PROSIT NEUJAHR den Meinen, den Großen & Kleinen,
die im Frieden & Streite mir stehen zur Seite. Das ALTE JAHR liegt hinter uns, ein NEUES hat begonnen mit neuen HERAUSFORDERUNGEN, persönlichen und vor allem gesellschaftlichen. Wie man sie angehen kann, wurde in dem 1863 erschienenen Handbuch >DAS FESTLICHE JAHR – Sitten, Gebräuche & Feste< humorvoll formuliert:"Obwohl ernste Betrachtungen über
VERGANGENHEIT & ZUKUNFT in keiner Stunde des Jahres mehr am Platze wären, als in der letzten, wo wiederum ein Jahr hinter uns liegt und ein neues beginnen soll, so wird doch keine Nacht so allgemein verjubelt, als die
NEUJAHRSNACHT, und fast überall ist es Sitte, die
MITTERNACHTSSTUNDE, sei es im Kreise der Familie mit einigen näheren Freunden & Bekannten abzuwarten, um das
NEUE JAHR möglichst heiter anzutreten. Man tanzt, man singt, man spielt und an keinem Abend ist der
BECHER ein so unentbehrlicher Gefährte, wie am
SYLVESTERABEND. Denn selbst wer für gewöhnlich jedes geistige Getränk verschmäht, trinkt an diesem Abend sein Glas
PUNSCH, vielleicht um besser die
TRÜBEN GEDANKEN zu verscheuchen, welche der
WECHSEL DES JAHRES anregt.
Ein Spaßvogel meint auch wohl, es geschähe des guten Omens wegen, denn wie Jemand die
NEUJAHRSNACHT verlebe, ergehe es ihm
DAS GANZE JAHR hindurch.“
Als ich nach 77 Jahren eine aus dem >Senftenberger Anzeiger< stammende „ZUSTANDSBESCHREIBUNG“ vom Tag meiner Geburt am 2.01.1944 las, stellte ich fest, dass man sie eigentlich fast wortgetreu auf das hinter uns liegende Jahr 2020 beziehen kann:„Nur kalendermäßig oder, ganz richtig betrachtet, rechnerisch bedeutet die
JAHRESWENDE einen Abschluß, ein Ende und einen neuen Anfang. Ein
SCHICKSAL aber ist nicht vollendet, es geht weiter und bleibt uns in diesem Jahresbeginn genauso treu, wie es uns in den Dezembertagen nicht verließ. Aber auch
IM NEUEN JAHRE treten wir ihm nicht weniger mutvoll, nicht etwa mutlos, gegenüber. Nun, wenn man die
SILVESTERNACHT als Maßstab für die Lebenskraft unseres Volkes einmal nehmen will, so ergibt sich ganz klar, daß diese heute unzerstörbar ist.
Ganz allgemein bringen es die Verhältnisse natürlich mit sich, daß unsere
FEIERN ZUR JAHRESWENDE schlichter und einfacher sind, daß die überschäumende Freude überall wie ein ‚gedämpftes Saitenspiel‘ nur aufklingt…
So wurde die
JAHRESWENDE vielfach auch nur im eigenen Heim begangen, und dennoch ist es ein Zeichen einer ungebrochenen Lebenskraft, wenn in der
SILVESTERNACHT hier und da ein jauchzender Jubelakkord das gedämpfte Saitenspiel unterbrach…“
…nur, dass damals der KRIEG viel Leid über die Menschheit brachte, während uns gegenwärtig eine lebensgefährliche PANDEMIE heimsucht. Diesbezüglich sollten wir uns in puncto LEBENSMUT an unseren Altvorderen ein Beispiel nehmen, die sogar im letzten Kriegsjahr noch „BUNTE ABENDE“ besuchten:
„Wieder ein
WELTPROGRAMM der NS-Gemeinschaft >Kraft durch Freude< war für den 2. Januar im Gesellschaftshaus angekündigt. 30 Künstler gestalteten die große
REVUE >Parade der Kleinkunst<. Es war ein turbulenter Reigen durch alle Gebiete der Varieté~ & Kabarett-Kunst.
