Neues 519 - 2022-06-12

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Matthias
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Neues 519 - 2022-06-12

Beitragvon Matthias » Sa 11. Jun 2022, 08:48

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Harald
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Re: Neues 519 - 2022-06-12

Beitragvon Harald » Di 14. Jun 2022, 16:38

Barbara_resize.jpg

Die Verbindung von BERGBAU & FRAUEN erscheint auf den ersten Blick befremdend, gibt es doch den überlieferten ABERGLAUBEN, dass Frauen im Bergbau UNGLÜCK bringen, obwohl ja die SCHUTZPATRONE meist weiblich waren – allen voran die heilige BARBARA. Der BERGBAU stellte sich dessen ungeachtet stets als reine MÄNNERSACHE dar. In Kultur und Brauchtum der Bergleute gab es für Frauen keinen Platz. Erst mit dem Tragen des BERGKITTELS sollten FRAUEN „würdig“ werden, in ein BERGWERK einzufahren.
Doch wie die HISTORIE beweist, war der BERGBAU keineswegs nur eine MÄNNERDOMÄNE, denn im 19. Jahrhundert war es die Regel,
dass auch FRAUEN IN BERGWERKEN, in Oberschlesien sogar unter Tage, arbeiteten – bis es ihnen durch das >Allgemeine Berggesetz für die preußischen Staaten< im Jahre 1865 verboten wurde. Dennoch blieben sie als HILFSARBEITERINNEN ÜBER TAGE, und als ERSATZ für männliche Arbeitskraft in KRIEGSZEITEN präsent. Erst seit 2009 ist es FRAUEN in Deutschland gesetzlich erlaubt, UNTER TAGE zu arbeiten, was allerdings durch die SCHLIESSUNG der letzten Steinkohlebergwerke in Deutschland hinfällig wurde.

Was aber bewog nun die FRAUEN überhaupt, in gefährliche GRUBEN einzufahren, wo überaus schlechte Arbeitsbedingungen herrschten,
die STRECKEN & STOLLEN relativ schlecht ausgebaut waren und sie oftmals bis zu den Hüften im WASSER standen ?

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Das LEBEN DES BERGARBEITERS wurde einstmals gern festgemacht an dessen Trunksucht und Liebe zu Müßiggang & Zerstreuung, dem Leichtsinn & der Verschwendung seines Lohnes, an seinem Umgang mit Mädchen & Frauen, sowie seiner schlechten Ernährung, Wohnung & Kleidung.
FRAUEN wählten einen so wenig für sie geeigneten BERUF nicht nur aus NOT – entscheidend war auch der hohe LOHN und die EITELKEIT.
Sie zeigten wenig ABNEIGUNG gegen diesen schweren Beruf, weil sie schon als KINDER ihre MÜTTER & BRÜDER in die GRUBEN hatten einfahren sehen.
Es gab kein GEWERBE, welches mehr FREIHEIT neben höherem LOHN gewährte, als das des BERGARBEITERS. Was die GRUBENARBEITERINNEN erarbeiteten, reichte zum WOCHEN-UNTERHALT und verschaffte ihnen darüber hinaus das nötige „KLEINGELD“, um auch ihrer angeborenen EITELKEIT und der damit einhergehenden LIEBE ZU PUTZ & SCHMUCK zu frönen, weshalb einige angeblich sogar das DOPPELTE TAGWERK eines Mannes schafften, d.h. 24 Stunden in den GRUBEN schufteten.

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Die MÄDCHEN IN DER KOHLENGRUBE trugen eine HOSE, die von einem ROCK bedeckt wurde, der bis knapp unter die KNIE reichte.
Ihr KOPF war mit einem TUCH verbunden, welches das HAAR vor KOHLENSTAUB schützte. Eine FLANELLJACKE vervollständigte schließlich das Kostüm. Sie mussten, sowohl am Tag, als auch in der Nacht, oftmals lange WEGE gehen, um zur Arbeit bzw. nach Hause zu gelangen. Diese legten sie gemeinschaftlich mit männlichen BERGARBEITERN zurück, mit denen sie häufig nach der Schicht auch die SCHÄNKEN besuchten, wodurch eine alltägliche VERTRAULICHKEIT entstand, bei der nicht immer alles nach den GEBOTEN von ANSTAND & SITTLICHKEIT ablief.
Die JUNGFRAU ging ohne Aufsicht allein zur & kehrte ebenso heim von der GRUBE. Sie wußte nichts von den 1000 Dingen der HAUSARBEIT, der Ordnung, Reinlichkeit, Behaglichkeit. Für sie war es angenehmer, die Arme zu kreuzen, wie es die ELTERN machten und es einst ihre KINDER machen würden.
Der GATTE, der schon vorher die KNEIPE liebte, fühlte sich immer weniger zur HEIMKEHR geneigt, ein Teil seines Lohnes spülte er runter, die FRAU musste SCHULDEN machen, es gab ZANK & STREIT, fast täglich PRÜGEL, sehr oft TRENNUNG, gefolgt von NOT & ELEND.
Eindrucksvoll beschrieben wird das trostlose FAMILIENLEBEN EINER GRUBENARBEITERIN in einem traurigen >SITTENGEMÄLDE<, das ich in der Broschüre
>Die Beschäftigung der Frauen und Mädchen beim Bergbau unter Tage< aus dem Jahre 1869 fand:

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„Die GLOCKE hat das Zeichen gegeben; die FAHRT hält an im Aufsteigen; sie entleert sich einer Gruppe von ARBEITERN, deren SCHICHT zu Ende. Andere ersetzen sie. Einige begeben sich zu ihrer WOHNUNG. Treten wir mit ihnen ein in den Teil der KOHLENGRUBE, den man >SCHLAFZIMMER< nennt, wo ein KOHLENFEUER glüht, denn es ist frisch draußen.
Da lagern gemischt MÄNNER, FRAUEN, BURSCHEN, MÄDCHEN, KINDER, die zu Hause weder heißes Wasser, noch Feuer, noch Kaffee finden würden; sie warten auf die Stunde,
wo man ZU HAUSE sich betten wird. Sie erheben sich endlich und entfernen sich gruppenweise, wandern lustig dahin, ihren MARSCH mit Liedern & Späßen belebend.
Alle FREIHEITEN & VERTRAULICHKEITEN sind erlaubt. Während dieser HEIMKEHR im Dämmerlicht geht das GRUBENMÄDCHEN oft ein wenig seitab, um sich ohne Scheu und Scham, fast unter den Augen seiner Arbeitsgenossen, einem Manne hinzugeben.
Endlich betritt sie ihre SCHLAFSTELLE, steigt auf in ihre enge KAMMER. Sie sucht hier eine MATRATZE, wo sich ein LEERER PLATZ findet. Da ist eine, die eben ein ARBEITER verlassen hat, um zur Schicht zu gehen. Wer liegt auf der anderen – ihr Bruder, Vater, Vetter oder auch ein FREMDER ? Sie hat keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ist ermüdet und nimmt den ersten besten PLATZ, ohne daß ihre MUTTER sich darüber beunruhigt, welche FOLGEN daraus entstehen können. –
Aufgestanden macht sie TOILETTE und tut, als wäre sie allein; dicht bei ihr waschen sich MÄNNER halb entblößt gleich ihr. Warum sollte sie erröten ?
Ihre SCHWESTERN sind bei ihr, die es ebenso machen; die HANDLUNG verschwindet in den GEWOHNHEITEN !
Ihre MUTTER, die die PFANNE hält, in der ein Stück SPECK bratet, ist auch da, einfach bekleidet mit einem HEMDE und einem UNTERROCK, den BUSEN entblößt !
Die MAHLZEIT ist beendet, es ist 1 Uhr. Die MUTTER hat keine Strümpfe an den Füßen, die der KINDER sind zerrissen, des VATERS JACKE wäre zu flicken, aber dazu muß man stricken, stopfen, nähen gelernt haben. Die FRAU versteht das nicht, weil sie es als MÄDCHEN nicht gelernt hat. Ihre TOCHTER, ebenso unwissend wie sie, wartet müßig mit Ungeduld auf die Stunde, wo es zur ARBEIT geht – sie würde früher gehen, wenn sie könnte, denn Sonntag ist KIRMES und eine doppelte Schicht würde ihr gestatten, eine MÜTZE mit Band & Schleifen, einen ROCK, weiße STRÜMPFE zu kaufen und zum BALL zu gehen.
Doch da gibt’s SCHREIEN & FLUCHEN, SCHLÄGE rechts & links, der MANN kommt von der Arbeit und findet den TOPF nicht am FEUER. Die KINDER weinen, flüchten, die MUTTER macht es ebenso, läuft auf die STRASSE, wo sie kaum einige NACHBARN versammelt findet, die dergleichen SZENEN schon gewohnt sind.
Ist dann der VATER müde, Stühle, Töpfe, Schüsseln zu zerschlagen, nimmt er einige PFENNIGE aus dem Kasten und läuft in die SCHÄNKE,
um seinen ÄRGER zu ersäufen…“


Wesentliche VERÄNDERUNGEN gab es dann erst 1894 mit der Verabschiedung eines >ARBEITERSCHUTZGESETZES FÜR BERGLEUTE<, aus dem ich die ersten 3 Paragraphen zitiere:

ASO 1894_resize.jpg

Ich möchte meine HISTORISCHE BETRACHTUNG mit einem optimistischen >GLÜCK AUF< und einem kleinen LIEBESLIED aus jener Zeit ausklingen lassen:

„Ich habe einen SCHATZ gefunden !
Ach, könntest du nur meine LIEBSTE
zwischen den KOHLENKÜBELN sehen.
In hochgekrempeltem ROCK & HOSEN
sieht sie überaus drollig aus.
Ihr GESICHT ist mit KOHLENSTAUB beschmiert,
so schwarz wie schwarz nur sein kann.
Sie ist zwar ein GRUBENBRAUTMÄDCHEN,
aber sie ist die ganze Welt für mich.“

Liebe_resize.jpg


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