Neues 524 - 2022-07-17

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Matthias
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Neues 524 - 2022-07-17

Beitragvon Matthias » Sa 16. Jul 2022, 09:37

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Harald
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Re: Neues 524 - 2022-07-17

Beitragvon Harald » Mi 20. Jul 2022, 14:32

Linde_resize.jpg

Früher hießen sie meist einfach nur DORFSCHULE / KLOSTERSCHULE / BÜRGERSCHULE / VOLKSSCHULE. Sie waren die einzigen Schulen in ihrem Ort und jeder wusste, welche SCHULE gemeint ist. Doch je mehr Kinder eine Schule besuchten, desto mehr Schulen kamen hinzu. Diese brauchten fortan eigene Namen, damit es nicht zu Verwechslungen kam.
SCHULNAMEN bezogen sich häufig auf ein VORBILD, das entweder in einer Beziehung zu der einzelnen SCHULE stand oder dessen IDEEN, SCHICKSAL bzw. LEISTUNGEN eine Übernahme des Namens rechtfertigten. Der SCHULNAME, bei dem man sich oft an berühmten Menschen orientiert, die etwas Besonderes geleistet haben, sollte allerdings nicht nur Schullogo & Briefkopf bestimmen, sondern auch ein LEITBILD formulieren.
Der Vorteil eines SCHULNAMENS liegt nämlich darin, dass sich SCHÜLER & LEHRER stärker mit ihrer SCHULE identifizieren.
Damit sich aber die ehemaligen SCHÜLER ein Leben lang an diesen NAMEN erinnern, sollte er auch gut gewählt sein.
Dabei ist ausschlaggebend, dass ein NAMENSGEBER gefunden wird, an dem auch engstirnige Kritiker nur wenig Kritikwürdiges finden können.
Allerdings gibt es beim Thema >SCHULNAMEN< viele Beispiele von BENENNUNGEN, die sich im Nachhinein als unglücklich erwiesen, weil sie – völlig zurecht durch historische Fakten belegt oder nur als Ausdruck gewandelten Zeitgeistes – ins Gerede kamen. Keine auch noch so integre Person ist sicher davor, dass irgendwann auch negative Eigenschaften ins Licht rücken.

Tod R._resize.jpg

So geschehen beim einstmaligen jüdischen Außenministers WALTHER RATHENAU, der nach meiner Recherche ziemlich verworrene ANSICHTEN vertrat, weshalb es wohl auch nicht gerade die allerbeste IDEE war, seinen NAMEN, nachdem er ermordet wurde, ohne jeglichen Zeitdruck
dem Senftenberger REFORMREAL-GYMNASIUM zu verleihen. Die STADTVERORDNETEN nahmen den diesbezüglichen 2. Punkt der TAGESORDNUNG eher beiläufig & sorglos zur Kenntnis, wie die EINLEITUNG DES SITZUNGSBERICHTES unterstreicht:

10. Oktober 1922
(Oeffentliche ordentliche STADTVERORDNETENVERSAMMLUNG
am 9. Oktober, abends 7 Uhr im Zeichensaal der Volksschule I)

„Der VERSAMMLUNG konnte, wie schon des öfteren in letzter Zeit, wegen Beschlußunfähigkeit nicht zur festgesetzten Zeit eröffnet werden. Etwas mehr PÜNKTLICHKEIT der Herren STADTVERORDNETEN wäre wünschenswert, besonders bei einer so reichhaltigen TAGESORDNUNG, wie sie auch in der vorliegenden SITZUNG zu erledigen war. Die VERHANDLUNGEN fanden in Anwesenheit von 19 Mitgliedern des Kollegiums statt.“

In dieser SITZUNG argumentierte ein Herr D a h l e n b u r g ,
dass „der Name ‚RATHENAU‘ in der INDUSTRIE und auf dem Gebiete der WISSENSCHAFT einen so guten Klang hätte, daß man ohne Bedenken die ANSTALT mit diesem NAMEN benennen könnte.“, was allerdings postwendend eine LESERZUSCHRIFT unter dem Pseudonym >Nichtstuer< auf den Plan rief:

