>FELLOPLASTIK – oder die KUNST, MODELLE von antiken Gebäuden in KORK darzustellen<
von Ignaz Ferdinand Arnold (1804) Dieses durchaus interessante
>BÜCHELCHEN< (232 Seiten / 3 Bildtafeln) überreichte der o.a. Autor
„den bildenden Künstlern, Kunstliebhabern und Theilnehmern des Fortschreitens der schönen Künste“, um sie für
>MODELLE IN KORK GESCHNITTEN< zu begeistern, wobei er speziell auf die Vorzüge einer
„täuschenden Nachahmung des Originals und der Leichtigkeit des Transportes“ hinwies und nachfolgend das benötigte
MATERIAL & WERKZEUG
auflistete:
„Beim EINKAUF DES KORK sehe man darauf / daß er nicht zu tief gebrannt sei / die TAFELN keine Risse haben, die man durch die Rinde bemerkt / und nicht zu sehr gekrümmt sind, damit, weil sie trocken gepreßt werden müssen, nicht zu viele verunglücken / und sie so viel als möglich gleichseitig geschnitten sind / und nicht zu bruchartig ausfallen.“
Erforderliche
INSTRUMENTE sind:
(1) mehrere sehr scharfe englische MESSER vom besten Stahl;
(2) kleine dünne SÄGEN oder UHRFEDERN, mit scharfen, eng aneinander stehenden Zähnen, damit man ganz Tafeln horizontal sägen, und aus ihnen 2, 3 und mehrere Platten machen kann (die Zähne müssen deshalb so gedrängt aneinander stehen, daß sie mehr als FEILE arbeite, wenig Späne mache und keine Löcher reißen)
(3) kleine sogenannte LOCHSÄGEN, um Fenster, Türöffnungen & allerlei Löcher von verschiedener Größe in den Mauern anzubringen;
(4) SÄGEN ohne Zähne, um glatte vertikale Einschnitte zu machen;
verschiedene RASPELN, um den Sägeschnitten nachzuhelfen;
(5) eine STAHLPRESSE, mittels welcher man Verzierungen, Inschriften und dgl. einpreßt;
(6) eine PRESSE, um Korktafeln zu runden Mauern, Türmen, Toren, Gewölben und Triumphbögen zu verformen, eine andere PRESSE zum Formen von Halbkugeln, Kuppeln & Tempelgewölben;
(7) des weiteren Grabstichel, alle Sorten von Holzkeilchen & Leisten, wie sie der Tischler gebraucht, kleine Hobelpressen, verschiedene Bohrer, Meissel, Drahtzangen, Hämmerchen u.ä. Instrumente;“Daran anschließend erklärte der Autor - unter Einbeziehung der
3 BILDTAFELN sehr detailreich, wie die Originale zu den Modellen aufgenommen werden, z.B. Mauern, Gewölbe, Türen, Fenster, Pfosten, Säulen, Bögen, Figuren, Inschriften, Simswerk, Verzierungen, verfallene Stellen, verwitterte Steine, Risse im Gemäuer u.v.a.m. gestaltet werden, woraus man ersehen kann, daß die
FELLOPLASTIK eine mühsame Arbeit ist, die mechanische Geschicklichkeit, Geduld, Fleiß, gute Augen und architektonische & plastische Kenntnisse erfordert. Für den „Korkschnitzer“ sind die folgenden Hilfswissenschaften von enormer Bedeutung:
Archäologie der Kunst, Architektur, Skulptur, Mechanik, Bildner~, Meß~ & Zeichenkunst.
Ein
HISTORIKER wendet sich selbstredend immer auch der
HISTORIE zu, heute also dem
URSPRUNG DER KORKSCHNITZEREI
FELLOPLASTIK / PHELLOPLASTIK [griech: φελλός phellos = Kork] ist in der italienischen
WEIHNACHTSKRIPPEN-PLASTIK des 16. Jahrhunderts zu verorten, aus der sich 200 Jahre später ein eigenständiges
KUNSTHANDWERK entwickelte, weil immer mehr wohlhabende und gebildete europäische Reisende, die sich für das
KLASSISCHE ALTERTUM begeisterten, Italien und insbesondere Rom besuchten und somit selbstredend auch die Nachfrage nach „antiken Souvenirs“ stieg.
Das
ANGEBOT DER MODELLE entsprach daher ganz dem
GESCHMACK jenes Publikums und umfasste überwiegend
ANTIKE GEBÄUDE (verschiedene Tempel, Theater, Triumphbögen, Grabarchitektur, Aquädukte) da
KORK sich besonders gut dafür eignet, die alten charakteristischen verwitterten Trümmer & Maueroberflächen wiederzugeben, besonders wenn solche Ruinen im Original aus
TUFFSTEIN bestehen. Speziell wegen seiner porösen Erscheinung, der Farbe und leichten Verarbeitung war
KORK ein beliebtes Material, um den prachtvollen, aber auch vergänglichen Charakter antiker Bauwerke einzufangen.
