Neues 448 - 2020-12-06

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Matthias
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Neues 448 - 2020-12-06

Beitragvon Matthias » Sa 5. Dez 2020, 09:16

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Harald
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Re: Neues 448 - 2020-12-06

Beitragvon Harald » Mo 7. Dez 2020, 14:30

Wandern 4x_resize.jpg


DIE KUNST DES REISENS

besteht darin, zu rechter Zeit zu wandern, zu rechter Zeit zu fahren, am rechten Orte auszusteigen. Um den PLAN zu einer REISE, sei dieselbe klein oder groß, fest zu legen, ist eine gute KARTE unentbehrlich, die seit jeher in diversen REISEHANDBÜCHERN zu finden ist.
Ich habe deshalb im Internet in 4 REISE~ & WANDERBÜCHERN geblättert, um herauszufinden, wie sich unsere Heimatstadt SENFTENBERG vor mehr als 100 Jahren für den sehnsüchtig erwarteten BESUCHERSTROM präsentierte. Interessanterweise gibt es hier sowohl Übereinstimmungen, als auch Unterschiede in der Herausstellung von lohnenden touristischen ZIELEN, vor allem aber der zu nutzenden VERKEHRSMITTEL.
Romantisch und beschaulich war die Reise in der POSTKUTSCHE in der „guten alten Zeit“ schon, allerdings konnte man in den fürchterlich schaukelnden Fahrzeugen auch seekrank oder bei einem Radbruch ernstlich verletzt werden. Man kam nicht sehr weit an einem Tag, und selbst „per Extrapost“ schaffte man nicht viel mehr als 100 km – bei gutem Wetter versteht sich. Man lernte allerdings sein Heimatland besser kennen, als auf einer nächtlichen Fahrt im Schlafwagen der EISENBAHN

Ein >ILLUSTRIRTES REISEBUCH< (1850) lieferte mir die per >Gelben Wagen< von Berlin nach Senftenberg zu bewältigende FAHRTROUTE mit lokalen Erläuterungen & einer VERKEHRSKARTE:

gelbe kutsche_resize.jpg


Die >KURSÄCHSISCHEN STREIFZÜGE< waren eigentlich ausgiebige WANDERUNGEN in der Ober~ & Niederlausitz, die der Autor Otto E. Schmidt ab 1898 unternahm. Im 1904 veröffentlichten 2. Band trugen ihn seine Wanderschuhe auch nach SENFTENBERG, das er seinen Lesern danach als durchaus lohnendes Reiseziel empfehlen wollte:

„Der bequemste Weg aus dem sächsischen Elbtale in die NIEDERLAUSITZ ist die von Großenhain nach Frankfurt a.O. führende BAHN. Wir benutzten selbige zunächst bis SENFTENBERG und wunderten uns, als wir vom BAHNHOF der STADT zuschritten, über die rege BAUTÄTIGKEIT, die hier in den letzten Jahren geherrscht haben mußte, und wie einige ansehnliche NEUBAUTEN AM MARKTE zeigten, noch herrschte. Das kommt von der immer fortschreitenden Erschließung der reichen BRAUNKOHLENLAGER in Senftenbergs Umgebung. SENFTENBERG ist jetzt Mittelpunkt einer bedeutenden Brikett~ & Glasfabrikation und infolgedessen auch der Sitz eines regen HANDELSVERKEHRS, für den es als Knotenpunkt mehrerer Bahnen sehr günstig liegt.
Aber auch als MARKT landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist SENFTENBERG von Wichtigkeit. Ich fand den ganzen MARKTPLATZ bedeckt mit großen SPANKÖRBEN, in denen sich Hunderte von allerliebsten Ferkeln mit Quieken und Grunzen bemerklich machten, namentlich wenn sie ein Käufer am Hinterbeine herauszog.
Hinter dem Markte liegt der stillere KIRCHPLATZ mit den geistlichen Häusern, der schönen gotischen DEUTSCHEN KIRCHE und der unbedeutenden WENDISCHEN KIRCHE. Es ist nämlich noch vor wenigen Jahren in SENFTENBERG auch wendisch gepredigt worden, und auf den DÖRFERN der Umgegend wird noch jetzt viel WENDISCH gesprochen, aber meist im Familienkreise, wenn kein Fremder dabei ist.
Noch im Jahre 1824 schrieb ein LEXIKON vom Amte Senftenberg:
„Die Amtsuntertanen sind meist WENDEN…man hat zwar DEUTSCHE Prediger und Schulen, aber der BAUER spricht lieber die Sprache seiner Väter, und vor Gericht muß er stets einen DOLMETSCHER haben. Der hiesige WENDISCHE DIALEKT ist verdorben und von dem in den beiden Lausitzen sehr verschieden.“
Der interessanteste Punkt des Städtchens ist das im Süden liegende ALTE SCHLOSS. Es ist mitten in die SÜMPFE der SCHWARZEN ELSTER hineingebaut und hat trotz seines unscheinbaren Äußern eine große Geschichte hinter sich…Das jetzige SCHLOSS ist unter dem Kurfürsten Moritz erbaut worden. Im 17. / 18. Jahrhundert galt es als LANDESFESTUNG und erhielt zu seinen Wassergräben und Zugbrücken auch noch feste Türme und Kasematten.
Nebenher diente es als STAATSGEFÄNGNIS. Seine düsteren KERKER haben manches entsetzliche Bild der alten peinlichen Gerichtsordnung gesehen…
Als wir SENFTENBERG auf der nordwärts nach KALAU führenden Straße verlassen hatten, überschritten wir in ziemlicher Steigung einen Höhenzug, die RAUNOER WEINBERGE, so genannt nach dem Arbeiterdorf RAUNO, und weil hier ehedem an der Südseite der Hügel ein schwunghafter WEINBAU betrieben wurde. Mit Schaudern lesen wir, daß noch im Jahre 1788 allein auf den kurfürstlichen Weinbergen 108 FASS >Senftenberger< gewachsen seien, und glauben gern dem Berichterstatter, der etwas resigniert hinzusetzt: „Er wird erst nach mehreren Jahren etwas schmackhaft.“ Jetzt ist der WEINBAU hier verschwunden, und alles hat dem BRAUNKOHLENBAU Platz gemacht.“

