Neues 398 - 2019-11-17

Die neue Form der Kommentarfunktion zu den
einzelnen Einträgen unter Neues
Benutzeravatar
Matthias
Administrator
Beiträge: 639
Registriert: Fr 28. Feb 2014, 18:23
Wohnort: Senftenberg

Neues 398 - 2019-11-17

Beitragvon Matthias » Sa 16. Nov 2019, 10:04

Bild Bild


Hier klicken, um zum entsprechenden Eintrag unter "Neues" zu springen...

Benutzeravatar
Harald
Beiträge: 616
Registriert: Sa 1. Mär 2014, 10:39

Re: Neues 398 - 2019-11-17

Beitragvon Harald » Mo 18. Nov 2019, 15:47

RB Volkstrauertag.jpg
Der gestrige VOLKSTRAUERTAG ist ein >STILLER FEIERTAG< und wird immer im NOVEMBER gefeiert, sowohl von Katholiken als auch Protestanten oder konfessionslosen Menschen. Ein festgelegtes Datum für diesen GEDENKTAG existiert nicht. Er fällt jedoch stets auf den Sonntag zwei Wochen vor dem ersten Adventssonntag, gehört aber nicht zu den kirchlichen, sondern zu den vom Staat eingeführten Gedenktagen, ist aber kein gesetzlicher Feiertag, d.h. Geschäfte dürfen also geöffnet sein.
Häufig sind themenfremde Veranstaltungen zur Unterhaltung, zum Beispiel musikalische Darbietungen in Gaststätten, an diesem Tag verboten.
Eingeführt wurde der VOLKSTRAUERTAG auf Initiative des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VDK) am 28. Februar 1926 als GEDENKTAG der gefallenen Soldaten im Ersten Weltkrieg, nachdem bereits im Jahr 1919 ein entsprechender Vorschlag ausgesprochen worden war.
Die Nationalsozialisten änderten ab 1935 diese ursprüngliche Widmung, so dass während dieser Zeit nicht mehr das Gedenken der Toten im Zentrum des Feiertages stand, sondern die Heldenverehrung. Als >HELDENGEDENKTAG< deklariert, verlor der VOLKSTRAUERTAG so seine ursprüngliche Bedeutung. Zwischen 1945 und 1947 wurde der FEIERTAG nicht begangen, im Jahre 1948 aber wieder eingeführt.
Der NOVEMBER wurde bewusst gewählt, weil in dieser Zeit im Kirchenjahr die Themen TOD, GEDENKEN & EWIGKEIT dominieren.
Heute gedenkt man an diesem Tag aller Gefallenen und Opfer von Gewaltverbrechen aller Nationen.

Neben den vielen patriotisch überschäumenden, herzzerreißend plakativen HELDENGEDICHTEN, die damals abgedruckt wurden,
fand ich - oh Wunder - auch ein nüchtern-realistisches REIMWERK von PAUL KERSTEN, dem ehemaligen Rektor der Senftenberger Schule IV:


RB Gedicht_resize.jpg

Um den Termin für den Gedenktag, im Vorfeld bereits als NATIONALFEIERTAG, NATIONALTRAUERTAG bzw. DEUTSCHER VOLKSTRAUERTAG deklariert, wurde hart gestritten, bevor man die allererste GEDENKFEIER am 1. MÄRZ 1925 „einläutete“
– allerdings wegen des Ablebens des Reichspräsidenten Ebert mit einem strikten VERBOT öffentlicher Lustbarkeiten.

Von den VORBEREITUNGEN berichtete der >Senftenberger Anzeiger< am 23. Februar 1925 wie folgt:

„Am NATIONALFEIERTAG für die gefallenen Helden nächsten Sonntag wird auch die Stadt Senftenberg ihrer auf den Schlachtfeldern gebliebenen Helden würdig gedenken.
Dem Rufe zu einer BESPRECHUNG in During‘s Gasthaus waren die Vorstände von 15 VEREINEN aus der Stadt Senftenberg und der näheren Umgebung gefolgt. Es handele sich hier um eine allgemeine VOLKSFEIER, bei der jeder PARTEIGLAUBE und jeder HADER auszuscheiden habe. Es bestanden keine Bedenken gegen die Beteiligung des REICHSBANNERS >Schwarz-Rot-Gold< mit seiner Fahne an der Ehrung, sofern dasselbe das Programm anerkenne.
Auf die Frage wegen der Beteiligung des REICHSBANNERS am Gottesdienst glaubte man annehmen zu dürfen, daß dies seitens des REICHSBANNERS, dem es auch gestattet ist, einen eigenen Kranz mit schwarz-rot-goldener Schleife niederzulegen, im großen und ganzen wohl geschehen könne und werde.“


