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Neues 377 - 2019-06-09

Verfasst: Sa 8. Jun 2019, 08:16
von Matthias
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Re: neues 377 - 2019-06-09

Verfasst: Sa 8. Jun 2019, 11:28
von Harald
FROHE PFINGSTEN

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„Am fünfzigsten Tage nach der Auferstehung Jesu waren die Apostel bey einander versammelt. Urplötzlich vernahmen sie von Himmel her ein Brausen wie von einem gewaltigen Winde, der den ganzen Saal durchströmte. Feuerflammen zeigten sich und dieß Feuer setzte sich auf jeden von ihnen, so daß sich alle voll göttlicher Begeisterung fühlten.“

...heißt es in der >Apostelgeschichte<.
Durchaus denkbar wäre es, dass dem GEMEINDEKIRCHENRAT gerade am 19. Mai 1891, unter dem Einfluss der zu PFINGSTEN traditionell gefeierten >Ausgießung des Geistes< die Erleuchtung kam, dass die DEUTSCHE KIRCHE einer dringenden RENOVIERUNG bedürfe.
Denn schon eine Woche später startete das große PROJEKT, dessen FORTGANG ich anhand der im >Senftenberger Anzeiger< veröffentlichten Berichterstattung nachvollziehen möchte:


KiGe Logo_resize.jpg

28. Mai 1891:

„Der UM~ & AUSBAU DER DEUTSCHEN KIRCHE hierselbst soll, da die Vorverhandlungen beendet sind, nunmehr in der nächsten Woche in Angriff genommen werden. Zur LEITUNG des Baues ist bereits Herr Architect Z i e t z aus Eutin hier eingetroffen und es soll, wenn nicht Witterungsverhältnisse hindernd in den Weg treten, der BAU zum 1. November d.J. zu Ende geführt sein.“

18. Juni 1891:

„Beim ABBRUCH der Holztheile in der Deutschen Kirche hier verunglückte der Arbeiter Wilhelm M a t s c h u k von hier,
indem er mit einer zusammenbrechenden TREPPE herunterstürzte und hierbei den Arm brach.“

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30. Juli 1891:

„Bei dem KIRCHENREPARATURBAU ist man im Grunde auf mächtige STEINE gestoßen, welche durch die feste Mörtelverbindung einen großen Klumpen zu bilden schienen. Deshalb mußte vorgestern die SPRENGUNG dieses Kolosses mittelst PULVER erfolgen, welche auch völlig gelang.
Etwas getäuscht sah sich ein LANGFINGER, welcher vor einigen Tagen einen in der KIRCHE stehenden SCHRANK erbrach und wahrscheinlich große Reichthümer in demselben vermuthete, statt dessen aber alte ORGEL-ZINNPFEIFEN und sonstige dergl. Reste vorfand.
Diese wenig lohnende Einbrecherkunst wird dem Betreffenden aber doch vielleicht eine Kleinigkeit eintragen.“

11. November 1891:

„Unsere DEUTSCHE KIRCHE, welche im Jahre 1690 zum letzten Male renovirt wurde, hat in diesem Jahre ein NEUES GEWAND bekommen.
Unter der Leitung unseres verehrten Herrn Oberpredigers
H i n t e r s a t z, sowie des Architecten Herrn Z i e t z und der kirchlichen Baucommision ist der Bau der KIRCHE, sowie auch des THURMES seiner Vollendung nahe, so daß wohl Weihnachten d.J. das Wort der heiligen Schrift in den Hallen der Kirche erklingen wird.
Das Innere der Kirche selbst ist durch MALEREI, sowie durch den Neubau von EMPOREN, ORGELCHOR, dem prachtvoll geschnitzten ALTAR und der in Aufstellung begriffenen neuen ORGEL von der weltberühmten Firma Schlag & Söhne in Schweidnitz in Schlesien dem gothischen Styl angepaßt.
Die bisherigen Fenster haben den prachtvollen FENSTERN aus der königl. sächs. Hofglasmalerei von Türk & Co. aus Zittau weichen müssen; ein Hauptwerk der Glasmalerei bietet nämlich das ALTARFENSTER, wo unser Heiland in Lebensgröße mit dem Spruch Matth.11, V.28 dargestellt ist.
Die frühere SAKRISTEI ist einem im gothischen Style enthaltenem Bau ewichen. Der bisherige AUFGANG nach den früheren Emporen findet nicht mehr in der Kirche selbst, sondern durch in Rohbau aufgeführte AUFGÄNGE von außerhalb nach den neuen EMPOREN in das Innere der Kirche statt.
Die bisherige KANZEL in ihrer prachtvollen Schnitzerei, ein Meisterwerk des 16. Jahrhunderts, ist erhalten geblieben und wird renovirt. Ferner erhält die Kirche LUFTHEIZUNG, es ist dieses wohl die erste derartige Anlage in der Niederlausitz; auch soll der THURM eine UHR mit 4 Zifferblättern erhalten.
Morgen, Donnerstag, findet nun der erste feierliche Akt, nämlich die AUFBRINGUNG des vergoldeten KNOPFES und KREUZES, sowie des BLITZABLEITERS auf dem Kaiserstuhl des Thurmes statt.
Die FEIERLICHKEIT beginnt Nachmittag 1 Uhr und versammeln sich zu dieser Zeit die kirchliche Gemeinde-Vertretung sowie der Gemeinde-Kirchenrath etc. vor der Oberpfarre, von wo sich der Zug unter dem GELÄUT sämmtlicher GLOCKEN vor die Kirche begiebt, wo nach Abhaltung einer Ansprache seitens des Herrn Oberpfarrer H i n t e r s a t z und Absingen eines CHORALS seitens der Schuljugend und Musikbegleitung mit der AUFHISSUNG des Knopfes etc. begonnen wird.“