„Die SOZIALISTEN, die sich im STADTPARLAMENT in der Mehrheit befinden, wollen dem seit mehreren Jahren bestehenden städtischen GYMNASIUM einen NAMEN geben und wählen den Namen >RATHENAU-GYMNASIUM<. Anderswo würde man einfach sagen:
Dieser MANN hat nach unserer Meinung UNSERE IDEEN vertreten und ist dafür gestorben und deshalb wollen wir seinen NAMEN auf irgendeine Art IN UNSERER STADT verewigt wissen.
Undenkbar wäre so etwas in SENFTENBERG. Hier sagt man:
RATHENAU war in erster Linie ein GROSSINDUSTRIELLER, einer von den ganz großen Vertretern der INDUSTRIE und des GROSSKAPITALS, für die wir ARBEITER immer ein warmes Herz gehabt haben; und weil ihr lieben BÜRGER VON SENFTENBERG entweder selbst INDUSTRIELLE seid oder doch von der INDUSTRIE lebt, darum haben wir nur EUCH ZULIEBE diesen NAMEN für die ANSTALT gewählt, in der EURE SÖHNE erzogen werden.
Was sollen nun aber die BÜRGER zu so viel LIEBE sagen ?
Der eine oder andere noch nicht ganz zeitgemäße ALTE HERR knurrt etwas von UNSINN, aber im Grunde sind sie alle entwaffnet…
Gewiß kann es auch in SENFTENBERG zwischen den REGIERENDEN HERREN der Mehrheit und den gewöhnlichen BÜRGERN mal zu einer leichten UNSTIMMIGKEIT kommen. Es ist unausbleiblich, daß der eine oder andere mal mit irgendetwas nicht zufrieden bzw. nicht ganz einverstanden ist – aber QUERKÖPFE gibt es ja überall. In solchen Fällen tritt das STADTPARLAMENT zu einer SITZUNG zusammen und beschließt EINSTIMMIG, daß ein solcher BESCHLUSS unbedingt bindend ist. Nicht etwa, daß ihm mit behördlichem ZWANGE Geltung verschafft würde. Nein, JEDER SENFTENBERGER FÜGT SICH IHM FREIWILLIG UND AUS INNERER ÜBERZEUGUNG.“

Also, wenn ich beim Lesen dieses vor 100 Jahren im >Senftenberger Anzeiger< veröffentlichten LESERBRIEFES an das Gebaren im momentan agierenden Senftenberger STADTPARLAMENT denke…

Wenn ich heute meine >OBERSCHULZEIT< an der EOS „WALTHER RATHENAU“ Revue passieren lasse, habe ich überhaupt keine ERINNERUNG daran,
jemals im Unterricht oder außerunterrichtlich, auf den NAMENSGEBER, aufmerksam gemacht worden zu sein.
Warum auch ? Denn…

Bunt gemischt war die Gesellschaft, die sich ’58 traf,
und ich glaub, am 1.09. war’n wir alle noch kreuzbrav.
Doch dies tat sich recht bald ändern, sehr zum Leidwesen der Lehrer,
da von Jux, Spaß, guter Laune wir war’n allesamt Verehrer.

Ziemlich unbedarft in kurzen oder langen HOSEN, im Körperwachstum den künftigen MITSCHÜLERN entweder stolz über~ oder schüchtern unterlegen, versammelten sich die „PENNÄLER“ des neuen Jahrgangs auf dem riesigen SCHULHOF – etwas herablassend beäugt & belächelt von den schon „alteingesessenen, älteren Jahrgängen“. Nach dem lautstarken Ausrufen der schon im Vorfeld eingeteilten 3 neunten Klassen A, B1 und B2 ging es ins SCHULHAUS und dann in den für uns reservierten KLASSENRAUM hinein, der sich schon durch seine aufgereihten Tische & Stühle als „HÖHERE SCHULE“ von den engen Klappbänken der verschiedenen GRUNDSCHULEN distanzierte, aus denen wir nicht ausschließlich auf ELTERNWUNSCH, sondern ausdrücklich auf Grund unserer LEISTUNGEN & EMPFEHLUNG des „Pädagogischen Rates“ hierher delegiert wurden, und uns hier zu einer – gelinde gesagt –
„recht bemerkenswerten Klasse“ mauserten, die sich in den folgenden FOTOS letztmalig „lokalpatriotisch“ zeigt:

12 b2_resize.jpg

WIR ERINNERN UNS JEDERZEIT GERN AN DIE LEHRER,

ganz besonders an die „uns damals schon sehr alt vorkommenden, pädagogischen Veteranen“ – EDITH SIEBMANN & PAUL KAISER
deren ALTER, HERKUNFT & BILDUNGSWEG ich nun erstmals aus ihren PERSONALKARTEN erfuhr:

Siebmann Kaiser_resize.jpg

Daneben gab es noch einige ALTGEDIENTE PÄDAGOGEN & NEULEHRER, deren Auffälligkeiten ich nach 60 Jahren noch einmal aus der Versenkung hole:

Lehrer_resize.jpg

(1) ELSE SCHUMBELT unterrichtete FRANZÖSISCH in den A-Klassen und war als Dolmetscherin stets gefragt, wenn Delegationen aus der Partnerstadt Saint Pierre de Corps anlandeten…
(2) ELFRIEDE RICHTER eine agile SPORTLEHRERIN, die auch den JUNGS noch gehörig „die Hammelbeine lang zog“…
(3) WALTRAUD KLÖTER gab RUSSISCH und heiratete später
(4) KLAUS BÖHNISCH, der als Philosoph oft in höheren Welten schwebte…
(5) KLAUS LEUSCHNER, ein ausgezeichneter DEUTSCHLEHRER, der es schaffte, uns für Werke der Weltliteratur zu begeistern…
(6) ERNST-OTTO RICHTER war ein PHYSIK-AS, trug den Spitznamen >P(h)ysi< und erklärte alles, bis auch der Letzte es verstanden hatte…
(7) WERNER SAWALL unterrichtete GEOGRAPHIE. Seine sauber & übersichtlich gestalteten WANDTAFELTEXTE nahm ich mir zum Vorbild für meine spätere Lehrerlaufbahn…
(8) KARL RUHLA musste von der Schülerschaft als RUSSISCHLEHRER viel Gegenwind einstecken – mich motivierte er allerdings, in seine Fußstapfen zu treten…
(9) KURT HOFFMANN – ungeliebter Direktor, da er im Fach STAATSBÜRGERKUNDE nur „SED-Gewäsch“ nachplapperte…
(10) GÜNTER HOLZHAUS machte uns in CHEMIE stets zynisch darauf aufmerksam, Null Ahnung von nix zu haben…
(11) HANS-GEORG HILDEBRANDT war MUSIKLEHRER & SEESPORT-SPEZIALIST – Lieblingslied „Wenn die bunten Fahnen wehen“ – spielte Musikstücke am Klavier nur kurz an, wenn’s schwierig
wurde, brach er mit einem „usw. usw.“ ab…
(12) HORST BÜRGER lehrte ENGLISCH, wie’s im Buche steht und war stets gut vorbereitet: ihm genügten minimale Stichpunkte für 45 min Unterricht, worin ich ihm nacheiferte…
(13) DR. GÜLLAND – die Ruhe in persona beim BIO-UNTERRICHT. Bei ihm galt die Devise: Alles bestens, wenn die HEFTER vollständig, und mit bunten Illustrationen gefüllt waren…
(14) ALBERT KRUSE, sein Nachfolger, stets im gleichen braunen Anzug mit grüner Krawatte zugange, sah es dagegen sehr viel strenger, ließ sich Frösche, Schnecken, Rinderaugen für Experimente von Schülern besorgen…

Wen wundert’s, dass ich nach 4 Jahren RATHENAUSCHULE den alten deutschen Kinohit „DIE FEUERZANGENBOWLE“ zu meinem absoluten LIEBLINGSFILM erkoren habe…

„OND NUN SÄTZEN SÄ SICH, GLEISNER, SÄ ONVERSCHÄMTER LÖMMEL !
WENN SÄ NECHT GLEICH ROHIG SIND, SCHECKE ECH SÄ VOR DE TÖR!“ :shock:


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