Möglicherweise war diese GROSSZÜGIGKEIT gegenüber dem REICHSBANNER einem Auftritt ihres TAMBOURKORPS zu verdanken…
Am 28. Februar 1925 gab man im Lokalblatt den ABLAUFPLAN bekannt:

„Der NATIONALTRAUERTAG für die gefallenen Helden wird morgen, Sonntag, auch in Senftenberg und Umgegend in würdiger Weise begangen. Nach dem Beschlusse des Magistrats soll die FEIER in der bereits bekanntgegebenen PROGRAMMFOLGE vor sich gehen und zwar:
1. 9 Uhr vormittags: ANTRETEN der Vereine in der besprochenen Weise in der Schmiedestraße und am Neumarkt.
2. SAMMELN der städt. Kollegien, Beamten und geladenen Ehrengäste im Zimmer 7 des Rathauses.
3. 9¼ Uhr vormittags: Gemeinsamer KIRCHGANG.
4. 11 Uhr: MARSCH nach dem Kriegerdenkmal und Aufstellung dortselbst.
5. GESANG des Männer-Gesangvereins.
6. ANSPRACHE des Bürgermeisters S e e d o r f.
7. KRANZNIEDERLEGUNG.

RB Feier_resize.jpg

Alle Vereine und Verbände unserer Stadt werden hierzu ergebenst eingeladen. Die EINWOHNERSCHAFT wird ersucht, ihre HÄUSER in den Reichs~ und Landesfarben auf Halbmast zu flaggen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dies in weitestem Umfange geschehen und daß die gesamte EINWOHNERSCHAFT auch innerlichen Anteil an dem NATIONALGEDENKTAGE nehmen wird.
Zu begrüßen ist es ferner, daß gerade an diesem Tage das Stadtorchester und der Gesangverein 1924 ein KONZERT zum Besten des Fonds der HELDENGEDÄCHTNISSTÄTTE veranstalten.
Das Programm des WOHLTÄTIGKEITSKONZERTS ist ein würdiges, dem Tage entsprechendes, und bringt Werke von Chopin, Mendelssohn, Haydn usw. Außerdem spielt Konzertmeister Göttler das Adagio aus dem Violinkonzert Nr.8 op.47 von Spohr.
Der Solotrompeter des Stadtorchesters, Herr Nonnewitz, bringt die Ballade >Das Heidegrab< von Haiser.
Ueber den GESANGVEREIN 1924 ein Wort zu schreiben erübrigt sich, denn er liegt ja allen noch von den jüngsten Darbietungen in bester Erinnerung. Er wird auch wieder sein Bestes geben.
Der Preis von 50 Pfg. ist deshalb so niedrig gesetzt, damit jeder in der Lage ist, sich einen Genuß zu verschaffen und zugleich sein Scherflein zur HELDENGEDÄCHTNISSTÄTTE beisteuert.
Die Dankespflicht unseren Helden gegenüber gebietet einen vollbesetzten Gesellschaftshaus-Saal.“

Am 2. März 1925 wurde die imposante FEIER AM KRIEGERDENKMAL mit folgendem Text gewürdigt:

„Am Sonntag waren zahlreiche Häuser mit TRAUERFAHNEN versehen. Bereits am frühen Morgen belebten die Straßen viele Vereinsmitglieder und andere Frauen sowie Männer in TRAUERKLEIDUNG. Ein erhebenes Bild gewährte der EINZUG der 19 Vereine mit umflorten FAHNEN in die altehrwürdige STADTKIRCHE, die bei weitem nicht alle Einlaß Begehrenden zu fassen vermochte. Fahnen und Kränze fanden am Altar Platz…Im Anschluß an den Gottesdienst marschierten Behörden und VEREINE mit den FAHNEN geschlossen nach dem KRIEGERDENKMAL, wo sich schon viele Leute eingefunden hatten. Die ganze Bahnhofstraße bildete einen riesigen Menschenknäuel.
Vor dem DENKMAL waren die 19 umflorten Fahnen aufgestellt.
KRÄNZE mit schwarz-weiß-roter Schleife mit Widmung wurden von Vertretern der Vereine niedergelegt.
Auch das REICHSBANNER >Schwarz-Rot-Gold< fehlte nicht mit einer Kranzspende mit schwarz-rot-goldener Schleife. Bezeichnend für die GESINNUNG des Reichsbanners war das allseitig mit Genugtuung vernommene GELÖBNIS durch den Vorsitzenden, daß man ‚in gleicher Weise das in Gefahr geratene Vaterland verteidigen werde wie die gefallenen Helden‘…
Die schlichte FEIER nahm einen harmonischen Verlauf und die VEREINE marschierten ebenso schneidig ab, wie sie gekommen waren.
Es herrschte überhaupt ein mustergültiger ORDNUNGSGEIST in dem etwa 400 Personen umfassenden Zuge,
sowohl beim MARSCH nach der KIRCHE wie auch nach dem KRIEGERDENKMAL.“