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18. November 1891:

„Die AUFHISSUNG des KIRCHTHURMKNOPFES und des KREUZES auf die neue THURMSPITZE erfolgte gestern gegen 3 Uhr Nachmittags.
Dieser äußerst schwierigen, ja lebensgefährlichen Arbeit, welcher Viele mit banger Erwartung entgegen gesehen, hatte sich der Klempner Louis R o t h e jun. unterzogen, der mit Hilfe zweier thatkräftiger Leute in der Zeit von ungefähr zwei Stunden in dieser schwindelnden Höhe das Werk vollbrachte. Zur FEIER hatten sich die Geistlichkeit, Kirchenvorstand, Lehrerkollegium und Schulkinder, sowie eine große Anzahl Zuschauer eingefunden. GLOCKENGELÄUT, welches wir seit Wochen nicht gehört, verkündete den Beginn der Feier, CHORÄLE, gespielt von der Jetschick-Wulschner’schen Kapelle und gesungen von der Schuljugend, begleiteten die gefahrvolle Arbeit. – Eingehender Bericht folgt.“

„Gestern, Dienstag, fand im Beisein der kirchlichen und städtischen Organe, wie schon kurz berichtet, die AUFHISSUNG der Kugel, des Kreuzes und Blitzableiters auf unsere NEUE THURMSPITZE statt.
Nachmittags gegen 1 Uhr versammelten sich vor der Oberpfarre die kirchlichen und städtischen Behörden, sowie die Herren Lehrer nebst den Schulklassen. Nachdem die von Herrn Oberpfarrer Hintersatz verfaßte CHRONIK DER PAROCHIE seitens der kirchlichen Vertretung unterzeichnet war, wurde dieselbe nebst verschiedenen Münzen, Tageszeitungen etc. in den KNOPF gelegt und derselbe zugelöthet.
Gegen 3 Uhr bewegte sich dann der Zug unter dem Geläut der Glocken und dem Gesang des Liedes >Ein feste Burg ist unser Gott< nebst Begleitung der Jetschick’schen Kapelle nach dem THURM. Dort angekommen, wies Herr Oberpfarrer Hintersatz nach dem Gesange des Liedes >Lobe den Herrn, den mächtigen etc.< auf die Bedeutung des Tages hin, und unter dem Geläute der Glocken wurde der KNOPF sowie das KREUZ emporgezogen und von dem Klempner Louis Rothe jun. aufgesetzt und befestigt. Gegen 5 Uhr fand im Bittroff’schen Restaurant ein FESTESSEN statt, wobei Herr Oberpfarrer Hintersatz auf den Maurermeister und die Bauleute, Herr Bürgermeister Blankenberg auf Herrn Oberpfarrer Hintersatz toasteten.“

13. Mai 1892:

„Wie aus den kirchlichen Nachrichten dieser Nummer ersichtlich, findet die EINWEIHUNG der hiesigen DEUTSCHEN KIRCHE nach ihrer RENOVIRUNG am nächsten Mittwoch, den 18. d.M., Nachmittags 2 Uhr statt. Der FESTZUG wird sich gutem Vernehmen nach von der Oberpfarre aus nach der KIRCHE begeben, woselbst Herr General-Superintendent Dr. B r a u n aus Berlin die WEIHREDE, die FESTPREDIGT Herr Oberpfarrer H i n t e r s a t z halten wird.“