Tanz, Gesang, Komik, Humor, Exzentrik, sowie Zauber und viel verlockende Musik erfreuten und erheiterten,
darunter z.B. ein
ANSAGER, dessen politische Satire, heiter und ernst, sehr gefiel, eine
TÄNZERIN mit reizvollen Tänzen und ‚Hoher Schule‘ auf Spitze, ein großer Könner und
VIRTUOSE auf dem
BANDONEON, mit einer Polka auf einer streichholzschachtelgroßen
HANDHARMONIKA, eine
ZAUBERSCHAU mit Geschick, aber doch ein wenig zu offensichtlich, und letztendlich ein lustiges
KASPERLESPIEL, an dem die Kinder herzliche Freude hatten.“
Einen HEIMATFORSCHER interessiert nun natürlich auch, was der JAHRESWECHSEL bzw. die darauffolgenden Tage den Senftenbergern einstmals an „Überraschungen“ bescherte. Machen Sie sich also selbst ein anschauliches BILD und wandern mit mir
IN JAHRZEHNT-SCHRITTEN IN DIE VERGANGENHEIT ZURÜCK, um danach entgeistert festzustellen:
NA, DAS NEUE JAHR FING JA GUT AN…
2.01.1930„
SILVESTER & NEUJAHR sind nun vorüber. Das Straßenbild nimmt wieder sein gewohntes Aussehen an. Das Leben kehrt in den Alltag zurück.
Graue Regenwolken hängen am Himmel, gleichsam als Symbol der ernsten Zeit, vor der wir stehen.
Auch der
SILVESTER-TRUBEL hat keine wesentlichen Spuren zurückgelassen. Die
GASTSTÄTTEN waren gut besucht in der Silvesternacht und, wie das immer in dieser Nacht zu geschehen pflegt, hatten Verschiedene des guten zuviel getan und arteten aus. Dabei kam es verschiedentlich zu
SCHLÄGEREIEN, in deren Verlaufe die
POLIZEI rund zehnmal einschreiten mußte.“
1.01.1920:„Am 31. Dezember wurde der Frau Witwe J. hierselbst im Vorraum des Postamts 1 ein
PORTEMONNAIE mit 30 Mark Inhalt entwendet. Dem
LANGFINGER gelang es, dasselbe im Gedränge sich unbemerkt anzueignen. Das Portemonnaie war aus schwarzem Leder und bestand aus 3 Fächern mit Druckknopf. Trotz der sofort aufgenommenen Ermittlungen konnte dasselbe nicht wieder zum Vorschein gebracht werden.“
Die nachfolgende MELDUNG beweist uns selbstredend, dass die SENFTENBERGER KARNEVALISTEN es nicht abwarten konnten, in die >GOLDENEN ZWANZIGER JAHRE< einzutauchen, denn FASCHING kurz nach Neujahr ist ja wohl ziemlich ÜBERPÜNKTLICH.5.01.1920:„
FASCHING – auch in Senftenberg hat sich die Geliebte des Prinzen Karneval, die
FASCHINGSFEE, zu kurzem Besuche angemeldet, um hier mit ihrem Gefolge das ganze
GESELLSCHAFTSHAUS für kurze Stunden in eine Stätte toller
LEBENSLUST & ~FREUDE umzuwandeln. Unaufhörlich werden am kommenden Sonnabend die zarten und pikante Weisen der Streich~ & Schrammel-Orchester in beiden Sälen erklingen. Kuchen~ und Naschbuden sind schon aufgebaut, auch ein photographisches Atelier, das die übermütigen Geister auf die Platte bannen soll, hat sich bereits einen Platz gesichert. Im Großen Gastzimmer wird ein heiterer
KABARETT-ABEND veranstaltet, nur erstklassige Kräfte sind dazu verpflichtet worden. Kurzum, es wird die
FRÖHLICHKEIT herrschen in all‘ dem Gewühle lustiger Menschenkinder, selbst inmitten der älteren Herrschaften, die hoch oben auf dem Balkone mit behäbigem Schmunzeln dem Treiben des jungen Volkes zuschauen.
FROHSINN wird die Herrschaft führen, bis endlich die Polizeistunde daherschreitet und die alltäglich Ruhe sich wiederum hervortut, gleichsam wie der Sieger aus all‘ den bevorstehenden
KONFETTISCHLACHTEN.“
2.01.1910„Nachdem im Städtchen die
SYLVESTERFEIER in althergebrachter Weise friedlich, wenn auch unter ganz bedeutendem nächtlichen Spektakel verlaufen ist, der sich im Uebertreffenwollen beim
>PROSIT NEUJAHR< Schreien steigerte, was wohl auch nicht zum mindesten auf die diversen
SYLVESTERPUNSCHBOWLEN zurückzuführen sein mag, hat sich auf der Flur in der Viktoriastraße doch ein recht ernster roher
ZWISCHENFALL abgespielt, bei welchem für die Beteiligten die Staatsanwaltschaft mit gehörigen Strafen zu Neujahr gratulieren wird.