RB Nationaltrauertag.jpg

Bei der wenige Tage später, am 5. März 1925 stattfindenden TRAUERKUNDGEBUNG für den Reichspräsidenten war garantiert ein TROMMLERKORPS des REICHSBANNER vor Ort, wie man hier lesen kann:

„Zu Ehren und zum Gedächtnis des dahingeschiedenen Reichspräsidenten Friedrich Ebert veranstaltete gestern
das REICHSBANNER >Schwarz-Rot-Gold< in unserer Stadt eine TRAUERKUNDGEBUNG in Form eines FACKELZUGES.
Abends um 8 Uhr sammelten sich die hiesigen und auswärtigen Ortsgruppen in der Gartenstraße vor dem Gesellschaftshause zu dem UMZUGE. Eine traurige, ernste Stimmung machte sich überall bemerkbar und unter dem dumpfen Trauerwirbel des TROMMLERKORPS bewegte sich der Zug durch die Moritz~ und Bahnhofstraße dem MARKTPLATZE zu. Im langsamen Gleichschritt marschierten die REICHSBANNERLEUTE einher. Der magische Schein der vom Wind aufflackernden PECHFACKELN gab dem ganzen Zuge gleichzeitig ein dem Charakter der Veranstaltung entsprechendes Gepräge. Am MARKTE angekommen, nahm der aus ca. 600 Mann bestehende Zug Aufstellung in einem großen Rechteck, und nachdem die FAHNENTRÄGER mit den Fahnen am LICHTKANDELABER zusammengetreten waren, hielt der Führer der Senftenberger Gruppe die GEDÄCHTNISREDE
Mit dem gemeinsam gesungenen LIED: >Ich hatt‘ einen Kameraden< schloß die Feier auf dem Marktplatz.
Die FACKELN wurden zusammengetragen und inmitten des Marktplatzes verbrannt.
Darauf bewegte sich der Zug bei dem Gesange des REICHSBANNERLIEDES durch die Kreuzstraße zum ‚Damhirsch‘.“

Den SCHLUSSPUNKT unter die Festivitäten setzte am 13. März 1925 eine Ankündigung des >Senftenberger Anzeiger<:

„Nicht jedem ist es vergönnt gewesen, den FEIERLICHKEITEN bei dem BEGRÄBNIS des dahingeschiedenen Reichspräsidenten Ebert beizuwohnen.
Umso mehr ist es lobend anzuerkennen, daß der Inhaber des PASSAGE-KINO im Interesse der republikanischen Bevölkerung es möglich gemacht hat,
daß von heute bis Montag im FILM das Leichenbegräbnis Eberts vorgeführt wird…
Ganz besonders sei hervorgehoben, daß am Sonntag mittags 12 Uhr dieser FILM für die Mitglieder des REICHSBANNERS >Schwarz-Rot-Gold< und deren Angehörigen gegen ein Eintrittsgeld von 20 Pfg. gezeigt wird. REICHSBANNERLEUTE, nehmt diese Gelegenheit wahr und geht mit euren Frauen und Kindern am Sonntag zum Passage-Kino, zumal die VORFÜHRUNG nur eine halbe Stunde dauert, ihr also noch rechtzeitig zum Mittag zu Hause seid.“

NACHTRAG:

Mit dem VERBOT ÖFFENTLICHER LUSTBARKEITEN mahnte die damalige Regierung das deutsche Volk, der Schwelgerei und Üppigkeit zu entsagen – und weil man dem Erfolg der MAHNUNG misstraute, wurde verfügt, daß alle LOKALE um 10 Uhr abends zu schließen hätten. Vielerorts sollen sie jedoch überfüllt gewesen sein, weil in der Zeit der Weimarer Republik das Vertrauen zur Regierung und deren Anordnungen verloren gegangen war.
Gerade weil der Bevölkerung befohlen wurde, um 10 Uhr nach Hause zu gehen, wollten sie um 10 Uhr ausgehen.
An diesem „schlimmen Abend“ hatte die Polizei voll zu tun:
Sie jagte die Leute aus einem Lokal – und schon standen sie im nächsten. Sie leerte das nächste Lokal – unterdes hatte sich das erste wieder gefüllt.
Hinter herabgelassenen Rolljalousien und verschlossenen Türen saßen die Gäste und freuten sich,
Regierung und Polizei ein Schnippchen geschlagen zu haben…
:D


Zurück zu „Kommentare“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste

cron