In der Regel wurden die
MODELLE mit großer Präzision und archäologischem Anspruch gefertigt und da wegen des hohen Aufwandes nur einige hundert Stück hergestellt wurden, waren sie an den Fürstenhöfen des 18. Jahrhunderts hochgeschätzt. Trotz ihrer
FRAGILITÄT haben sie sich häufig besser erhalten als hölzerne Modelle, die von holzzerstörenden Insekten bedroht sind.
Der
HOHE PREIS dieser Modelle rührt(e) größtenteils von ihrer Neuheit & Seltenheit her, obwohl auch nicht geleugnet werden kann, dass
MÜHE, GEDULD & ZEITAUFWAND zu berücksichtigen sind, den diese Arbeit erfordert. Im Durchschnitt aber waren & sind die
PREISE (einst 20 – 80 Dukaten / heute 500 – bis mehrere 1000 Euro) doch etwas übertrieben, wenn man die Handgriffe kennt, womit man auch die größten Schwierigkeiten beim Bau eines Modelles sehr leicht meistern kann...
„Der eigentliche ERFINDER ist unbekannt, denn die Wissenschaft war immer in den Händen weniger, und die italienischen Künstler hielten sie, wie alle ihre KÜNSTE, außerordentlich geheim.“ – meint der Autor des Büchleins.
Andere Quellen schreiben allerdings die
ERFINDUNG DER NACHBILDUNG von griechisch – römischen Architekturmodellen aus
KORK, welche den Freunden antiker Baukunst willkommen waren, weil sie die teure Darstellung merkwürdiger
RUINEN in leichterer und wohlfeilerer Art ermöglichte, als es durch die früher für jenen Zweck angewandte
HOLZSCHNITZEREI geschehen konnte, einem gewissen
Augusto ROSA in Rom zu.
Jedoch war bereits zuvor angeblich der ebenfalls in Rom tätige
Antonio CHICHI (1743–1816) als Hersteller derartiger
MODELLE bekannt geworden, welche wiederum mit großem Erfolg von
Carl MAY (1747–1822) in Erfurt und Aschaffenburg kopiert wurden. Weitere
KORKMODELLE des 19. Jahrhunderts schuf der dritte Römer, ein gewisser
Luigi CAROTTI. Unbedingt erwähnenswert ist der aktuell in Deutschland tätige Phelloplastiker
Dieter CÖLLEN.
Ein
KRITIKER wandte sich vehement gegen die
„KORKSCHNITZER“,
die in Arnold‘s Büchlein mit schwülstigen Worten
„als große, verehrungswürdige Künstler“, deren Modelle
„von Roms erhabenen Trümmern“ als
„zwar der Natur gestohlene Kopien, aber dennoch als herrliche Früchte der Kunst von hoher Wirksamkeit & himmlischer Magie in höchster Vollkommenheit“ angesehen werden, und resümierte abschließend:
„Was die Wirkung großer und vorzüglicher GEBÄUDE betrifft, davon können MODELE im Kleinen durchaus keinen deutlichen Begriff geben.
Die Erhabenheit des PANTHEONS, sowie die Pracht und heitere Freundlichkeit der PETERSKIRCHE, kann man nicht anders, als nur an Ort und Stelle kennen lernen.“
Etwas ganz Ähnliches war die
LANDSCHAFTSSCHNITZEREI, deren
HOLZ~, aber auch
KORK – Produkte man einstmals häufig auf den Stationen Thüringischer Eisenbahnen zum Verkaufe aufgestellt sehen konnte.
Ende des 19. Jahrhunderts eroberten sich dann zunehmend
FLACHE, und somit platzsparende
KORKDIORAMEN (in
KORK geschnittene
LANDSCHAFTEN & GEBÄUDE, oft mit
PAPIER collagiert und in
AQUARELL-TECHNIK gemaltem Hintergrund) den Kunstmarkt.
Abschließend ein kleiner
QUERSCHNITT durch die (eingedeutschte)
FELLOPLASTIK:
(1) Antonio Chichi: Korkmodell des römischen Tempels der Sybille in Tivoli / um 1790;
(2) Luigi Carotti: Korkmodell des Kollosseums in Rom / um 1850;
(3) Darstellung eines Schützenhauses mit Garten &
(4) Korkdiorama Schloss Babelsberg/Potsdam / beide 2. Hälfte 19. Jh.;
(5) sehr feines Korkdiorama Schloss Schwerin / 1860;
(6) Kork-Felsen für Modelleisenbahn-Anlage;
(7) Kork-Pinnwand mit Werbung für Styrodur (sozusagen
KORK-ERSATZSTOFF);