Die zahlreichen Bände von >KIESSLINGS REISEBÜCHERN< waren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts sehr populär,
darunter auch das >WANDERBUCH FÜR BRANDENBURG & ANGRENZENDE GEBIETE<, in dessen 1910 veröffentlichtem 3. Teil die „weitere Umgegend Berlins (Östliche Hälfte)“ vorgestellt und demzufolge SENFTENBERG einfach nach „RAND BERLIN“ verortet wurde. Das ist auch gar nicht so abwegig, denn Urlaubsbekanntschaften stecken uns Senftenberger auf Grund unseres Heimatdialekts häufig in die „Berliner Ecke“.
Der Verfasser hat „seit mehr als 20 Jahren die MARK und die angrenzenden Gebiete auf zahllosen, oft sehr mühevollen WANDERUNGEN immer von neuem durchstreift, dadurch allerdings auch viele früher wenig oder gar nicht bekannten GEGENDEN weiteren Kreisen erst erschlossen.“
Dabei blieb er allzeit seinen GRUNDSÄTZEN treu:
GENAUIGKEIT in der Beschreibung der Wege, wie VORSICHT in ihrer Auswahl, sowie eine knappe, von jeder Geschwätzigkeit freie DARSTELLUNG:

text 3.jpg

Bleibt zum Schluss noch die Broschüre >WANDERN & WOHNEN< von 1928 übrig, die mit der Losung „Wie FAHRE ich, wo WOHNE ich, wie WANDRE ich im Westen und Süden der Mark“ startet und anschließend mit der KOHLE – KEULE daherkommt, bevor sie zaghaft auch auf die SCHÖNEN SEITEN von SENFTENBERG, die interessanten RESTE der mittelalterlichen Feudalität und des wendischen Volkstums, eingeht:

Wer um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch unsere Gegend reiste, sah hier ein BILD, wie es in der MARK BRANDENBURG üblich war:
SAND, MOOR & HEIDE, versteckte, stille und armselige DÖRFER mit WENDISCHER BEVÖLKERUNG, die nur das Notwendigste zur Erhaltung des Lebens dem Boden abzuringen vermochte.“
Und heute gehört diese Gegend zu den bevölkertsten, tätigsten und reichsten GAUEN DER MARK
Wenn wir auf die Frage eines Wanderers:
>WAS BIETET MIR DAS SENFTENBERGER INDUSTRIEGEBIET?<
antworten sollten, so müßten wir ihm sagen:
An NATURSCHÖNHEITEN nichts, rein gar nichts. Du siehst infolge des KOHLENBERGBAUES nur große EINÖDEN, ausgedehnte SANDWÜSTEN, schwarze, riesenhafte LÖCHER im Leib der Erde, atmest meist tark verstaubte LUFT, daß du manchmal zu ersticken vermeinst, hörst Tag und Nacht schrilles PFEIFEN, KETTENRASSELN, dumpfes STAMPFEN und in der Nähe der Fabriken ohrenbetäubenden LÄRM. Dafür siehst du aber aus allernächster Nähe werteschaffende ARBEIT, hörst den PULSSCHLAG des werktätigen Lebens.
Und das ist es wohl, was jährlich immer mehr FREMDE anzieht; immer größer wird die Zahl derjenigen, die auf staubiger LANDSTRASSE entlang wandern, um dieses wunderbare Schauspiel anzustaunen…


text 4_resize.jpg

Die LETZTEN ZEILEN des o.a. WANDERBUCHES lasse ich aus NOSTALGIEGRÜNDEN mal so stehen, wenn auch der BERGMANNSGRUSS inzwischen kaum noch zu hören und das einstige INDUSTRIEGEBIET dem alles verklärenden ERHOLUNGSGEBIET gewichen ist...

Auch dir, lieber Wanderer, ein frohes >GLÜCK AUF< zur Fahrt in das Senftenberger Industriegebiet, auch du wirst ungeahnte SCHÖNHEITEN entdecken, nur mußt du dein Herz öffnen und deine Seele reden lassen… :)


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