wird bei den WENDEN so viel getanzt wie zur FASTNACHTSZEIT.
Und wie ausgelassen wird dabei getanzt.
Gilt doch allenthalben der GLAUBE, je höher man beim Tanzen springt, desto besser gerate der Flachs, und das besonders,
wenn man sich von einem recht hochgewachsenen Burschen herumschwingen lasse. Freilich sind es heute nur MODERNE TÄNZE,
die die Wenden aufführen. Die Zeit des WENDISCHEN ORIGINALTANZES,
der der Polonaise und dem Menuett ähnelte und noch vor etwa 60 Jahren allgemein üblich war, ist heut vorüber.
Auch die bisher gebräuchlichen NATIONALEN MUSIKINSTRUMENTE, der DUDELSACK,
die dreisaitige wendische GEIGE und die TARAKAWA, finden sich in der Niederlausitz nirgends mehr vor.

mUSIKANTEN 2_resize.jpg

Aber trotz alledem bietet ein TANZ VON WENDEN ein interessante und äußerst malerisches Bild,
wenn sich die hübschen, derben WENDINNEN in ihrer farbengrellen NATIONALTRACHT nach den Klängen der schlichten DORFMUSIK in den Armen der großen, kräftigen BURSCHEN über den Tanzboden fortbewegen, ist es wie das Gewoge eines bunten, ewig wechselnden Farbenspiels,
von dem man die Blicke nicht abzuwenden vermag. Und was für eine Pracht,
welchen Reichtum entfalten die WENDENMÄDCHEN in ihrem FASCHINGSSTAATE !
Dabei erhalten die Schönen erst dann die rechte Wertschätzung, wenn sie sich während des Festes in dreimaliger UMKLEIDUNG zeigen können.
Im TANZE erreicht die wendische LEBENSLUST ihren höchsten Grad: so ertönt denn hier das KREISCHEN eines Mädchens,
dort das fröhliche >HUJHUJJUCHHUHU< eines Burschen.
Auch an den übrigen Tagen wechseln TAFELEIEN & TRINKGELAGE mit Tanz, Spiel und Gesang ab.
Vor mehreren Jahren nahm die FASTNACHTSFEIER eine ganze Woche in Anspruch.
Daß dabei des Guten meist zu viel getan wurde, läßt sich denken, und ohne SCHLÄGEREIEN ging es natürlich selten ab.
Daher wurde von den Behörden eine so lange und ausschweifende FASTNACHTSFEIER zum Glück der Gemeinden nicht mehr geduldet.
Gegenwärtig dürfen zu diesem Zwecke nur 2 bis 3 Tage verwendet werden, die man freilich redlich ausnutzt.“

Tanz_resize.jpg

KRITIKER dieses lärmenden, von „üppigem Leben und tierischer Ausgelassenheit“ gekennzeichneten FASTNACHTSTREIBENS
stellten schon vor 200 Jahren fest, dass die Christen zu dieser Zeit 3 Tage hindurch wahnsinnig seien,
am vierten Tag aber durch Bestreichen mit Asche (am danach benannten ASCHERMITTWOCH) den Verstand wieder erhielten…
In jungen Jahren habe ich als Amateurmusiker gelegentlich auch den UMZUG durchs DORF mitgestalten und abends zum FASTNACHTSTANZ aufspielen dürfen
- und ich muss im Nachhinein bekennen: SO SCHLIMM WAR ES NUN AUCH WIEDER NICHT...
:D


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