Von drei mit Spaten und Messer ausgerüsteten Leuten wurde ein vierter so bearbeitet, daß er ins Krankenhaus geschafft werden mußte. Als zwei Urlauber helfend dazusprangen, wurden sie von den
MESSERHELDEN ebenfalls verletzt, das Koppel heruntergerissen und Seitengewehr weggenommen, obwohl nur ein allerdings sehr schwach geführter Stich damit am Vorhemde des
WÜTERICHS abprallte und daher diesen noch mehr reizte, aber nur hautabschürfend verletzte.
Herrn Polizeisergeant H. gelang es, die Täter auf Grund gegebener Personalbeschreibung ausfindig zu machen und festzunehmen, nachdem der
MESSERHELD dem Verletzten im Krankenhause gegenübergestellt und erkannt worden war. Die
SPATENSCHLÄGER wurden ebenfalls ermittelt und nach Nr. Sicher gebracht.
Alle werden an diese
SYLVESTERFEIER zu denken Gelegenheit bekommen.“
20.01.1900„Ein ganz erbärmlicher Wicht hat es über’s Herz gebracht, mehrere
ZIERBÄUMCHEN an der
WENDISCHEN KIRCHE abzuschneiden bzw. solche durch Abschneiden der Spitzen zu verstümmeln. Man sollte es nicht für möglich halten, wie weit die
RUCHLOSIGKEIT solcher für Schonung und Schönheitssinn absolut abgestumpfter Menschen geht. Der
VERSCHÖNERUNGS-VEREIN hat es sich angelegen sein lassen, öde und kahle Plätze durch Umarbeitung des Bodens, durch Ansäen und Pflanzen in lebendige, für das Auge gefällige Promenadenanlagen umzuwandeln, es ist weder Mühe noch Kostenpunkt gescheut worden, das Gedeihen des einmal Geschaffenen möglich zu machen, und nun findet sich ein feiger
VERBRECHER, der sein
ZERSTÖRUNGSWERK an diesen
ANLAGEN ausübt. Wenn ein solcher gemeiner
PATRON an irgend Jemand seine Rache ausüben will, so mag er es in ehrlichem Kampfe,
AUGE UM AUGE thun, aber nicht, einer schleichenden
HYÄNE gleich, Anlagen zerstören, die seinen schwarzen
RACHEPLÄNEN doch nichts angehen. Sollte die
ERMITTLUNG des
THÄTERS gelingen, so wird ihm der Dank in gehörigem Maße gewiß zu Theil werden. Jeden rechtdenkenden Einwohner aber ersuchen wird hiermit öffentlich, den Behörden alle, selbst die geringsten Fingerzeige, welche zur Ermittlung des Thäters führen könnten, geben zu wollen.“
2.01.1890„In recht gemüthlicher Stimmung wurde hier
SYLVESTER gefeiert, da ein Mitglied des
RAUNOER MGV seinen Geburtstag hatte und es an dem nöthigen Geburtstagsfäßchen, welches der Feier des Tages angemessen einen recht hübschen Umfang hatte, nicht fehlen ließ. Den Schluß bildete
die übliche
SYLVESTER-BOWLE und mit einem fröhlichen ‚Prosit Neujahr‘ wurde das neue Jahr begrüßt. Möge es im Laufe des neuen Jahres in
RAUNO immer so gemüthlich sein:“
„Die
INFLUENZA ist in Senftenberg förmlich zur
EPIDEMIE geworden. Ueber 200 Personen sind erkrankt und stehen unter ärztlicher Behandlung. In dem Dorfe Hosena liegen mehr denn 50 Personen an der
DIPHTERITIS schwer darnieder und sind bereits 25 Todesfälle zu verzeichnen.“
6.01.1890„Die
INFLUENZA tritt in hiesiger Gegend immer heftiger auf. In der Stadt, in den umliegenden Dörfern und in den Werken liegen zusammen gegen 500 Kranke, Erwachsene und Kinder. Sonnabend Nachmittag erkrankte an dieser tückischen Krankheit ein Arbeiter und verstarb schon in der darauf folgenden Nacht.“
„Na, bitte...“ – werden alle selbsternannten Sterndeuter, Wahrsager, Kreuz~ & Querdenker & Verschwörungstheoretiker ausrufen
–
"...völlig harmlose PANDEMIEN wiederholen sich ALLE 130 JAHRE…"
Oh, lieber Gott, lass HIRN VOM HIMMEL fallen…!