16. Mai 1892:

„Mehrseitig ist uns Veranlassung gegeben worden, für nächsten Mittwoch, an welchem Tage hier die EINWEIHUNG DER RENOVIRTEN DEUTSCHEN KIRCHE stattfindet, AUSSCHMÜCKUNG DER STRASSEN UND HÄUSER durch Fahnen und Guirlanden etc., wie dies anderwärts Brauch und z.B. in jüngster Zeit in Berlin in großartiger Weise ausgeübt worden, auch hier anzuregen. In katholischen Orten wird die Anwesenheit eines BISCHOFS diesem zu Ehren stets der ORT auf’s Höchste geschmückt – ein General-Superintendent steht in demselben Range, die evangelischen Christen werden darin gewiß nicht zurückstehen wollen und sei deshalb die Frage wohlwollendster Erwägung empfohlen.“

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18. Mai 1892:

„…ist am Mittwoch Nachmittag unter großer Feierlichkeit und unter überaus zahlreicher Theilnahme nicht nur der Bewohner der eingepfarrten Ortschaften vor sich gegangen, sondern auch von weiter her waren viele Freunde von Gottes Haus und Wort erschienen, um der seltenen FEIER beizuwohnen…
(Aufzählung der hohen Würdenträger)
Die STADT hatte zu Ehren des Festes an Flaggen~, Guirlanden~ und Kranzschmuck erheblich mehr geboten, als erhofft werden konnte; das RATHAUS war mit einer Reihe grüner Maien geziert und namentlich in der BAHNHOFSTRASSE und am MARKT dürfte wohl kein Haus ohne FESTSCHMUCK geblieben sein.
Am CHAUSSEE-EINGANG zur Bahnhofstraße befand sich eine EHRENPFORTE mit Willkommensgruß…
(Aufzählung aller Losungen)
Bald nach Mittag verschwand der Wochenmarktsverkehr vom MARKTPLATZ, dessen Säuberung angeordnet worden war und gegen ½ 3 Uhr nahm die FEIER ihren Anfang, durch das schöne GELÄUT unserer Glocken eingeleitet…
(Aufzählung der Festzugteilnehmer nebst gesungenen Kirchenliedern, Schlüsselübergabe etc.)
Der zahlreichen, die geräumige KIRCHE bis auf den letzten Platz füllenden Schaar Andächtiger zeigte sich nun das gründlich und auf das Schönste erneuerte INNERE des schönen GOTTESHAUSES und bot dasselbe mit dem reichen Blumen~ und Guirlandenschmuck, welcher nicht nur aus der Stadt, sondern auch von mehreren Dörfern gespendet worden, den erhebendsten Eindruck…
(Schilderung des Gottesdienstes)
Voller Befriedigung verließen die Andächtigen das Gotteshaus, während vom THURM noch Choralmusik ertönte…“

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3. Juni 1892:

„Unsere neue THURMUHR ist nunmehr gestern hier eingetroffen und soll dieselbe bereits, insofern es irgend thunlich,
bis zu den FEIERTAGEN aufgestellt werden.“

7. Juni 1892:

„Unsere neue THURMUHR, von welcher während der Festtage nur ein ZIFFERBLATT OHNE ZEIGER zu sehen war, wird uns erst in 3 – 4 Wochen anzeigen, was es geschlagen hat. Dieselbe wird zuvor in einzelne Theile zerlegt, um sicher nach dem Aufstellungsorte gebracht werden zu können; die AUFSTELLUNG des umfangreichen Werkes selbst ist dann auch noch eine zeitraubende und größte Genauigkeit erfordernde Arbeit.“

8. August 1893:

„Zu anderen öffentlichen UNSITTEN gehört auch die UNPÜNKTLICHKEIT BEIM KIRCHGANGE.
Es giebt leider Viele, die scheinbar der Ansicht leben, die LITURGIE gehöre nicht zum GOTTESDIENSTE oder diene wenigstens nicht zur Erbauung. Andere wieder glauben, sich das GEBET nach der PREDIGT ersparen zu dürfen und warten den Höhepunkt des ganzen Gottesdienstes, den SEGEN des Herrn sowie letztens den GESANG des Schlußverses nicht mehr ab.
Beides, das UNPÜNKTLICHE KOMMEN und das VORZEITIGE VERLASSEN des Gotteshauses ist um der Störung wegen, die dadurch verursacht wird, gleich tadelnswerth und sollte von den Kirchgängern in jedem Falle sorglich vermieden werden.“

Bei dem geschilderten UHRENPROBLEM brauchte man sich eigentlich über die UNPÜNKTLICHKEIT nicht zu wundern…
Ich habe im >Senftenberger Anzeiger< bis zum 1894er Jahrgang recherchiert, doch ist bis dato noch keine Vollzugsmeldung „ZIFFERBLATT MIT ZEIGER“ ergangen. Dafür machte man die Senftenberger Bürgerschaft in der Zwischenzeit in puncto "SCHLAGEN DER TURMUHR" schlau...
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